Ein von Öffentlichkeit und Fachpresse mit Spannung erwartetes Ereignis war am 8. Dezember 1982 die Präsentation der kompakten Limousinen von Typ 190 und 190 E. Beide Modelle lösten dazu keine Vorgängertypen ab, sondern ergänzten das traditionelle Mercedes-Benz Pkw-Programm um eine dritte Hauptlinie.
Typ 190 und 190 E
Die neue Modellreihe zeichnete sich durch kompaktere Abmessungen, geringeres Gewicht und gesteigerte Wirtschaftlichkeit aus, ohne in den Disziplinen Fahreigenschaften, Sicherheit und Zuverlässigkeit Kompromisse einzugehen. Eine Minimierung des Energieverbrauchs wurde durch Verwendung hochfester Stahlbleche und anderer gewichtsreduzierender Materialien sowie die aerodynamische Optimierung der Karosserie erreicht. Der passiven Sicherheit diente die bereits bei der Baureihe 126 realisierte Gabelträgerstruktur des Vorderwagens, mit der auch die Fahrzeuge der Kompaktklasse das Kriterium des asymmetrischen Frontalaufpralls mit 40 % Überdeckung und 55 km/h erfüllten. Damit waren die 190er Modelle den großen S-Klasse-Limousinen in puncto Sicherheit absolut ebenbürtig.
Hervorragende Fahreigenschaften ermöglichten vollkommen neu entwickelte Vorder- und Hinterachskonstruktionen. Die an einzelnen Dreiecks-Querlenkern geführte Dämpferbein-Vorderachse mit Bremsnick-Abstützung garantierte guten Geradeauslauf und schaffte durch ihre geringe Bauhöhe günstige Raumverhältnisse im Motorraum.
Eine revolutionierende Neuerung war die Raumlenker-Hinterachse, bei der jedes Hinterrad von fünf unabhängigen Lenkern geführt wird. Diese optimal kontrollierte Radführung gleicht Seiten- und Längskräfte in allen Fahrzuständen weitestgehend aus und vermeidet dadurch unerwünschte Lenkbewegungen des Rades. Weitere Vorteile dieser innovativen Konstruktion sind ihr niedriges Gewicht und ihr geringer Raumbedarf.
Erstmals wieder konventionelle Handbremse
Eine Sonderstellung nahmen die Kompaktklasse-Typen hinsichtlich ihrer Feststellbremse ein; nachdem alle neuen Pkw-Modelle seit 1968 mit einer fußbetätigten Variante ausgerüstet waren, kam nun aus Platzgründen erstmals wieder eine konventionelle Handbremse mit zwischen den Vordersitzen angeordnetem Betätigungshebel zum Einsatz.
Die Produktion der Kompaktklasse-Limousinen erfolgte zunächst in Sindelfingen, ab November 1983 dann auch parallel im Werk Bremen, das zu diesem Zweck mit hohem Investitionsaufwand erheblich ausgebaut worden war. Das ehemalige Borgward-Werk Bremen-Sebaldsbrück, wo seit Anfang 1978 bereits die T-Modelle der Baureihe 123 gefertigt wurden, fungierte dabei nicht als reines Montagewerk, sondern stand mit Sindelfingen in einem flexiblen Produktionsverbund. Diese Form der Zusammenarbeit, die erstmals in der Geschichte des Unternehmens in einem derartigen Umfang praktiziert wurde, war durch die gegenseitige Belieferung mit Karosserie-Komponenten charakterisiert. In Bremen wurden die Motorhaube, die Bodenanlage, der Kraftstoffbehälter und die Türen gefertigt, während Sindelfingen alle übrigen Blechteile lieferte. Die Motoren, Getriebe und Achsen bezogen beide Werke wie üblich aus Untertürkheim.
Ursprünglich umfasste die Baureihe 201 nur die Typen 190 und 190 E, die beide mit einem 2,0-l-Vierzylindermotor ausgerüstet waren. Beide Aggregate gehörten zur Motorenfamilie M 102 und basierten auf dem seit zweieinhalb Jahren im Typ 200 verwendeten Triebwerk. Der Typ 190 besaß einen Vergasermotor, den man durch Verkleinerung der Ein- und Auslaßkanäle sowie Verwendung einer geänderten Nockenwelle und kleinerer Ventile von 109 PS auf 90 PS gedrosselt hatte. Der 190 E wurde dagegen von einer neu entwickelten Variante mit Benzineinspritzung angetrieben, die 122 PS mobilisierte und erstmals bei Daimler-Benz über die mechanisch-elektronisch gesteuerte Einspritzanlage Bosch KE-Jetronic verfügte.
Herbst 1983 kamen weitere Motorisierungen
Im Herbst 1983 wurde die Modellpalette durch die Typen 190 D und 190 E 2.3-16 erweitert. Der 190 D hatte einen vollkommen neu entwickelten 2,0-l-Vierzylinder-Dieselmotor, der 72 PS leistete und Vorbote einer neuen Generation besonders wirtschaftlicher und leistungsstarker Dieselmotoren war; eine bemerkenswerte Innovation stellte die erstmals in einem Serien-Pkw angewandte Triebwerkkapselung dar, mit der die Schallemission des Motors um mehr als die Hälfte reduziert wurde.
Anzeige:
Das Spitzenmodell der Baureihe wurde der 190 E 2.3-16, der sich schon äußerlich – vor allem durch einen Flügelspoiler auf dem Heckdeckel – von seinen weniger sportlichen Brüdern unterschied. Angetrieben wurde er von einem 2,3-l-Vierzylinder-Aggregat, das ebenfalls der Motorenfamilie M 102 angehörte und aus dem bewährten Triebwerk des 230 E entwickelt worden war. Ein neu konstruierter Vierventil-Zylinderkopf und diverse flankierende Maßnahmen hatten eine Leistungssteigerung von 136 PS auf 185 PS ermöglicht. Bereits vier Wochen vor seiner Präsentation auf der Frankfurter IAA konnte der neue Typ sportliche Erfolge verbuchen, als drei Prototypen auf dem Rundkurs im süditalienischen Nardo Langstreckenweltrekorde über 25.000 km, 25.000 Meilen und 50.000 km mit Durchschnittsgeschwindigkeiten von nahezu 250 km/h aufstellten. Die Serienproduktion des „Sechzehnventilers“, der nur in den Metallic-Lackierungen „blauschwarz“ und „rauchsilber“ lieferbar war, wurde erst ein Jahr später im September 1984 aufgenommen.
Ab September 1983 auch in den USA
Ab September 1983 stand der Kompaktklasse auch der US-Markt offen. Exportiert wurden mit dem 190 D 2.2 und dem 190 E 2.3 zwei modifizierte Modelle, die im Inland nicht lieferbar waren. Bei der Dieselvariante hatte man den Hubraum durch Verlängerung des Kolbenhubs auf 2,2 l vergrößert, um die aus dem Einbau einer Abgasrückführanlage resultierenden Leistungsverluste auszugleichen. Die Leistung des 2,2-l-Diesels, dessen Abgasrückführung zur Einhaltung der strengen kalifornischen Emissionsgrenzwerte unverzichtbar war, entsprach mit 72 PS der hubraumschwächeren Inlandsversion. Ähnlich war die Situation beim Benziner. Mit einer modifizierten niederverdichteten Ausführung des vom 230 E bekannten Motors kam auch hier eine hubraumstärkere Variante zum Einsatz, die aufgrund der geregelten Abgasreinigungsanlage nur noch 113 PS mobilisierte und damit sogar fast 10 PS unter dem Leistungspotential des 190 E lag. Ein Jahr später wurde dieses Manko beseitigt: Der 190 E 2.3 erhielt einen modifizierten Ansaugkrümmer, eine schärfere Nockenwelle sowie eine neu abgestimmte Einspritzanlage und erreichte dadurch mit 122 PS das Leistungsniveau des 2,0-l-Inlandsmodells.
Zur gleichen Zeit wurde auch der Typ 190 mit Vergasermotor einer Leistungskur unterzogen. Anstelle der gedrosselten Ausführung mit 90 PS kam nun die ungedrosselte Version aus dem Typ 200 zum Einsatz, deren Verdichtung man zudem noch minimal erhöht hatte. Der erstarkte 190er, intern Typ 190/1 genannt, verfügte nun über 105 PS_- 15 PS mehr als zuvor. Dass die Leistung des 200ers nicht ganz erreicht wurde, lag an der stärker gedämpften Auspuffanlage des Kompaktmodells. Im Rahmen dieser Modellpflege erhielten sowohl der 190 als auch der 190 E Einriementrieb, hydraulischen Ventilspielausgleich sowie hydraulische Motorlager.
Anzeige:
Mit Markteinführung der neuen Mittelklasse-Baureihe W 124 im Januar 1985 erhielten auch alle Kompaktklasse-Modelle 15 Zoll-Räder, elektrisch beheizte Scheibenwaschdüsen und hubgesteuerte Panorama-Scheibenwischer mit deutlich vergrößertem Wischfeld. Darüber hinaus gehörten ab September 1985 Servolenkung und elektrische Beheizung des Außenspiegels zur Serienausstattung aller Modelle.
1985: Premiere des T-Modells
Im Laufe des Jahres 1985 wurde die Modellpalette der Kompaktklasse um drei neue Typen erweitert. Zunächst erschien im Mai der 190 D 2.5 mit dem vom Typ 250 D bekannten Fünfzylinder-Dieselmotor, dessen Leistung von 90 PS bei sparsamem Kraftstoffverbrauch ansehnliche Fahrleistungen gestattete. Auf der IAA im September wurden neben dem neuen T-Modell und dem überarbeiteten Programm der S-Klasse- und SL-Modelle der Sechszylindertyp 190 E 2.6 präsentiert und außerdem der 190 E 2.3 angekündigt. Der 190 E 2.3 verfügte im Gegensatz zu seiner seit etwa zwei Jahren produzierten USA-Variante über den normalverdichteten Vierzylindermotor des 230 E, der eine Leistung von 136 PS mobilisierte. Eine kleine Sensation stellte der 190 E 2.6 dar, der mit dem 166 PS starken Sechszylinder-Triebwerk des 260 E ausgerüstet war. Für Erstaunen sorgte die Tatsache, dass es trotz der beengten Platzverhältnisse im Motorraum gelungen war, den Sechszylindermotor unterzubringen. Von seinen weniger leistungsstarken Schwestermodellen hob sich der 190 E 2.6 auch äußerlich ab, allerdings erst bei näherem Hinsehen. Charakteristische Erkennungsmerkmale waren die Doppelrohr-Auspuffanlage sowie die tiefer und steiler nach unten gezogene Bugschürze mit breiteren Lüftungsschlitzen. Die Serienproduktion des 190 E 2.6 wurde im April 1986 aufgenommen, und die Markteinführung erfolgte schließlich zusammen mit dem 190 E 2.3 im Oktober des gleichen Jahres.
Auf Wunsch mit Dreiwege-Katalysator
Für alle benzingetriebenen Varianten der erweiterten Modellpalette, ausgenommen den vergaserbestückten Typ 190, stand auf Wunsch eine geregelte Abgasreinigungsanlage mit Dreiwege-Katalysator zur Verfügung. Alternativ war, ebenfalls als Sonderausstattung, die sogenannte „RÜF-Version“ erhältlich, bei der das Fahrzeug ohne Katalysator und Lambdasonde, aber mit dem multifunktionalen Gemischaufbereitungs- und Zündsystem ausgeliefert wurde. Eine Nachrüstung mit dem geregelten Katalysator konnte bei einem „Rückrüstfahrzeug“ jederzeit und ohne Probleme vorgenommen werden. Diese Regelung gestattete dem Kunden größtmögliche Flexibilität, den Zeitpunkt der Umrüstung betreffend – in Anbetracht der zunächst noch nicht flächendeckenden Versorgung mit bleifreiem Kraftstoff ein nicht unerheblicher Vorteil. Ab September 1986 war auch das Vergasermodell mit Abgasreinigungsanlage erhältlich, und der geregelte Katalysator gehörte bei allen Mercedes-Benz Pkw-Modellen mit Otto-Motor zur Serienausstattung; die Rückrüstfahrzeuge waren – mit entsprechendem Preisabschlag – bis August 1989 auf Wunsch weiterhin lieferbar.
Ein weiteres Kompaktklasse-Modell wurde auf der Frankfurter IAA im September 1987 präsentiert. Der 190 D 2.5 Turbo war mit einem 122 PS starken Fünfzylinder-Turbodiesel-Aggregat ausgerüstet, das auf dem bewährten Saugmotor basierte und durch die Aufladung eine Mehrleistung von 32 PS entfaltete.
Charakteristisches Erkennungsmerkmal des neuen Typs, der bereits seit Herbst 1986 in die USA exportiert wurde, waren sechs zwischen Blinkleuchte und Radausschnitt angeordnete Lufteinlaßschlitze im rechten Vorderkotflügel, die den Turbolader mit Ansaugluft versorgten. Außerdem besaß der 190 D 2.5 Turbo im Gegensatz zu seinem Saugmotor-bestückten Schwestermodell einen zweiflutigen Endschalldämpfer.
Quelle: Daimler AG