1948: Der Mercedes-Benz O 4500 markiert Neuauflage des Omnibusbaus

 

Es gilt, das Beste aus den vorhandenen Möglichkeiten zu machen. Denn nach dem Krieg sind die Rohstoffe knapp, die Fabriken zerstört. Doch bereits im März 1948 schafft es Daimler-Benz, den Mercedes-Benz Omnibus O 4500 neu aufzulegen. Dieses Fahrzeug knüpft an die traditionelle Haubenform an, bindet diese aber dennoch in ein ästhetisch außerordentlich gelungenes Gesamtdesign ein. Der eleganten Erscheinung ist es überhaupt nicht anzusehen, dass ihre Ursprünge bis in die Kriegsjahre reichen: Bereits 1941 hatte das Werk den Bus vorgestellt. Kriegsbedingt geht das Fahrzug aber erst 1943 in Serie. Von 1943 bis 1944/45 rollen 300 Einheiten im Werk Gaggenau vom Band, die ausschließlich für die Deutsche Wehrmacht bestimmt sind.
Ausgewogenes Design mit eleganter Note
Als hätten sie’s gewusst, dass ihre Uhr allmählich abläuft und die Frontlenker nicht aufzuhalten sind, legen diese Haubenomnibusse ein besonders elegantes Design an den Tag. Mehr als leicht kokette Stupsnase denn als markige Haube fügt sich der traditionelle Vorbau des Fahrzeugs ins Gesamtbild, das vor allem eines auszudrücken scheint: Schwung. Als Stilelemente dafür dienen ein gewölbtes Dach, eine gerundete Heckpartie sowie eine Seitenlinie, die sich elegant und luftig wie ein Violinschlüssel von der Haube über die Fensterpartie emporschwingt, um sich am Heck gefällig zu verneigen.
Form schafft Funktion
Design als Selbstzweck hätte sich in den harten Jahren nach dem Krieg, in denen der Pkw fast keine Rolle spielt und Bus sowie Bahn für Mobilität zuständig sind, allerdings niemand leisten können. Hinter der neuartigen leichten Konstruktion des O 4500 steckt denn auch zum Teil ein gewisses haushälterisches Kalkül, denn noch sind Rohstoffe mit Schlüsselfunktion kontingentiert. Zwar kann Generaldirektor Wilhelm Haspel bereits 1949 sagen, es sei schon klar ersichtlich, „dass sich das Problem des zur Verfügung stehenden Eisens“ bald erledigen werde. Doch gehen die Erbauer des O 4500 und des ihm bald darauf zur Seite gestellten O 5000 aus gutem Grund sparsam mit Stahl um und praktizieren konsequenten Leichtbau. Die Stärke der Seitenwände beträgt zum Beispiel maximal 50 Millimeter. Trotzdem können der O 4500 und der O 5000 durch eine „außerordentlich hohe Schwingungsfestigkeit“ glänzen, wie eine Beschreibung aus der damaligen Zeit hervorhebt.
Streng“, fährt der gleiche Text fort, sei darauf geachtet worden, „alle tragenden Elemente so anzuordnen und zu gestalten, dass sich klare Belastungsverhältnisse ergaben und Verdrehungsbeanspruchungen fast ganz ausgeschaltet sind.“ Das gewölbte Dach hat zweierlei Funktionen: Zum einen schafft es enorm viel Stehhöhe über dem Mittelgang – die lichte Höhe beträgt 2050 Millimeter. Es verleiht dem Fahrzeug aber auch eine zusätzliche Festigkeit, die mit streng kubischer Bauweise nicht zu erreichen wäre.
Großzügig bemessener Innenraum
Trotz relativ schlanker Außenbreite von 2460 Millimeter, die den Wagen auch „für das Befahren enger Straßen“ tauglich macht, können die Konstrukteure die Platzverhältnisse im Innenraum großzügig gestalten. Auf 2250 Millimeter lichter Innenbreite lassen sich problemlos fünf bequeme Sitze nebeneinander im Wagenheck unterbringen. Und der Mittelgang kann sich sehen lassen: „Extra breit“, bringt es das Werk auf den Punkt, „wie er in dieser Größenordnung unter Zugrundelegung der üblichen Zweisitzer-Bestuhlung sonst nirgends angetroffen wird.“ Nicht nur luftiger Schwung, sondern auch schon eine gewisse Großzügigkeit ist in den Nachkriegsjahren durchaus en vogue.
Auch beginnen die Ansprüche an den Komfort zu wachsen. Die Kunden wissen die Sorgfalt zu schätzen, die Daimler-Benz auf Heizung und Lüftung im O 4500 und O 5000 verwendet. Umluftschaltung in der serienmäßigen Frischluftheizung etwa bildet nur eines der vielen kleinen Details, die den O 4500 und seinen großen Bruder O 5000 auszeichnen. Darüber hinaus gibt es eine besondere Leitung, die die Frontscheibe mit Warmluft bestreicht und somit deren Beschlagen oder Vereisen unterbindet.
An eine Klimaanlage für die warme Jahreszeit ist in den späten 1940er Jahren zwar nicht zu denken, doch bietet diese Nachkriegsbaureihe stattdessen ein ausgeklügeltes Belüftungssystem. „Sinnvoll angeordnete Klappen und Schächte führen die Frischluft zugfrei ins Wageninnere ein“, preist eine zeitgenössische Beschreibung die Wirkungsweise des Systems, das die Luft im Inneren permanent umwälzt. Zwei große Lüftungshutzen auf dem Dach ermöglichen eine „zugfreie Umspülung der inneren Decke“. Ergänzt werden diese Vorrichtungen durch die eher rustikalen und sicherlich nicht zugfreien Eingriffsmöglichkeiten, die ein fahrerseitiges Kurbelfenster sowie drei Schiebefenster und ein Drehfenster im Heck bieten. Als Reisebus sind beide Varianten für 39 bis 47 Passagiere konzipiert. Die Stadtbus-Variante kann maximal 60 Fahrgäste befördern.
Bewährte Basis
Beim Fahrgestell für die Modelle O 4500 und O 5000 hingegen setzt Daimler-Benz auf langjährig bewährte Komponenten. Das Werk Gaggenau liefert den Windlauf, der ganz in der Tradition der Vorkriegsbusse eine enge Verwandtschaft zu den Lkw-Fahrgestellen mit niedrigem Rahmen besitzt. Auch die Motorisierung dieser ersten Nachkriegsbusse steht im Gleichklang zu den entsprechenden Lkw-Modellen L 4500 und L 5000, die sich beide des bewährten Vorkammerdiesels OM 67/4 bedienen.
Der stammt aus den 1930er Jahren und bildet als sechszylindrige Variante eine willkommene Ergänzung zum legendären, 1932 eingeführten 3,8-Liter-Aggregat OM 59, das als erster Serien-Diesel im leichten Lkw den Diesel im Nutzfahrzeug überhaupt erst richtig populär gemacht hatte. „120 PS Höchstleistung“ und „112 PS Dauerleistung“ (88 kW bzw. 82 kW) weisen die technischen Daten für diese Maschine aus, die den O 4500 auf maximal 62 km/h und den O 5000 für gewöhnlich auf 65 km/h, mit einer so genannten Spezialübersetzung aber sogar auf 75 km/h Höchstgeschwindigkeit beschleunigt.
Brückenkopf zum modernen Busbau
Ein sonderlich langes Leben ist dieser ersten kleinen Nachkriegsbusfamilie allerdings nicht beschieden, die das Werk Sindelfingen von Frühjahr 1948 bis Herbst 1950 in insgesamt 649 Exemplaren als komplette Busse verlässt. Inklusive der als Fahrgestell ausgelieferten Einheiten beträgt die Produktionszahl der Busse O 4500 und O 5000 exakt 770 Einheiten. Auch wenn sie mit ihrer Haubenbauweise und Niederrahmenkonstruktion einer allmählich aussterbenden Spezies angehören und den bald aufkommenden Frontlenkern und der selbsttragenden Bauweise das Feld zu räumen haben, gebührt ihnen doch ein Verdienst: Sie setzen als Neuanfang in schwieriger Zeit ein deutliches Zeichen und schaffen in ihrer unkomplizierten, aber dennoch eleganten Art tatkräftig die dringend benötigte Mobilität.
Quelle: Daimler AG