Gottlieb Daimler wird am 17. März 1834 in Schorndorf bei Stuttgart als Sohn eines Bäckermeisters geboren und auf den Namen Gottlieb Wilhelm getauft. Neben der Lateinschule besucht er sonntags die Zeichenschule, was darauf schließen lässt, dass seine technische Begabung früh erkannt wird. Im Revolutionsjahr 1848 wird Gottlieb Daimler 14 Jahre alt und beginnt in Schorndorf eine Lehre als Büchsenmacher. Damit erhält er eine sehr gute Grundausbildung in Präzisionsmechanik und dem Umgang mit Explosivkräften.
Nach der 1852 abgelegten Gesellenprüfung besucht Daimler die Gewerbliche Fortbildungsschule in Stuttgart. Ferdinand Steinbeis von der „Königlichen Centralstelle für Gewerbe und Handel“ wird auf ihn aufmerksam und vermittelt ihn 1853 für vier Jahre in eine Maschinenfabrik ins elsässische Graffenstaden. Außerhalb der Arbeitszeit erhält Daimler dort theoretischen Unterricht, der ihn auf das Studium vorbereitet. Seine Zeugnisse sind so gut, dass er bei seinem anschließenden Ingenieurstudium an der Polytechnischen Schule in Stuttgart die beiden ersten Jahre überspringen kann und die Studiengebühren erlassen bekommt. Nach einem erneuen Aufenthalt in Graffenstaden wechselt der junge Ingenieur Mitte 1860 zur Bandsägenfabrik Périn in Paris. Vom Frühjahr 1861 bis Ende 1862 lernt er auf verschiedenen Stationen auch die britische Maschinenbauindustrie kennen: bei Maschinenfabriken in Oldham und Leeds, zwei Lokomotivherstellern in Manchester und einer Werkzeugmaschinenfabriken in Converty. Anfang 1863 tritt Gottlieb Daimler eine Stelle als Zeichner in Geislingen an, bei einem Vorläuferunternehmen der Württembergischen Metallwarenfabrik (WMF). Bereits im Dezember 1863 wird er Werkstätteninspektor der Maschinenfabrik des Bruderhauses in Reutlingen, einer karitativen Einrichtung, in der er 1864 Wilhelm Maybach kennen lernt. Maybach wird zum Weggefährten Gottlieb Daimlers und begleitet ihn von nun an auf jeder weiteren Station seines beruflichen Lebenswegs.
Am 9. November 1867 heiraten Gottlieb Daimler und Emma Kurtz, die Tochter eines Apothekers aus Maulbronn. Im Dezember 1868 erhält Daimler erstmals eine Führungsposition und wird Werkstättenvorsteher der Maschinenbau-Gesellschaft Karlsruhe, in der Carl Benz wenige Jahre zuvor, nach seinem Studium, als Schlosser gearbeitet hat. In Karlsruhe kommen die beiden Söhne Paul (*1869) und Adolf (*1871) zur Welt. 1872 wird Daimler von Eugen Langen als technischer Direktor in die Geschäftsleitung der Gasmotoren-Fabrik Deutz AG berufen. Nicolaus August Otto, neben Eugen Langen einer der beiden Gründer der Ursprungsfirm N.A.. Otto & Cie., hat sich der Produktion von Gasmotoren verschrieben. Nach dem Bau einer neuen Fabrik in Deutz und der Umwandlung in eine Aktiengesellschaft wird Gottlieb Daimler engagiert, um geordnete Produktionsabläufe einzuführen und eine technische Abteilung für Entwicklung und Konstruktion aufzubauen. Er setzt dabei auf die Mitarbeit von Wilhelm Maybach, der 1872 ebenfalls nach Deutsch wechselt und dort im Januar 1873 zum Chefkonstrukteur ernannt wird. Schnell stellen sich Erfolge ein: Die Produktions- und Absatzzahlen steigen ebenso wie die Zuverlässigkeit und Wirtschaftlichkeit der Motoren. 1876 stehen sie vor einer ähnlichen Aufgabe, als es darum geht, den von Otto erfundenen Viertaktmotor zur Serienreife zu entwickeln, und erneut erreichen sie ihr Ziel.
Unüberbrückbare persönliche und fachliche Differenzen zwischen Daimler und Otto führen zu einer zunehmenden Entfremdung. Ende September 1881 reist Daimler im Auftrag der Gasmotoren-Fabrik nach Russland, um dort die Absatzmöglichkeiten für Gasmotoren und den Stand der dortigen Industrie zu untersuchen. Der Aufsichtsrat der Gasmotoren-Fabrik, von Otto unter Druck gesetzt, schlägt Daimler nach seiner Rückkehr im Dezember 1881 vor, eine Niederlassung in Petersburg zu errichten und kündigt den bisherigen Arbeitsvertrag zum 30. Juni 1882.
Unter diesen Rahmenbedingungen scheitern die Verhandlungen hinsichtlich zukünftiger Aktivitäten in Russland, so dass Gottlieb Daimler das Unternehmen im Juni 1882 verlässt. Daimler ist zu diesem Zeitpunkt 48 Jahre alt und arbeitet seit Jahren in Führungspositionen von bedeutenden Unternehmen. Er verfügt deshalb über die erforderliche Finanzkraft, die ihm einen unabhängigen Start in die unternehmerische Selbstständigkeit ermöglicht. Die weitere Mitarbeit von Wilhelm Maybach sichert sich Daimler im April 1882 mit einem Anstellungsvertrag.
Im Frühjahr 1882 kauft Gottlieb Daimler für 75000 Goldmark eine Villa in Cannstatt, einem Nachbarort von Stuttgart. Das Gewächshaus lässt er umgehend durch einen Backsteinanbau vergrößern, um dort eine Versuchswerkstatt einzurichten. Gleichzeitig werden die Gartenwege zu Fahrwegen verbreitert.
Daimler verfolgt hoch gesteckte Ziele: Seine Grundidee besteht darin, einen kleinen, leichten Motor zu entwickeln, der leistungsstark genug ist, um als Antrieb für unterschiedliche Fahrzeuge dienen zu können – für Kutschen, Schienenfahrzeuge, Boote oder Luftschiffe. Als Arbeitsverfahren für den Motor denkt er selbstverständlich an das Viertaktverfahren, dass er in Deutz marktfähige und industriell nutzbar gemacht hat. Die bei der Gasmotoren-Fabrik verwendete Flammenzündung mit ihrem komplizierten Schiebermechanismus gestattet jedoch keine hohen Drehzahlen. Der Schlüssel zur Erzielung höherer Drehzahlen – der wichtigsten Voraussetzung für einen kleinen, leichten Motor – liegt in der Entwicklung eines geeigneten Zündverfahrens und einer funktionierenden Methode zur Steuerung der Ventile.
Am 16. Dezember 1883 ist es schließlich soweit: Daimler lässt sich nach langwierigen Versuchen einen ungekühlten, wärmeisolierten Motor mit ungesteuerter Glührohrzündung patentieren. Das Deutsche Reichspatent (DRP) 28022 mit dem schlichten Titel „Gasmotor“ ist ein Meisterwerk der Formulierungskunst, da es in einigen Punkten auf dem – bereits umstrittenen, aber damals noch geschützten – Otto‘ schen Viertaktprinzip basiert. Nur eine Woche nach dem Gasmotor lässt Daimler unter dem Titel „Neuerungen an Gasmotoren“ auch eine Ventilsteuerung zur „Regulierung der Kraft und Geschwindigkeit der Maschine“ schützen. Die Zeichnung in der Patentschrift DRP 28243 zeigt bereits einen Motor mit stehendem Zylinder. Zur gleichen Zeit, als Daimler seine beiden Gasmotoren-Patente anmeldet, läuft in seiner Werkstatt der erste Versuchsmotor; er ist noch mit liegendem Zylinder ausgeführt und wird mit Gas betrieben. Dank Glührohrzündung und einem gesteuerten Auslassventil erreicht Daimlers „Schnellläufer“ 600 Umdrehungen pro Minute und übertrifft damit bei Weitem die bisherigen Motoren, deren Drehzahllimit bei 120 bis 180/ min Umdrehungen liegt.
Der nächste Versuchsmotor wird wegen seines Aussehens „Standuhr“ genannt. Seine Leistung beträgt in der ersten Ausführung von 1884 etwa 1 PS/ 0,7 kW bei 600/ min. Den neuen Motor, der zu, erstem Mal ein öl- und staubdichtes geschlossenes Kurbelgehäuse verfügt, meldet Daimler am 3. April 1885 als „Gas- bezw. Petroleum-Kraftmaschine“ zum Patent an. Ein Vergaser, den Daimler am 25. März 1886 als „Apparat zum Verdunsten von Petroleum für Petroleum-Kraftmaschinen“ schützen lässt, ermöglicht die Verwendung von Benzin als Treibstoff.
Mit der „Standuhr“, die auf Gewichtsersparnis und kompakte Bauweise ausgerichtet ist, schaffen Daimler und Maybach die Grundlage für den Einbau in ein Fahrzeug. Als erster Versuchsträger fungiert ein Motorrad mit einem hölzernen Rahmen, oft auch als „ Reitrad“ oder „Reitwagen“ bezeichnet. Der nochmals verkleinerte Einzylindermotor nach dem Vorbild der „ Standuhr“ ist stehend unter dem Sitz des Fahrers eingebaut. Dieses „ Fahrzeug mit Gas- bzw. Petroleum-Kraftmaschine“ wird mit dem DRP 36423 vom 29. August 1885 geschützt. Die Idee, das Zweirad als preisgünstiges Alltagsfahrzeug zu entwickeln, stammt vermutlich von Wilhelm Maybach, der auf Zeichnungen auch als Fahrer des Reitrades portraitiert ist. Welche Leistungen und Verdienste Gottlieb Daimler und welche Wilhelm Maybach zuzuschreiben sind, diese Frage kann die Forschung bis heute nicht abschließend beantworten. Gerade diese enge Zusammenarbeit, bei der sich die unterschiedlichen Persönlichkeiten so ideal ergänzen, sichert den Erfolg, der die beiden zu Pionieren der individuellen Mobilität werden lässt.
Im Frühjahr 1886 bestellt Daimler bei der Firma W. Wimpff & Sohn in Stuttgart eine Kutsche vom Typ „Americain“. Angefertigt in Hamburg und montiert in Stuttgart, wird der Wagen am 28. August geliefert und heimlich in der Nacht auf das Daimler’sche Anwesen gebracht, angeblich als Geburtstagsgeschenk für Daimlers Frau Emma. In der Maschinenfabrik Esslingen wird unter Maybachs Anleitung ein Daimler-Motor nebst Drehschemellenkung eingebaut. Diese Daimler „ Motorkutsche“ ist, einige Monate nach dem Patent-Motorwagen von Carl Benz, das erste Vierrad-Automobil der Welt.
Das nächste Versuchsfahrzeug ist ein Boot. Bereits im August 1886 erproben Daimler und Maybach auf dem Neckar bei Cannstatt ein Motorboot, das von der „Standuhr“ angetrieben wird und auf allgemeines Interesse stößt. Im Gegensatz zu seinen Straßenfahrzeugen, von denen die Öffentlichkeit kaum Notiz nimmt, ist Daimler mit seinen Boots- und Stationärmotoren auf Anhieb erfolgreich. Die Werkstatt im Gewächshaus ist für eine Serienfertigung der erforderlichen Stückzahlen jedoch nicht geeignet.
So werden im Juli 1887 neue Fabrikationsräume in der Ludwigstraße, heute Kreuznacher Straße, auf dem Cannstatter Seelberg bezogen. Daimler stellt 23 Arbeiter ein, Buchhaltung und Korrespondenz übernimmt sein Sekretär Karl Linck. Die für eine Fabrik dieser Größenordnung unzureichende Kapitalausstattung zwingt Daimler, Geldgeber zu suchen. Er findet sie in dem Generaldirektor der Köln-Rottweiler Pulverfabrik, dem Geheimen Kommerzienrat Max Duttenhofer, und dessen Geschäftsfreund Wilhelm Lorenz, Inhaber der Karlsruher Metallpatronenfabrik. Am 28. November 1890 gründen die drei eine neue Aktiengesellschaft unter dem Namen „ Daimler-Motoren-Gesellschaft“ (DMG). Ihr Ziel ist es, die Aktivitäten auf dem Seelberg fortzuführen. Wilhelm Maybach, im Syndikatsvertrag als Technischer Direktor der DMG vorgesehen, scheidet bereits am 11. Februar 1891 aufgrund unannehmbarer Vertragsbedingungen im Zwist aus dem Unternehmen aus.
Wirtschaftlicher Erfolg ist der DMG nach Maybachs Weggang zunächst nicht beschieden. Und die Erfindungen von Daimler und Maybach werden zunächst nicht im automobilskeptischen Deutschland, sondern vor allem in Frankreich kommerziell genutzt. Günstigerweise hat Gottlieb Daimler tragfähige internationale Kontakte aus der Deutzer Zeit. 1889 erwirbt die Firma Panhard & Levassor in Paris über Louise Sarazin Lizenzrechte von Daimler und beginnt noch im gleichen Jahr mit der Lizenzproduktion der Zweizylinder-V-Motoren. Die Einnahmen aus dem Lizenzgeschäft haben wesentliche Bedeutung für Gottlieb Daimler.
Auch in den USA werden Daimler-Motoren in Lizenz gebaut. Bereits im September 1888 hat Gottlieb Daimler zusammen mit dem amerikanischen Klavierfabrikanten William Steinway die Daimler Motor Company in Long Island im Staat New York gegründet und seine Patentrechte für die USA und Kanada in das Unternehmen eingebracht. Die Motorenproduktion läuft 1891 an; eine größere Verbreitung, insbesondere als Automobilantrieb, verhindert jedoch Steinways früher Tod im November 1896.
Zum Auskurieren seiner Herzbeschwerden reist Daimler im Frühjahr 1893 nach Florenz zu einer Kur. Dort trifft er Lina Hartmann wieder, die Witwe eines Florentiner Hoteliers, die er früher schon bei Cannstatter Freunden kennen gelernt hatte. Daimlers Frau Emma ist vier Jahre zuvor verstorben, und die 22 Jahre jüngere und weltgewandte Lina Hartmann beeindruckt ihn sehr. Die Eheschließung der beiden findet am 8. Juli 1893 in Schwäbisch Hall statt, die anschließende Hochzeitsreise führt nach Nordamerika, unter anderem zur Weltausstellung in Chicago.
Daimlers immer schwieriger werdendes Verhältnis zu Lorenz und Duttenhofer führt schließlich dazu, dass beide ihn als Gesellschafter aus der DMG drängen. Im Oktober 1894 drohen sie, die Gesellschaft in Konkurs gehen zu lassen für den Fall, dass Daimler nicht bereit sei, sein Aktienpaket im Nennwert von 200.000 Mark und die Rechte an seinen Erfindungen an sie zu einem Drittel des Nominalwertes abzugeben. Unter dem Druck, andernfalls als Bankrotteur zu erscheinen, stimmt Daimler zu.
Daimler ist aus der Firma hinausgedrängt, aber das verbessert die Lage der DMG nicht. Im Gegenteil: Technische Erfolge bleiben aus und mit ihnen das Geld. In ihrer Not greifen Duttenhofer und Lorenz auf alte Bekannte zurück: 1895 versuchen sie Wilhelm Maybach wieder für die DMG zu gewinnen. Dieser lehnt ab mit dem Hinweis, dass er ohne Daimler nicht zurückkomme. Duttenhofer hätte einer Rückkehr beider Erfinder wohl nie zugestimmt, wäre nicht ein weiterer Umstand hinzugekommen: Die Aussicht auf ein sehr verlockendes, vermutlich überlebenswichtiges Geschäft löst einen Sinneswandel in der Geschäftsleitung der DMG aus. Durch Gottlieb Daimlers vielfältige internationale Kontakte ist sein Motor auch im Ausland ein Begriff, und eine Gruppe englischer Industrieller, deren Sprecher Frederick R. Simms ist, will die Lizenzrechte an Daimlers Erfindungen für Großbritannien erwerben. Man ist bereit, dafür den horrenden Betrag von 350.000 Mark zu zahlen – allerdings nur, wenn Gottlieb Daimler in die DMG zurückkehrt. Nur zähneknirschend akzeptiert der Aufsichtsrat im November 1895 diese Bedingung, denn ein Angebot dieser Höhe kann in der angespannten Lage nicht ausgeschlagen werden.
Daimler wird als sachverständiger Beirat und Generalinspektor in den Aufsichtsrat berufen. Gegen Zahlung von 66.666 Mark erhält er seinen ein Jahr zuvor übergebenen Aktienanteil in Höhe von 200.000 Mark zurück. Die Rückkehr Gottlieb Daimlers und Wilhelm Maybachs bringen der Gesellschaft einen ungeahnten Aufschwung. Daimlers Vision, seinen Motor als universelles Antriebsaggregat für die Motorisierung zu Lande, zu Wasser und in der Luft zu nutzen, wird immer mehr zur Realität.
Im März 1897 übernimmt Gottlieb Daimler den Vorsitz im Aufsichtsrat der DMG. Danach bleiben ihm nur noch drei Jahre bis zu seinem frühen Tod am 6.März 1900. Sein Grab befindet sich auf dem Cannstatter Uff-Kirchenhof in Stuttgart-Bad Cannstatt. Im Juni 1902 wird Daimler vom Verein Deutscher Ingenieure (VDI) mit der feierlichen Enthüllung einer Gedenktafel geehrt: einem überlebensgroßen Reliefbild, das in der Nähe des Daimler’schen Gewächshauses in einen Felsblock eingelassen ist. Gottlieb Daimlers Geburtshaus in Schorndorf und sein Gewächshaus in Bad Cannstatt beherbergen heute Museen, die an den Automobilpionier und Firmengründer erinnern.
Quelle: Mercedes-Benz Group AG