Das Mercedes-Benz Museum präsentiert in seiner Dauerausstellung den ältesten originalen Lkw der Welt – den Daimler Motor-Lastwagen aus dem Jahr 1898, gebaut von der Daimler-Motoren-Gesellschaft (DMG). Seine Nutzlast beträgt 1,25 Tonnen – ein beachtlicher Wert für die damalige Zeit. Der Zweizylindermotor entwickelt 4,1 kW (5,6 PS) bei 720/min aus 1.527 Kubikzentimetern Hubraum. Wenig Motorkraft für dieses Gewicht.
Emsiger Helfer
Wie dieser frühe Transportprofi voll beladen seine Aufgabe bewältigt? Ganz einfach: nicht schnell, aber stetig. Die Höchstgeschwindigkeit beträgt ohnehin nur 12 km/h für den leeren Laster. Zu den ersten Nutzfahrzeugkunden der DMG gehören Brauereien: Zwölf Bierfässer mit je rund 60 Litern bringt der Lkw aus dem Jahr 1898 bis ans Gasthaus. Dass er mit dieser Last nur langsam durch die Straßen fährt, hat er mit den Pferdefuhrwerken der Brauereien gemeinsam. Die Gespanne müssen sich dabei allerdings ordentlich ins Zeug legen. In der Gewichtsklasse dieses Urahns operiert heute schon der Mercedes-Benz Vito, und der moderne Sprinter deckt das Transportvolumen noch müheloser ab. Viel schneller sind beide zudem.
Transporte im Jahr 1898
Erst zwei Jahre zuvor hat die Daimler-Motoren-Gesellschaft ihren ersten Lkw nach England verkauft. Das Automobil selbst ist da gerade mal zwölf Jahre alt. Autos und Lastwagen auf den damaligen Straßen? Höchst selten. Insbesondere in Städten übernehmen nach wie vor Pferdekutschen den Personen- und Lastentransport. Güterströme über weite Strecken werden hingegen mit der Eisenbahn oder dem Schiff abgewickelt.
Wirtschaftlicher Logistiker
Genau in dieser Situation fährt der Daimler Motor-Lastwagen vor. Sein Feld ist der flexible und zuverlässige Transport schwerer Güter, zunächst vor allem innerhalb von Städten oder auf kürzeren Überlandstrecken. Die Anschaffung rechnet sich für den Fuhrmann. Denn der Lkw ist im Unterhalt kostengünstiger als ein Stall voller vierbeiniger Pferdestärken. Zudem kann er sein Liefergebiet erweitern, denn selbst ein voll beladener Lkw ist immer noch schneller als ein entsprechendes Pferdefuhrwerk. Wirtschaftlichkeit und Markterschließung: Das sind bis heute wichtige Kaufkriterien für Nutzfahrzeuge.
Ausgefeilte Technik
Eine große Ladeplattform auf Holzrädern mit Verbrennungsmotor – so könnte man das Exponat des Mercedes-Benz Museums aus dem Jahr 1898 vereinfacht beschreiben. Dieser Lkw ist ganz auf seine Aufgaben zugeschnitten. Doch nur zwei Jahre jünger als der erste ausgelieferte Lkw von 1896, ist seine Technik bereits deutlich weiterentwickelt und in Grundzügen wichtiger Details bis heute aktuell. So ist der Motor nun vorn unterhalb der Fahrersitzbank untergebracht, und der Laster wird über ein Lenkgetriebe statt über Ketten gelenkt. Die Kraftübertragung per Ritzel im Rad nimmt die moderne Außenplanetenachse vorweg. Für das Jahr 1898 hochmodern sind auch die effiziente Motorkühlung per Röhrchenkühler und drei Bremsen, die auf beide Hinterräder sowie auf die Riemenscheibe wirken. Bremsen nur an der Hinterachse sind noch viele Jahre lang üblich.
Arbeitsgerät
Weitere Details spiegeln den Charakter als Nutzfahrzeug wider. Denn im Vordergrund steht der Lastentransport und nicht der Komfort des Fuhrmanns. Ohne Kabine ist er Wind und Wetter ausgesetzt. Aber dieses Los teilt er mit dem Pferdefuhrwerker und hat wie dieser zum Schutz meist Cape und Pferdedecke auf seiner Bank hinter dem waagerecht stehenden eisernen Lenkrad deponiert. Immerhin profitiert der Chauffeur bereits von den gefederten Achsen des Daimler Lkws, vorn mit Blatt- und hinten mit Schraubenfedern – vor allem aber sind dadurch Ladung und Motor vor Vibrationen geschützt.
Innovationsträger
Der älteste existierende Lastwagen der Welt ist ein Hightechprodukt seiner Zeit. So wie die heutigen Pendants von Daimler Trucks. Gottlieb Daimler würde angesichts ihrer Technik staunen – und wäre vermutlich sehr stolz darauf, welche Entwicklungskette er vor 125 Jahren angestoßen hat.
Bilder: Daimler AG