Der Neubau des Technologiezentrums Fahrzeugsicherheit (TFS) war ein aufwendiges Bauprojekt. Die Herausforderungen bestanden unter anderem darin, dass in der großen Crashtesthalle keine Säulen stehen durften und der Boden der Crashbahnen extrem eben sein sollte. Zu den baulichen Besonderheiten zählt ebenso die Temperierung mit Hilfe der Abwärme der benachbarten Klimawindkanäle.
Die schieren Dimensionen und der Materialeinsatz beim Bau des TFS sind beeindruckend: So ist die stützenfreie Crashhalle mit 90 Metern mal 90 Metern flächenmäßig deutlich größer als ein Fußballplatz im internationalen Format. Verbaut wurden insgesamt über 7.000 Tonnen Stahl. Und der Einsatz von insgesamt 36.000 m³ Tonnen Beton lässt sich illustrieren mit einer rund 40 Kilometer langen Schlange von Betonmischer-Fahrzeugen.
Über 200 Meter misst die längste Anlaufbahn von Crashblock zu Crashblock. Für die exakte Durchführung der Versuche ist eine extreme Ebenheit des Bodens erforderlich. In einem Streifen von ±4 Metern um die Mitte der Crashbahnen beträgt die Toleranz ±2 mm/m, auf die gesamte Bahnlänge sind es ±5 mm/100 m. Die Bodenplatte ruht auf über 500 Betonsäulen, die bis zu 18 m tief in den Boden reichen. Sie wird ähnlich einer Fußbodenheizung temperiert, um die geforderte Temperaturkonstanz in der Halle sicherzustellen.
Die auf die Crashtest-Bedürfnisse zugeschnittene Konstruktion erforderte in der Bauphase Präzisionsarbeit: Für das korrekte Einbringen der großen Stahlträger der stützenfreien Halle musste die Temperatur an den Montagetagen berücksichtigt werden. Dies war entscheidend wegen der temperaturabhängigen Ausdehnung des Stahls. Aufgrund der Zugänglichkeit transportierten Helikopter die Entlüftungsauslässe zur Montage auf das 23 Meter hohe Dach.
Die Beschleunigung der Crashfahrzeuge bis zur Kollision erfolgt durch Seilzugsysteme, die von Gleichstrom-Elektromotoren mit mehr als 600 kW Nennleistung angetrieben werden. Für eine kurze Zeit kann die Leistung im Boost-Betrieb deutlich erhöht werden. Auf den langen Anlaufbahnen sind durch ein innovatives Umlenksystem Beschleunigungen in beiden Richtungen möglich.
Auf den Crashbahnen kommt das so genannte Microtrack-System zum Einsatz. Zu den Vorteilen dieses kompakten Unterflurschienensystems zählt neben der präzisen Führung der Fahrzeuge bis zum Aufprallort die sehr geringe Schienenbreite von 70 mm. Das ermöglicht in den fünf Meter tiefen Filmgruben, die sich an den Aufprallorten der Crashbahnen befinden, eine besonders gute Sicht auf den Unterboden der Fahrzeuge. Die Glasscheiben sind übrigens elf Zentimeter dick, um auch die Belastung durch Lkw aushalten zu können.
Für Car2Car-Crashtests in einem Aufprallwinkel von 0° bis 180° ist im Boden der Winkelbahn ein variables Oberflurschienen-System für die Stahlseile verankert. Abstufungen von 15 Grad sind vorkonfiguriert, grundsätzlich ist jedoch jeder beliebige Winkel möglich. Wird der Seilantrieb nicht benötigt, kann er entfernt werden – so entsteht eine große, ebene Fläche, etwa für Brems- oder Schleuderversuche.
Zur Klimatisierung des TFS wird die Abwärme der benachbarten Klimawindkanäle genutzt. Energie spart ebenso, dass die gesamte Beleuchtung des Gebäudes mit LED-Licht erfolgt. Auch die helle Crashbeleuchtung übernehmen LED-Strahler, die zugleich weniger Wärme abgeben und somit die Dummys nicht mehr aufheizen. Gegenüber den bisher verwendeten Halogen-Metalldampf-Scheinwerfern (HMI) konnte die Ausleuchtung verbessert werden, da die Lichtquelle flächiger als bei HMI-Lampen ist.
Umfangreiche Neubau-Maßnahmen am Standort Sindelfingen
Die Daimler AG hat für die gesamte Baumaßnahme einen Eurobetrag in dreistelliger Millionenhöhe investiert. Das neue TFS ermöglicht eine noch engere Verzahnung zwischen Forschung, Entwicklung, Planung und Produktion am Standort Sindelfingen. In unmittelbarer Nähe wurden 2010 der neue Fahrsimulator, 2011 die neuen Klimawindkanäle und 2013 der neue Aeroakustik-Windkanal in Betrieb genommen.
Die wichtigsten Bauphasen des TFS im Überblick:
- Baubeginn und Erdaushub: Herbst 2013
- Fundament: April 2014
- Richtfest: 12. Mai 2015
- Stahlbaubeginn: November 2015
- Erster produktiver Crashtest: 30. September 2016
Quelle/Bilder: Daimler AG