Das Experimentier-Sicherheits-Fahrzeug ESF 22 von 1973

Bereits vor 50 Jahren stellte Mercedes-Benz einen weiteren Meilenstein der Fahrzeugsicherheit vor, welches seit mehreren Jahren im Mercedes-Benz Museum zu besichtigen ist: das Experimentier-Sicherheits-Fahrzeug ESF 22 auf Basis der Baureihe 116. Das Originalfahrzeug selbst steht in Stuttgart im Mercedes-Benz im Raum Mythos 5: „Vordenker – Sicherheit und Umwelt“.

Die große Limousine des ESF 22 sieht der S-Klasse der 1970er-Jahre ähnlich. Doch bereits die Fahrzeugfront ist ein deutliches Ausrufezeichen der Ingenieure im Dienst der Sicherheit. Großflächig prägt dazu Kunststoff das Fahrzeuggesicht. Das Material soll den Fußgängerschutz verbessern – so das Konzept der damaligen Entwickler. Dafür geben sie sogar den markentypischen Kühlergrill mit Chromzier auf. Sie verwenden die Front der SL-Sportwagen mit großem Zentralstern und hüllen ihn in das Prallschutzmaterial. Auch die Schweinwerfer sind davon umgeben und zudem leicht zurückgesetzt eingelassen. Die Stoßfänger sind zusätzlich energieabsorbierend ausgelegt.

Anfang der 1970er-Jahre erreicht die Straßenverkehrsunfallstatistik in den westlichen Ländern einen traurigen Höhepunkt. Mit zunehmender Verkehrsdichte steigt die Zahl der Unfallopfer. Innovationen der Fahrzeugsicherheit könnten die Lage verbessern – Mercedes-Benz setzt beispielsweise mit der Sicherheitskarosserie in den „Heckflosse“-Limousinen bereits 1959 Maßstäbe. Aber nicht alle Hersteller nehmen die Weiterentwicklung der passiven und aktiven Sicherheit in den Fokus ihrer Entwicklungsarbeiten. Das amerikanische Verkehrsministerium Department of Transportation (DOT) gibt einen Impuls: Es legt das „Experimental Safety Vehicle Program“ (ESV) auf. Dieses soll herstellerübergreifend neue Standards für die Automobilsicherheit entwickeln.

ESF-Ahnenreihe

Zur Erprobung dienen die sogenannten Experimentier–Sicherheits-Fahrzeuge (ESF). Insgesamt baut Mercedes-Benz seit 1971 mehr als 30 davon. Das Mercedes-Benz ESF 22 ist das dritte öffentlich präsentierte ESF des Unternehmens. Es wird vorgestellt auf der 4. Internationalen ESV-Konferenz vom 13. bis 16. März 1973 in Kyoto (Japan). Davor haben bereits im Oktober 1971 das ESF 05 und im Mai 1972 das ESF 13 öffentliche Premieren. Zuletzt erscheint vor vier Jahren das ESF 2019 mit erneut wegweisenden Innovationen.

Impulsgeber: Die ESF-Forschungsfahrzeuge geben wichtige Impulse für Sicherheitstechnologien. Rückhaltesysteme, entschärfte Aufprallbereiche im Innenraum, Antiblockiersystem ABS, Leuchtenwischer, Karosseriemaßnahmen – diese und weitere Innovationen haben bereits ESF 05 und ESF 13. Das ESF 22 baut darauf auf. Es verfeinert die Entwicklungen und bietet damit zusätzliche Sicherheit.

Technologieträger

Hinter der Fahrzeugfront kommt einem das ESF 22 bekannt vor. Richtig – es basiert auf der 1972 vorgestellten Mercedes-Benz S-Klasse der Baureihe 116. Das unterstreicht den hohen Sicherheitsstandard der Serienfahrzeuge der Marke. Zwar werden nicht alle in den ESF erprobten Maßnahmen später auch im Modellprogramm umgesetzt. Doch es ist das generelle Ziel der Mercedes-Benz Sicherheitsentwicklung, den Kunden mit möglichst vielen dieser Technologien einen konkreten Nutzen zu bieten.

Zukunft endet nicht

Seit den 1950er-Jahren wird im Unternehmen die Sicherheitsentwicklung systematisiert. Die Liste der Innovationen seitdem ist lang. Sie wird nie enden: So stellen beispielsweise Elektrofahrzeuge mit ihren anderen Möglichkeiten für eine Raumaufteilung innerhalb der Karosserie wieder neue Anforderungen an Sicherheitssysteme. Die Mercedes-Benz Ingenieure entwickeln schlüssige Antworten darauf. Die Marke ist stets am Puls der Zeit – auch 50 Jahre nach der Vorstellung des ESF 22.

Bilder: Mercedes-Benz Group AG