PEGASUS (Projekt zur Etablierung von generell akzeptierten Gütekriterien, Werkzeugen und Methoden sowie Szenarien und Situationen zur Freigabe hochautomatisierter Fahrfunktionen) ist ein vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) gefördertes Forschungsprojekt. Ziel des Verbundprojekts ist es, einheitliche Technikstandards auf dem Gebiet der Absicherung hochautomatisierter Fahrzeugsysteme zu entwickeln und wichtige Fragen zur Sicherheit und Zuverlässigkeit der Systeme zu beantworten. Zum Abschluss des Forschungsprojekts, am 13. und 14. Mai, stellt die Daimler AG im Schulterschluss mit 16 weiteren Projektpartnern zum ersten Mal die wichtigsten Erkenntnisse aus dem Projekt der deutschen und internationalen Öffentlichkeit in Wolfsburg vor.
Der Traum vom selbstfahrenden Auto ist vielleicht noch nie so greifbar gewesen wie heute. Rein technisch sind alle Voraussetzungen dafür gegeben. Bis die Automatisierungssysteme aber flächendeckend und millionenfach auf der Straße eingesetzt werden können, müssen noch viele Fragen geklärt werden. Darunter jene, wie sich die Sicherheit und Zuverlässigkeit der Systeme nachweisen lässt, wann ein System „reif“ genug für die Zulassung auf der Straße ist oder welche Rolle der Mensch im Zusammenspiel mit der Technik spielen wird. „Deshalb haben wir uns bei PEGASUS maßgeblich an zentraler Stelle engagiert, um eine Methodik als Stand der Technik mit zu entwickeln, die von allen Interessengruppen weltweit akzeptiert wird. Diese Prüfmethodik wird uns dabei unterstützen, zuverlässige und robuste hochautomatisierte Fahrzeugsysteme für unsere Kunden auf die Straße zu bringen“, erklärt Michael Hafner, Leiter Fahrtechnologien und Automatisiertes Fahren, Mercedes-Benz Cars Entwicklung, die Bedeutung von PEGASUS für die sichere Zukunft autonomen Fahrens.
Daimler verantwortet zentrales PEGASUS-Teilprojekt 3 „Testen“
Grundsätzlich besteht PEGASUS aus vier Teilprojekten, die jeweils ein wichtiges Themengebiet zur Absicherung des autonomen Fahrens und dafür relevante Fragestellungen klären:
- TP 1 – Szenarienanalyse und Qualitätsmaße (https://www.pegasusprojekt.de/de/subproject-1)
- TP 2 – Umsetzungsprozesse (https://www.pegasusprojekt.de/de/subproject-2)
- TP 3 – Testen (https://www.pegasusprojekt.de/de/subproject-3)
- TP 4 – Ergebnisreflektion und Einbettung (https://www.pegasusprojekt.de/de/subproject-4)
Die Teilprojekte 1 und 2 beschäftigen sich vor allem mit der Definition relevanter verkehrlicher Szenarien sowie der kritischen Analyse bereits in der Automobilindustrie eingesetzter Prozesse zur Absicherung automatisierter Fahrsysteme. Mit etwa zwei Drittel des gesamten Projektvolumens bildet Teilprojekt 3 „Testen“ das größte Teilprojekt von PEGASUS. Unter der Leitung der Daimler AG werden hier Methoden und Werkzeuge zur Durchführung von Tests in der Simulation, auf dem Prüfgelände und im realen Verkehrsgeschehen erarbeitet.
„Um die Relevanz dieses Teilprojekts zu begreifen, ist es wichtig, die bisherige Rolle und den heutigen Stand von Testverfahren in der Automobilindustrie zu verstehen. Bisher werden Fahrerassistenzsysteme und aktive Sicherheitssysteme in Fahrzeugen nach mehreren hunderttausend gefahrenen Kilometern im realen Straßenbetrieb und in mehreren 100 verschiedenen Verkehrsszenarien auf dem Testgelände geprüft. Zeigen sie dabei keine relevanten Fehlfunktionen können sie zugelassen werden. Um ein vergleichbares Niveau für hochautomatisierte Fahrsysteme zu etablieren, würde man aber eher Milliarden gefahrene Testkilometer benötigen“, erläutert Dr. Helmut Schittenhelm, PEGASUS-Projektleiter „Testen“, Mercedes-Benz Cars Development, und ergänzt: „Das lässt sich nur in Form von Simulationen mit gezielter Parameterauswahl auf ein verträglich realistisches Maß an Testkilometern auf der Straße angleichen. Das heißt, Simulationen werden in Zukunft eine tragende Rolle in Test- und Prüfverfahren einnehmen. Dafür eine zuverlässige Methodik zu entwickeln und zu etablieren, ist eine unserer Hauptaufgaben bei PEGASUS.“
PEGASUS wurde im Januar 2016 auf Initiative des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi) ins Leben gerufen. Insgesamt 17 Projektpartner, darunter viele deutsche Fahrzeughersteller, Zulieferer, öffentliche Institutionen sowie wissenschaftliche Hochschulen und Fakultäten, widmeten sich seitdem in insgesamt vier Teilprojekten anhand der Beispielanwendung „Autobahn-Chauffeur“ diesem gemeinsamen Ziel.
Ein Kernelement des Teilprojekts „Testen“ war die Entwicklung eines Modells für reale Verkehrssituationen, das alle Variationen und Einflussgrößen vollständig beschreibt. Die Zusammenstellung dieser Szenarien- und Testfalldatenbank erfolgte am Beispiel des Systems „Autobahn-Chauffeur“ in enger Zusammenarbeit mit der Forschungsgesellschaft Kraftwahrwesen mbH Aachen (FKA) und dem Institut für Kraftfahrzeuge der RWTH Aachen (IKA). Dazu wurden in diesem Arbeitspaket für PEGASUS herausfordernde Situationen gesammelt und dann systematisch und hochpräzise deren relevante Parameter wie Geschwindigkeit, Spurverhalten oder Streckenbedingungen vermessen. Diese Szenariendatenbank soll in zukünftigen Prüfverfahren sicherstellen und absichern, dass der Autobahn-Chauffeur nach heutigem Stand zuverlässig reagiert und robust im Sinne einer Kollisionsvermeidung agiert. Ziel der Datenbank ist eine Internationalisierung im Sinne standardisierter Schnittstellen und Modellierungssprache für Szenarien, so dass diese perspektivisch zusammengeführt, ausgetauscht und verglichen werden können.
Anschließende Simulationstests bildeten das zweite Arbeitspaket im Teilprojekt „Testen“. Hier galt es, Lösungen für ein systematisches Abprüfen der Systemgrenzen im Parameterraum zu entwickeln, die gewährleisten, dass ein autonomes System auch in Randbereichen zuverlässig reagiert. Dies erfordert die intelligente Vernetzung der Simulationen mit Versuchen auf Prüfgeländen und Feldtests. Ziel der Simulation ist es, kollisionsrelevante Ausprägungen von Szenarien anhand von Kritikalitätsmetriken (z.B. Restabstand) durch Parametervariation (Szenarienvielfalt) zu identifizieren und anschließend die Simulationsergebnisse immer wieder durch gezielte Versuche auf dem Prüfgelände zu bestätigen.
Im dritten Arbeitspaket „Prüfmethodik“ wurde eine Prüftechnik entwickelt, die es erlaubt, Szenarien schließlich unter realen Bedingungen auf dem Prüfgelände präzise mit programmierbaren Testobjekten nachzustellen. Sebastian Werr, Absicherung Test-Technologie und Kommunikation Assistenzsysteme, Mercedes-Benz Cars Development, zu den eingesetzten Prüfmitteln in diesen Tests: „Wir wenden für die selbstfahrenden Targets, die Roboterfahrzeuge, eine zukunftsweisende Steuerungstechnologie an, die Daimler bereits vor ca. sieben Jahren mit externen Partnern entwickelt hat. Ziel dieser Technik ist es, präzise Testszenarien nach Vorgabe umzusetzen. Die ausgewählten Szenarien lassen sich nicht nur immer wieder reproduzieren, sondern sie sind auch jedes Mal absolut wiederholgenau darstellbar. Dadurch kann das Systemfahrzeug identische Tests mit beliebigen Wiederholungen fahren – auch Wochen später, wenn die Entwickler etwas geändert haben.“
Das Testen der Szenarien im realen Feldversuch rundet als viertes Arbeitspaket das PEGASUS-Teilprojekt „Testen“ ab. In Fällen in denen die Modelle noch nicht vollumfänglich ausgereift sind, bildet der Feldtest eine sinnvolle Ergänzung. Die Live-Präsentation der Steuerungstechnologie wird einer der Hauptprogrammpunkte bei der PEGASUS-Abschlussveranstaltung in Wolfsburg sein und insgesamt den technologischen Vorsprung und die internationale Bedeutung des Verbundprojekts PEGASUS untermauern.
Internationale Anerkennung
Im Laufe des knapp dreijährigen Projekts ist PEGASUS zur internationalen Marke geworden – einem Inbegriff für die Etablierung von Prüfmethodik zur Absicherung hochautomatisierter Fahrzeugsysteme. PEGASUS steht dabei sinnbildlich für die Entwicklung von Prüfverfahren, um sicher „sicher“ zu sein, dass automatisierte Fahrsysteme zuverlässig überall auf der Welt eingesetzt werden können. Auch deshalb fand und findet seit Projektbeginn ein regelmäßiger internationaler Austausch mit zahlreichen Automobilherstellern, Behörden und Verbänden aus Europa, USA, Japan und China statt.
Vertrauen schaffen. Verlässlichkeit sicherstellen.
Das Thema „autonomes Fahren“ steht, vor allem auf ethischer Ebene, im öffentlichen Diskurs. Der Daimler AG ist es daher ein besonderes Anliegen, Vertrauen in die neuen Techniken zu schaffen und Hemmschwellen in der öffentlichen Wahrnehmung abzubauen. „Es ist verhältnismäßig einfach, einen Sensor und Computer am Wagen zu installieren, der das Auto bei guten Umgebungsbedingungen grundsätzlich auf Spur hält. Aber das dann auch systematisch sicherzustellen bei verschiedenen Reizwerten, beispielsweise tief stehender Sonne, bei Wind oder Regen, ist sehr anspruchsvoll und extrem wichtig für den zuverlässigen Gebrauch eines Fahrzeugs. Eine Absicherung, die in der Automobilindustrie von jeher Standard ist. Doch dieses Alleinstellungsmerkmal der Autohersteller rückt erst jetzt durch die öffentliche Diskussion so richtig ins Rampenlicht“, sagt Dr. Schittenhelm. „Mit PEGASUS leisten wir also nicht nur einen technologischen Beitrag zur Absicherung autonomen Fahrens. Wir stellen damit auch öffentliches Vertrauen in die Verlässlichkeit der eingesetzten Technologien her.“
PEGASUS 2.0
Noch vor dem offiziellen Projektabschluss im Juli 2019, starten bereits mehrere Folgeprojekte, alle ebenfalls bewilligt und gefördert durch das BMWi. Im Wesentlichen werden dabei die Erkenntnisse aus dem Themenkontext Autobahn übertragen auf die Entwicklung von sicheren Prüfverfahren für relevante Szenarien im Stadtverkehr. Unter anderem beginnt ab 1. Juli unter maßgeblicher Beteiligung der Daimler AG ein Projekt mit dem bisherigen Arbeitstitel „VV-Methoden“ (Validierungs- und Verifikations-Methodik). Da PEGASUS als Marke erhalten werden soll, wird es voraussichtlich unter dem Projektnamen PEGASUS 2.0 weitergeführt.
Quelle: Daimler AG