Ausblick in die Zukunft: Testfahrt im E-Klasse Entwicklungsfahrzeug mit innovativem Autobahnpilot

Auto fahren ohne selbst lenken zu müssen, Vision oder vielleicht schon heutige Wirklichkeit? Was aktuell in diesem Bereich der Stand der Dinge ist, könnten wir kürzlich bei einer exklusiven Testfahrt in Spanien mit einer umgerüsteten E-Klasse selbst erleben.

Testfahrt E-Klasse Versuchsfahrzeug mit Autobahnpilot in Barcelona

Jeder von uns kennt es und hat es selbst bestimmt schon mehrfach erlebt: Die Rede ist von langen Autobahnetappen, zum Beispiel bei der Urlaubsfahrt in den Süden. Stundenlang geht es auf dem nicht enden wollenden Asphaltband fast nur geradeaus, ohne jegliche Reize. Langeweile und Müdigkeit sind die Folge – und im schlimmsten Fall kommt es durch Konzentrationsmangel sogar zu einem Unfall.

Testfahrt E-Klasse Versuchsfahrzeug mit Autobahnpilot in Barcelona

Dieses und noch viele weitere Gründe sind es, das Mercedes-Benz bereits seit Jahrzehnten konsequent daran arbeitet, den Straßenverkehr für alle Teilnehmer sicherer zu machen. Im Rahmen dieser Forschungen konnten die Stuttgarter auf dem Weg zum unfallfreien Fahren bereits eine ganze Menge an innovativen Sicherheits- und Assistenzsystemen, wie beispielsweise das ESP oder den aktiven Totwinkelassistent auf den Markt bringen. Eine neue Stufe der Fahrerassistenzsysteme wird nun unter dem Begriff „Mercedes-Benz Intelligent Drive“ erstmals in der E-Klasse Modellpflege und ab Sommer auch in der neuen S-Klasse gezündet. In beiden Baureihen wird im Bereich des teilautonomen Fahren, der weiterentwickelte Abstandsregel-Tempomat DISTRONIC PLUS mit Lenkassistent die zum Einsatz kommen. Natürlich ist die neue „DISTRONIC PLUS“ in E- und S-Klasse noch lange nicht das Ende der Fahnenstange. Bereits heute sind die Ingenieure fleißig dabei, die nächste und übernächste Generation zu entwickeln.

Testfahrt E-Klasse Versuchsfahrzeug mit Autobahnpilot in Barcelona

Wie einer der nächsten Schritte aussieht, konnten wir kürzlich hautnah in Spanien in einer zum Entwicklungsfahrzeug umgebauten E-Klasse erleben. Diese ganz spezielle E-Klasse hat es in sich… ist sich doch mit einem neuartigen Autobahnpilot ausgerüstet der Spurwechsel und Überholvorgänge von ganz allein ohne das Zutun des Fahrers erledigen kann.

Testfahrt E-Klasse Versuchsfahrzeug mit Autobahnpilot in Barcelona

Von außen wirkt die E-Klasse Limousine (W212) unscheinbar und wie jede andere E-Klasse vor der Modellpflege in diesem Frühjahr. Erst der geschulte Blick des Kenners lässt ein kleines aber feines Detail erkennen: die Stereokamera oben an der Frontscheibe! Der weitere Blick in den Innenraum zeigt ein Zusatzdisplay neben dem Kombiinstrument und jede Menge extra Schalter in der Mittelkonsole, die zweifelsohne Indiz dafür sind, dass es sich hier um ein Versuchsfahrzeug handelt.

Nach kurzer Einweisung geht es mit der E-Klasse auf die Autobahn in Richtung Barcelona. Wir beschleunigen auf 100 km/h – und stellen wie gewohnt die DISTRONIC via Bedienhebel hinter dem Lenkrad auf 110 km/h ein. Wie bisher, übernimmt DISTRONIC PLUS die Geschwindigkeits- und Abstandsregelung. Unbemerkt mit dem aktivieren der DISTRONIC, haben wir zugleich auch das auf den Namen „Autobahnpilot“ getaufte System in unserem Entwicklungsträger aktiviert.

Neu an dem weiterentwickelten System ist, dass jetzt durch aktives Lenken völlig selbstständig die Spur gehalten und dem autobahntypischen Straßenverlauf gefolgt wird – ohne dabei die Hände am Lenkrad haben zu müssen, wie es in der E-Klasse Modellpflege und der künftigen S-Klasse bei der DISTRONIC PLUS mit Lenkungsassistent noch der Fall ist.

Testfahrt E-Klasse Versuchsfahrzeug mit Autobahnpilot in Barcelona

Ein wenig ungewohnt ist es ja schon, die Hände nicht am Lenkrad zu haben und der Elektronik im Versuchsfahrzeug komplett zu vertrauen. Da die E-Klasse aber souverän die Spur hält, wächst das Vertrauen in das System von Meter zu Meter rasch. Wenig später tauchen die ersten langsameren PKWs und LKWs auf -und auch hier beweist der Autobahnpilot sein können: Wie von Geisterhand setzt die E-Klasse den Blinker, wartete den Verkehr auf der linken Fahrspur ab und wechselt dann völlig autonom ohne Eingriff des Fahrers auf die Überholspur. Entspannt überholen wir die Fahrzeuge, -und als wir vorbei sind und wieder freie Fahrt auf der rechten Seite möglich ist, setzt die E-Klasse abermals wie von Geisterhand den Blinker und wechselt zugleich wieder völlig eigenständig zurück auf die freie rechte Fahrspur. Die Spurwechsel erfolgen zügig und direkt, ohne irgendwelche Schlenkerei, viel besser würde man selbst die Sache auch nicht erledigen.

Testfahrt E-Klasse Versuchsfahrzeug mit Autobahnpilot in Barcelona

Das Autobahnpilot-System im Entwicklungsfahrzeug arbeitet in einem Geschwindigkeitsbereich zwischen 60 und 130 km/h und nur auf Autobahnen oder Kraftfahrstraßen mit baulicher Trennung der Richtungsfahrbahnen durch eine Mittel-Leitplanke. Technisch betrachtet wird der Autobahnpilot erst durch das intelligente Zusammenspiel der verschiedenen Sensoren im Fahrzeug möglich. Alle für den Autobahnpilot eingesetzten Sensoren werden, wenn auch in anderer Konfiguration, bereits heute in den Mercedes-Fahrzeugen verbaut. Die zu Anfangs schon angesprochene nach vorn gerichtete Stereokamera an der Frontscheibe erkennt dabei die jeweiligen Fahrspuren sowie den vor der E-Klasse fahrenden Verkehr.

Testfahrt E-Klasse Versuchsfahrzeug mit Autobahnpilot in Barcelona

Insbesondere das Bild der Stereokamera mit seiner 6D-Technologie ist eines der Herzstücke des Systems, um Fahrspuren und vorausfahrende Fahrzeuge erkennen zu können. Außerdem werden parallel die Information der Stereokamera mit den Daten des Front-Fernradars der DISTRONIC verglichen und kombiniert, um eine umfassende Analyse zu bekommen, was sich vor dem Fahrzeug alles abspielt. Der rückwärtige Bereich hinter der E-Klasse wird mit zwei weiteren Fernradaren überwacht, die von hinten näher kommende Fahrzeuge erkennen können. Den Bereich seitlich von der E-Klasse werden durch die Radare des Totwinkel-Assistenten überwacht.

Testfahrt E-Klasse Versuchsfahrzeug mit Autobahnpilot in Barcelona

Die Testfahrt mit dem „Autobahnpilot“ auf der spanischen Autobahn hat gezeigt, dass im Grundsatz das System bereits heute sehr gut funktioniert. Die E-Klasse hielt, bis auf eine Situation wo direktes Sonnenlicht die Stereokamera irritierte und die Fahrspur nicht mehr korrekt erkannt wurde, problemlos Kurs auf der Autobahn.

Testfahrt E-Klasse Versuchsfahrzeug mit Autobahnpilot in Barcelona

Ebenso gut funktionierten auch die automatischen Spurwechsel zum Überholen der langsameren PKWs und LKWs. Zielgenau und immer unter Berücksichtigung der Verkehrssituation neben, hinter, sowie vor der E-Klasse, wurde die Fahrspur von rechts nach links und wieder zurück nach rechts gewechselt. Der Autobahnpilot zeigte sich sogar so intelligent, dass er an Hand der Navigationsdaten Autobahnauffahrten erkannt hat und um möglichen Kollisionen mit auffahrenden Fahrzeugen zu entgehen, in diesem Streckenabschnitt nicht von der linken auf die rechte Spur wechselte.

Testfahrt E-Klasse Versuchsfahrzeug mit Autobahnpilot in Barcelona

Laut den Entwicklern ist der Autobahnpilot zu 80 Prozent fertig entwickelt. Die jetzt noch offenen 20 Prozent – die Feinheiten – sind allerdings die schwierigsten und werden mehr als dreiviertel der Entwicklungszeit beanspruchen. Einer dieser noch offenen Feinheiten ist das dosiertere Kurshalten in der Fahrspur. Aktuell stellt sich während der autonomen Fahrt noch ein wenig das Gefühl des „zwischen den Fahrbahnmarkierungen schwimmens“ ein. Insgesamt konnte der „Autobahnpilot“ aber auf ganzer Linie überzeugen. Die Testfahrt in Spanien beeindruckte, war aber auf der anderen Seite auf Grund der fast fehlerfreien und reibungslosen Fahrt, irgendwie auch wieder spektakulär unspektakulär.

Testfahrt E-Klasse Versuchsfahrzeug mit Autobahnpilot in Barcelona

Man setzt sich in die E-Klasse, aktiviert die DISTRONIC PLUS und damit auch den Autobahnpilot – und fährt einfach und locker – sofern man Vertrauen in die Technik hat – drauf los und es funktioniert! Bleibt zum Schluss noch die Frage, wann ist mit einer Markteinführung des Autobahnpilot-Systems zu rechnen? Noch ungewiss! Sobald das System voll zuverlässig funktioniert, ist es durchaus vorstellbar, es in einer der kommenden Fahrzeuggenerationen auf den Markt zu bringen.

Testfahrt E-Klasse Versuchsfahrzeug mit Autobahnpilot in Barcelona

Der Marktstart kann in fünf Jahren der Fall sein, aber unter Umständen auch erst in zwanzig Jahren. Die Grundvoraussetzung für die Markteinführung ist zu aller erst die Änderungen in der Gesetzgebung, welche im Moment ein System wie den Autobahnpilot in Fahrzeugen verbietet.

10 Kommentare
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mehrzehdes
11 Jahre zuvor

prima, daß man daran entwickelt. bei audi ist man ja auch schon sehr weit. wenn man im auto als fahrer arbeiten oder gar schlafen könnte, wäre vielen geschäftsleuten der job erleichtert.

Daniel
11 Jahre zuvor

Sclafen im Auto naja.
Gut das man an solcher Technik arbeitet

Martin
11 Jahre zuvor

Naja, ich weiß nicht… An sich ne schöne Sache…aber ob man sich auf solch eine Technik so sehr verlassen sollte, weiß ich nicht…

Verleitet doch gerade dann dazu zu sagen, ohh…ich kann ja jetzt schlafen, das Auto fährt schon…

Bzw. die Müdigkeit wird erst recht gefördert, wenn ich noch nicht ein mal mehr Lenken muss…

PJL
11 Jahre zuvor

Warum sollte in Fahrzeugen nicht das eingeführt werden, was beim Fliegen schon Gang und Gäbe ist.
Bei einigen Flugzeugen wird schon heute vom Start bis zur Landung alles autonom gesteuert, und der Pilot greift nur noch in Extremfällen ein…

Alec
11 Jahre zuvor

Also vereinzelt fährt die neue ja schon rum. Ich hätte schwören können, mit Stern auf der Haube und im Kühlergrill. Wenn ich die nochmal sehe mach ich n Foto.

Elementus
11 Jahre zuvor

Ihr habt nicht zufällig ein Video beim Fahren gemacht? 😉

melaw
11 Jahre zuvor

Ich habe auf Europas Autobahnen schon so manchen Linienunfug gesehen, auch wenn idR korrekt gemalt wurde.

Autobahnstück ohne oder mit fehlerhafter Spurmarkierung -> System kann die Spur nicht selbst finden -> Fahrer muss sofort eingreifen…

Die volle Aufmerksamkeit des Fahrers wird trotzdem benötigt. Systeme wie dieses lassen aber nur zu gerne Unaufmerksamkeit aufkommen-

Ich seh die Sache recht kritisch. In der Luft ist auch nichts drumrum, und das was noch rumfliegt ist klar definiert von Position und Flugvektor.

Marc W.
11 Jahre zuvor

Die Forschung hat was absolut faszinierendes. Das maximal sinnvoll zu Genehmigende wäre vollautonomes Staufahren; der Rest mündet in ein Assistenzsystem mit aktivem Aufmerksamkeitsassistenten, der einen (wie auch immer) deaktivierten Fahrer sicher unterstützend nicht nur an den Fahrbahnrand (Tunnel!), sondern vielleicht zur nächsten sicheren Haltestelle bringt…
Ein Autopilot wäre Unfug – man frage mal Piloten was für Müdigkeit durch ebendiesen bei Langstreckenflügen entsteht…

Rylex
11 Jahre zuvor

Ich finde diese Entwicklung sehr interessant und absolut gerechtfertigt! Für mich das beste Beispiel an Innovation. Beispielsweise im Falle eines Herzinfarkts das Auto „kontrolliert“ ins nächste Krankenhaus fahren lassen (wobei es dann sicher zu spät ist) oder kontrolliert anhalten lassen.
In jedem Fall besser als unkontrolliert über die Fahrspuren zu ziehen.
Endlich mal wieder eine neue sinnvolle Technik – denn Twitter oder Facebook braucht man beispielsweise im Auto gar nicht.