Der Generationenwechsel im Vorstand von Mercedes-Benz ist nun nahezu abgeschlossen – und damit rückt die Frage nach der Nachfolge von Konzernchef Ola Källenius unweigerlich näher. Die entsprechenden Weichen dazu sind dazu gestellt, womit nun drei Kandidaten bereitstehen.

Mit dem Rückzug von Entwicklungs- und Produktionsvorstand Markus Schäfer hat der Aufsichtsrat bereits die nächste Stufe des Umbaus eingeleitet. Schäfers bisheriger Kollege Jörg Burzer, bislang verantwortlich für Produktion und Einkauf, übernimmt künftig die Rolle des Technikvorstands und damit die zentrale Verantwortung für die Fahrzeugentwicklung. Kaum ein Ressort ist für die Zukunft des Unternehmens wichtiger – hier entscheidet sich, wie die Modellpalette der kommenden Jahre aussieht. Seinen bisherigen Posten übergibt Burzer an Michael Schiebe (42). Der Manager hat sich zuletzt an der Spitze der Performance-Marke AMG profiliert und gilt als ausgewiesener Produktstratege.
Bereits in den letzten Monaten wurden dazu wichtige Schlüsselpositionen neu aufgestellt: Mathias Geisen (47), zuvor Leiter des Van-Geschäfts, übernahm so die Vertriebsverantwortung. Seine Vorgängerin Britta Seeger wechselte direkt ins Personalressort. Auch international gab es dazu Veränderungen – so trat Oliver Thöne (41) in China die Nachfolge von Hubertus Troska an – eine Schlüsselrolle auf dem für Mercedes wichtigsten Einzelmarkt.

Zudem kehrt mit Olaf Schick (53) ein alter Bekannter zurück: Der ehemalige Daimler-Manager kommt von Continental und übernimmt im Oktober den Bereich Integrität und Recht. Vorgängerin Renata Jungo Brüngger verabschiedet sich nach vielen Jahren im Konzern auf eigenen Wunsch.
Ola Källenius – mittlerweilen 56 Jahre – ist nach Finanzchef Harald Wilhelm nun das zweiälteste Mitglied im Vorstand. Am Schweden gibt es jedoch bereits zahlreiche Kritik an seiner Strategie. So wurden die ursprünglich ambitionierte Elektro-Strategie abgemildet, zusätzlich stagniert der Absatz. Spätestens, wenn 2027 die angekündigte Produktoffensive mit über 20 neuen bzw. überarbeiteten Modelle nicht punktet, könnte der Aufsichtsrat den Wechsel des CEO andenken. Die Nachfolge ist längst vorbereitet.

Michael Schiebe hat als bisheriger AMG-Chef bewiesen, dass er Performance und Marke zusammenführen kann. Mit seiner neuen Verantwortung für die Produktion steht er an einer entscheidenden Schnittstelle zwischen Innovation und industrieller Umsetzung. Sollte die Produktstrategie in den nächsten Jahren Früchte tragen, könnte er sich als logischer Kandidat profilieren. Mathias Geisen bringt hingegen wichtige Vertriebserfahrung und internationale Stationen mit. Er kennt den Konzern in der Breite und ist als Brückenbauer zwischen Strategie und Marktpositionierung geeignet. Gerade in einer Phase, in der Absatz und Margen wieder stärker in den Fokus rücken, könnte Geisen an Bedeutung gewinnen. Oliver Thöne ist hingegen der Überraschungskandidat. Mit der Verantwortung für China hat er die wohl wichtigste Aufgabe übernommen – und zugleich die größte Chance, sich einen Namen zu machen. Sollte er es schaffen, das Geschäft dort nachhaltig zu stabilisieren und auszubauen, dürfte er in wenigen Jahren automatisch ganz oben auf der Liste stehen.
Zum jetzigen Zeitpunkt wirkt noch Schiebe am besten positioniert: jung, produktnah und durch AMG mit Strahlkraft auf die Marke vertraut. Doch die Dynamik des chinesischen Marktes kann die Karten schnell neu mischen – was Thöne mittelfristig zur spannendsten Option macht. Geisen wiederum bleibt der solide Allrounder, der sich mit einer erfolgreichen Vertriebsstrategie ebenfalls Chancen erarbeiten kann. Am Ende wird der Aufsichtsrat wohl nicht nur nach Alter und Erfahrung entscheiden, sondern vor allem danach, wer den schwierigen Spagat zwischen Premiumanspruch, Elektromobilität und globaler Wettbewerbsfähigkeit am glaubwürdigsten verkörpert.
Bilder: Mercedes-Benz Group AG