Mercedes-Benz gilt als Vorreiter in Sachen Unfallforschung und Fahrzeugsicherheit. Vor 50 Jahren, ab August 1967 werden sämtliche Mercedes-Benz Personenwagen serienmäßig mit einer neuen Sicherheitslenkung inklusive Pralltopf ausgerüstet. Sie umfasst zwei Innovationskomponenten, die im Falle einer Kollision konkrete Risiken für den Fahrer reduzieren: So schiebt sich die aus mehreren Teilen bestehende Teleskoplenksäule bei einer Frontalkollision zusammen, damit sie nicht in den Fahrzeuginnenraum eindringt. Der zusätzliche Pralltopf in der Lenkradmitte ist so konstruiert, dass er kinetische Energie aufnimmt und abbaut, wenn bei einem Crash der Fahrer dagegen geschleudert wird. Seine Entwicklung geht zurück auf ein erstes Patent im Jahr 1954.
Die Vorteile der Sicherheitslenkung sind 1967 auf den ersten Blick ersichtlich. Aber was macht eigentlich die Fahrzeugsicherheit in ihrer Gesamtheit aus? Jede Epoche der Automobilgeschichte hat ihre eigene Antwort auf diese Frage – und stellt dementsprechend eigene Ansprüche an den Hersteller. So stehen vor dem Zweiten Weltkrieg und in den frühen Nachkriegsjahren bei den Käufern von Mercedes-Benz Personenwagen vor allem Fahrkomfort und hohe Stabilität im Vordergrund. Denn, so die zeitgenössische Überlegung, ein möglichst robustes Fahrzeug schützt seine Insassen auch bei einem Unfall am besten.
Doch die Mercedes-Benz Ingenieure und Forscher denken zu dieser Zeit schon viel weiter. Denn bereits seit Ende der 1940er-Jahre entwickeln sie gezielt Lösungen für die Fahrzeugsicherheit – ein immer wichtigeres Ziel ihrer Arbeit. Zum heutigen herausragenden Sicherheitsniveau von Mercedes-Benz – und damit zu einem wichtigen Grundpfeiler der Marke – führt dabei ein kontinuierlicher Prozess mit einer langen Reihe von Innovationen. So steht auch die Sicherheitslenkung im Sommer 1967 nicht für sich allein. Vielmehr ist sie das Produkt einer Epoche, in der die konzerneigene Sicherheitsforschung viele wichtige Entwicklungen zur Serienreife und in die Produktion der Mercedes-Benz Personenwagen bringt.
Der Weg zur Fahrzeugsicherheit
Bereits 1959 hat die Sicherheitskarosserie mit gestaltfester Passagierzelle und Knautschzonen in den Mercedes-Benz „Heckflossen“ -Limousinen (W 111) Premiere. Vater dieser wegweisenden Konstruktion ist der Mercedes-Benz Ingenieur Béla Barényi, der 1951 ein Patent darauf anmeldet. Barényi ist im Jahr 1939 auf Empfehlung des damaligen Versuchsleiters der Karosserie-Entwicklung, Karl Wilfert, eingestellt worden. Dort wird ihm die Aufgabe übertragen, neue Fahrzeugkonzepte zu entwickeln.
Bis zum Jahr 1974 wird Barényi bei Mercedes-Benz arbeiten und in dieser Zeit mehr als 2.500 Patente auf seine Erfindungen erhalten. Viele davon werden zur Grundlage von wegweisenden Lösungen der automobilen Sicherheit in der gesamten Branche. In den 1950er-Jahren arbeiten die Experten für Fahrzeugsicherheit aber auch an kleinen und dennoch feinen Lösungen, die zum Markenzeichen der Mercedes-Benz Personenwagen werden.
Umklappbarer Mercedes-Stern
Das gilt beispielsweise für den umklappbaren Mercedes-Stern, der vor 60 Jahren im Sommer 1957 Premiere hat. Seine Technologie ist zwar vergleichsweise einfach, doch auch sie bietet einen wichtigen Schutzfaktor für Fußgänger bei einem eventuellen Unfall. So kann das aus der klassischen Kühlerfigur hervorgegangene Markenzeichen bis heute verwendet werden – trotz des zum April 1959 verhängten Verbotes feststehender Kühlerfiguren in Deutschland.
In einem Schreiben der damaligen Daimler-Benz AG an die Niederlassungen und Vertretungen heißt es im Juni 1957 über diese Innovation: „Wir teilen Ihnen mit, dass für unsere Fahrzeuge ein ‚ umklappbarer’ Mercedes-Stern entwickelt wurde […]. Der Stern wird durch den Zug einer starken Spiralfeder in einem Kugelbett der nunmehr ganz flach gehaltenen Rosette befestigt und legt sich bei starkem Gegendruck um. Mit dieser Neuerung, die wir noch im Monat Juni einführen, wird die Verletzungsgefahr bei Unfällen vermindert.“
Sicherheit mit Stern: Das gilt bis heute für die Innovationsgeschichte der Stuttgarter Marke. Zu ihren markanten Punkten gehören in den 1950er- und 1960er-Jahren neben den bereits aufgeführten Lösungen beispielsweise auch die folgenden Innovationen:
1954: Eingelenk-Pendelachse mit Schubstreben im Typ 220 (W 180)
1957: Beckengurte als Sonderausstattung
1958: Keilzapfentürschloss mit Doppelrasten zum Patent angemeldet
1961: Scheibenbremsen im 220 SE Coupé (W 111) vorn und im 300 SE (W 112) sowie 300 SL Roadster (W 198) an allen vier Rädern
1961: Verankerungspunkte für vordere Sicherheitsgurte in allen Mercedes-Benz Personenwagen und Schrägschultergurte als Sonderausstattung
1963: Zweikreisbremsanlage als Serienausstattung aller Mercedes-Benz Pkw-Modelle
Quelle: Mercedes-Benz Classic