Am diesjährigen „London to Brighton Veteran Car Run“ schickte Mercedes-Benz Classic am 6. November 2022 einen Mercedes-Simplex 28/32 PS von 1904 auf die Strecke. Von der durchaus hochrangigen Veranstaltung gibt es jetzt entsprechende Bilder.
LBVCR läuft seit 1927
Der LBVCR ist nicht nur eine besonders hochrangige Veranstaltung der automobilen Klassik, sondern hat selbst eine beeindruckende Historie: Er wird bereits seit 1927 ausgetragen, und das stets nur mit Fahrzeugen, die vor 1905 gebaut worden sind. Das Vorbild des „Runs“ geht dabei auf das Jahr 1896 zurück, als eine Liberalisierung der Vorschriften zur erlaubten Höchstgeschwindigkeit mit dem „Emancipation Run“ gefeiert wird. Schon damals führt die Fahrt von London ins 60 Meilen (96 Kilometer) entfernte Brighton.
Dieses Jahr gingen nahezu 350 Teilnehmer auf die Strecke, auch wenn teils Regenstürme durch Südengland fegten. Die Stimmung konnten die teils sintflutartigen Regelfälle aber nicht dämpfen, auch wenn diese manchmal durchaus unangenehm waren. Gegenüber der Pioniere von 1896 gab es wenigstens keine unbefestigten und schlammige Straßen, die jahrzehntelang mit Pferdemist bedeckt waren.
Traditionell ging der Start im Morgengrauen im Hyde Park der Hauptstart London mit dem rituellen Hochreißen der roten Fahne voraus. Danach ging die Strecke an vielen berühmten Wahrzeichens der Stadt vorbei, darunter dem Buckingham Palace, dem Trafalgar Square und der Admiralty Arch. Um weniger auf überlasteten Strecken unterwegs zu sein, wurde die Strecke dann in zwei Teile geteilt. Während die eine Hälfte des Feldes über die Westminster Bridge am „Big Ben“ vorbei fuhr, überquerten die anderen Fahrzeuge die Lambeth Bridge.
Später kam das Teilnehmerfeld am Zwischenstopp im The Hawth Threatre in Crawley zusammen, was gleichzeitig als Unterschlupf vor dem Wetter diente. Danach ging es an einigen Dörfern von Sussex über die South Downs und durch die überfluteten Straßen von Brighton zum Madeira Drive direkt am Meer.
Innovationsträger der Automobilgeschichte
Zu den herausragenden Innovationsträgern der Automobilgeschichte gehören die Mercedes-Simplex Modelle, die grundlegend die Geschichte der Mobilität ab dem Jahr 1902 verändern. Sie folgen auf den Mercedes 35 PS von 1901, dem ersten modernen Automobil. Für die Rennwoche von Nizza entwickelt die Daimler-Motoren-Gesellschaft auf Anregung des Visionärs Emil Jellinek dieses Hochleistungsmobil, das konsequent mit damals üblichen Konstruktionen bricht, die noch stark mit motorisierten Kutschen verwandt sind. Der Mercedes 35 PS, benannt nach Jellineks Tochter Mercédès, erscheint 1901 mit einer völlig neuen Fahrzeugarchitektur mit einem – im Vergleich zu anderen damaligen Automobilen – flachen Fahrzeugdesign sowie einem leichten, tief im Rahmen eingebauten Hochleistungsmotor und einem organisch in die Front integrierten Bienenwabenkühler. Ab 1902 ist dann die Typenfamilie des Mercedes-Simplex Wegbereiter des Markenerfolgs und Vorbild für eine atemberaubende Entwicklung der kompletten Automobilbranche.
London nach Brighton
Der am London-Brighton-Run 2022 teilnehmende Mercedes-Simplex 28/32 PS wurde zwischen den Jahren 1904 und 1909 hergestellt. Sein Vierzylindermotor hat einen Hubraum von 5.322 Kubikzentimetern und bietet eine Leistung von 23,5 kW (32 PS) bei 1.200/min.
Die Hintergründe des „Emancipation Runs“ von London nach Brighton reichen noch weiter zurück als 1896, nämlich bis auf den „Highway Act“ aus dem Jahr 1865, auch „Red Flag Act“ genannt. Dieser beschränkt die Höchstgeschwindigkeit für selbstfahrende Fahrzeuge mit Dampfantrieb auf 6,4 km/h (4 Meilen pro Stunde) – innerorts gar auf 3,2 km/h (2 Meilen pro Stunde). Bis 1878 muss zudem eine vorweggehende Person mit einer roten Flagge andere Verkehrsteilnehmer wie Fußgänger oder Pferdekutschen vor den Dampflokomobilen warnen. Als das Automobil Mitte der 1890er-Jahre nach Großbritannien kommt, drohen die Vorgaben des „Highway Acts“ den technischen Fortschritt der britischen Individualmobilität erheblich zu behindern.
Weitere Bilder in der Galerie:
Bilder: Mercedes-Benz Classic / Craig Pusey