Es ist still im Mercedes-Benz Museum, nur gedämpfte Schritte hallen durch die hohen Räume. Plötzlich zieht ein Wagen die Blicke magisch an. Er steht da wie ein Zeitreisender, majestätisch und dunkel glänzend: der Mercedes-Simplex 60 PS Reisewagen mit sechs Sitzen, einst das persönliche Automobil von Emil Jellinek.
Wer an das Ausstellungsmodell im Museum näher tritt, spürt sofort, dass dieser Wagen mehr ist als ein Ausstellungsstück. Er ist Geschichte zum Anfassen. Man erkennt das Fahrgestell von 1903, eine Meisterleistung der frühen Ingenieurskunst – kräftig, robust, gebaut für Geschwindigkeit in einer Zeit, als Geschwindigkeit noch Staunen auslöste. Aufgesetzt darauf: die elegante Karosserie von 1908, mit geschwungenen Linien, großzügigen Türen und einem Innenraum, der eher an eine feine Kutsche erinnert als an ein Automobil.
Die Vorstellung fällt leicht: Emil Jellinek, Geschäftsmann und Visionär, steigt ein. Vorne der mächtige Motor, der 60 Pferdestärken entfesselt, hinten auf den weichen Sitzen die Passagiere. Draußen staubige Straßen, Kinder, die den Wagen ehrfürchtig begaffen, während er wie ein Botschafter der Zukunft durch ihre Dörfer rollt. Wer damals an den Straßenrand trat, sah mehr als ein Automobil – er sah ein Versprechen: dass Mobilität die Welt verändern würde. Höchstgeschwindkeit: 80 km/h, trotz seiner 2,1 Tonnen Leergewicht.
Jellinek liebte die Kraft und Eleganz dieses Wagens. Er war kein Sammler, er war ein Nutzer, jemand, der mit seinen Autos reiste, sie forderte und lebte. Dass gerade dieses Exemplar bis heute erhalten blieb, ist für die Marke ein Glücksfall. Es erzählt von einem Mann, der die Marke Mercedes prägte wie kaum ein anderer – und dessen Tochter Mercédès dem Unternehmen ihren Namen gab.
Heute, im Museum in Stuttgart, spürt man die Spannung zwischen Nähe und Ferne. Besucher stehen still vor der Reiselimousine, studieren die Details: die mächtigen Speichenräder, die glänzenden Messingteile, die würdige Silhouette. Und doch schwingt beim Betrachten immer auch eine Ahnung mit – die Ahnung von Fahrtwind, Motorengeräusch, Freiheit.
Der Simplex 60 PS ist ein Monument, aber kein starres. Er wirkt lebendig, als würde er jederzeit losrollen können. Vielleicht ist es genau das, was seine Faszination ausmacht: Er verbindet Vergangenheit mit Gegenwart und macht deutlich, dass die Idee von individueller Mobilität einmal mit Visionären begann, die mehr wollten als nur von A nach B zu gelangen. Wer ihn gesehen hat, geht anders durch das Museum. Denn dieser Wagen ist nicht bloß ein Exponat – er ist ein Stück Seele der Marke Mercedes-Benz.
Bilder: Mercedes-Benz Group AG