Die G-Klasse ist das Top-Modell unter den Luxus-Geländewagen. Sie ist nicht nur die mit Abstand am längsten gebaute Pkw-Modellreihe der Mercedes-Benz Historie, sondern auch der Urvater aller SUVs mit Stern – daher tragen alle Mercedes Offroader auch das große G im Namen.
Was 1972 mit einem Kooperationsvertrag zwischen der damaligen Daimler-Benz AG und Steyr-Daimler-Puch im österreichischen Graz begann, ist heute eine Geschichte gespickt mit Superlativen und Meilensteinen. Schon das erste Konzept, das erarbeitet wird, ist anders. Das Team gestaltet ein Fahrzeug, das durch überlegene Geländegängigkeit überzeugt, gleichzeitig aber als vollwertiges und sicheres Automobil für die Freizeit seine Käufer findet. Allradantrieb und Differenzialsperren mit 100-prozentiger Wirkung gehören seither ebenso zum „G“ wie der robuste Leiterrahmen.
Zur Marktpremiere im Frühjahr 1979 sind vier Motorvarianten mit einem Leistungsspektrum von 53 kW/72 PS bis 115 kW/156 PS lieferbar. Die Kunden können zwischen Cabriolets mit kurzem Radstand sowie Station-Wagen mit kurzem oder langem Radstand wählen.
Mit den Fahrzeugen der Baureihe 463 beginnt 1989 eine Evolution, die den Geländewagen nicht nur stets den technischen Fortschritten anpasst. Sie erweitert auch stetig den Kreis seiner Fans und betont seinen Charakter als exklusives Fahrzeug für jede Gelegenheit. Seit 1993 hatte das Kind auch einen offiziellen Namen: G-Klasse.
Insgesamt gibt es vier Baureihen der G-Klasse. Die Baureihen 460 (von 1979 an), 461 (1991) und 463 (1989) laufen in Graz vom Band. Die Baureihe 462 wird von 1991 an in Thessaloniki, Griechenland, aus Bausätzen montiert (CKD-Fertigung, „Completely Knocked Down“); die Fahrzeuge sind ausschließlich für Militär und Polizei bestimmt. Sehr wenige Fahrzeuge werden auch im Mercedes-Benz Werk in Aksaray, Türkei, gefertigt, ebenfalls aus CKD-Bausätzen.
Entgegen weit verbreiteter Ansichten entsteht die G-Klasse nicht als Militärfahrzeug und auch nicht als Personenwagen: Die Konstrukteure haben zunächst den zivilen Nutzfahrzeugmarkt im Auge. Diese Ausrichtung ändert sich jedoch während der Konzeptphase, und das Fahrzeug wird für Einsätze in schwerstem Gelände konstruiert. Die stabile Basis bildet ein Kastenrahmen aus geschlossenen Längsprofilen und Quertraversen, die eine außergewöhnliche Biege- und Verwindungssteifigkeit garantieren. Der Rahmen trägt robuste Starrachsen mit großen Schraubenfedern und langen Federwegen, die fürs Gelände vorteilhaft sind. Mit einem Steigvermögen von bis zu 80 Prozent, einer Fahrstabilität bis 54 Prozent Schräglage, 21 Zentimeter Bodenfreiheit und Böschungswinkeln von 36 (vorn) bzw. 27 Grad (hinten) bezwingt die G-Klasse souverän schwierigste Offroad-Passagen. Gleichzeitig bietet das Fahrwerk ein sicheres und komfortables Fahrverhalten auf der Straße.
Die Designer und Ingenieure entscheiden sich bei der Karosseriegestaltung für große Flächen, weil diese günstig zu fertigen sind – auch für eine eventuelle Produktion in Ländern der Dritten Welt, die durchaus vorgesehen war. Damals ist das Design wegen seiner Einfachheit kritisiert worden. Heute sieht man es anders: Gerade weil das Aussehen der G-Klasse von großer Praktikabilität geprägt ist, das mit einem zeitlosen Design einhergeht, hat sie sich ihren Platz als geradliniger, kompromissloser Klassiker im Automarkt erobert.
Für Vertrieb und Bau des Fahrzeugs entsteht ein gemeinsames Unternehmen, die Geländefahrzeuggesellschaft mbH, an dem Daimler-Benz und Steyr-Daimler-Puch mit jeweils 50 Prozent beteiligt sind. Der weitaus größte Teil der Fahrzeuge soll mit Mercedes-Benz Stern am Kühlergrill vertrieben werden. In Ländern wie Österreich, der Schweiz und auch im Ostblock kommen sie unter dem Namen Puch auf den Markt – in den Alpenländern, weil dort die Marke Puch für geländegängige Fahrzeuge sehr gut eingeführt ist. Das betrifft aber nur rund 10 Prozent der Gesamtproduktion.
Federführend bei der Konstruktion des G-Modells ist Erich Ledwinka, der sich mit dem extrem robusten und geländegängigen österreichischen Allradmobil Haflinger bereits einen guten Ruf erobert hatte. Deshalb heißt das neue Projekt zunächst auch H2, was für „Haflinger 2“ steht. Da dieser Name aber zu sehr mit Steyr-Daimler-Puch verknüpft ist, entscheidet sich das Firmenkonsortium schließlich für den einfachen, aber markanten Namen „G“, kurz für Geländewagen. Damals kann niemand ahnen, dass dies angesichts der späteren Klassenkennzeichnung der Mercedes-Benz Personenwagen mit einem einzelnen Buchstaben (E-Klasse, S-Klasse etc.) eine geradezu vorausschauende Entscheidung ist.
Das erste Modell, noch aus Holz gefertigt, wird unternehmensintern 1973 präsentiert. Der erste Prototyp in Metallbauweise ist im September 1974 fertig, als Antrieb dient ein 2,3-Liter Ottomotor. Ein Jahr später folgen zwei weitere Prototypen mit kurzem und langem Radstand. 1978 wird ein erster Prototyp speziell für das Militär präsentiert, er hat ein Textildach, eine klappbare Windschutzscheibe und herausnehmbare Türen. Damals nimmt man noch an, dass die meisten Fahrzeuge solcherart ausgestattet sein werden. Doch ein Großteil der Kunden entscheidet sich für die geschlossene Variante, im internationalen Jargon Stationwagon genannt.
Ein Großauftrag Mitte der 1970er Jahre gibt übrigens den großen Ansporn, das Fahrzeug tatsächlich zur Fertigungsreife zu bringen: Der Schah von Persien ordert 20 000 Geländewagen für seine Kaiserliche Armee. Die Ironie der Geschichte: Als 1979 die islamische Republik Iran ausgerufen wird, stornieren die neuen Machthaber den Großauftrag – just im Jahr des Produktionsanlaufs der G-Klasse.
Die deutsche Bundeswehr gehört auch nicht zu den frühen Abnehmern. Zwar wird sie schon in der Konzeptionsphase in das Projekt eingebunden, und entsprechend hoch sind die Hoffnungen des Werks auf einen Großauftrag. Doch entscheidet sie sich 1976 für den Volkswagen Iltis als Nachfolger für den DKW Munga. Erst einige Jahre später, als der Iltis ersetzt werden muss, ordert die Bundeswehr den Mercedes-Benz G.
Doch gibt es in der Frühphase auch andere Käufer. Beispielsweise der deutsche Bundesgrenzschutz sowie die argentinische und die norwegische Armee ordern Fahrzeuge. Denn wie so oft bei Allradmobilen: Insbesondere das Militär schätzt die Vorzüge solcher Wagen und ist zunächst Hauptabnehmer der G-Klasse. Später kommen die Kunden zu jeweils rund der Hälfte aus dem zivilen und dem militärischen Bereich.
Vom ersten Tag an dürfen beim Bestellen des Fahrzeugs auch Sonderwünsche geäußert werden, denn der Mercedes-Benz G bietet ja extrem breite Einsatzmöglichkeiten. Die Konstrukteure sind darauf eingestellt, ihn mit individueller Ausstattung zu versehen. Auch die französische Armee vertraut den Fähigkeiten des G. Das von Peugeot unter dem Namen P4 in Lizenz hergestellte Fahrzeug hat jedoch einige eigene Merkmale, beispielsweise rechteckige Scheinwerfer, andere Sitze und französische Motoren. Auch fehlt die vordere Differenzialsperre.
Die Produktion der G-Klasse läuft am 1. Februar 1979 in Graz an. Von Daimler-Benz stammen der komplette Antriebsstrang mit Motor, Getriebe, Achsen und Lenkung sowie die Großpressteile. Stanz- und Kleinpressteile hingegen sowie das Verteilergetriebe stellt Steyr-Daimler-Puch her.
Die G-Palette besteht zunächst aus den Typen 230 G (Vierzylinder-Ottomotor, 90 PS/66 kW oder 102 PS/75 kW), 240 GD (Vierzylinder-Dieselmotor, 72 PS/53 kW) und 300 GD (Fünfzylinder-Dieselmotor, 80 PS/59 kW). Anfang des Jahres 1980 folgt der 280 GE (Sechszylinder-Ottomotor mit Benzineinspritzung, 150 PS/110 kW) in der niederverdichteten Ausführung. Alle Versionen haben ein manuelles Viergang-Getriebe und ein Vorgelege.
Der Allradantrieb mit zusätzlicher Geländeübersetzung ist zuschaltbar, ebenfalls die Differenzialsperren mit 100 Prozent Sperrwirkung an beiden Starrachsen. Die aufwändige Radaufhängung mit Längs- und Querlenkern, Schraubenfedern und Stoßdämpfern sorgt für souveränes Fahrverhalten sowohl auf der Straße wie auch im Gelände. Eine Servolenkung gibt es nur für die Typen 300 GD und 280 GE serienmäßig.
Zivilkunden können den G als Stationwagon mit kurzem und langem Radstand oder als Cabriolet mit kurzem Radstand bestellen. Für sie stehen gerade mal fünf Farben zur Auswahl, Cremeweiß, Weizengelb, Coloradobeige, Karminrot und Agavengrün. Für das Militär gibt es zusätzlich ein Cabriolet mit langem Radstand, wahlweise mit zwei oder vier Türen. Im November 1980 erweitert ein geschlossener Kastenwagenaufbau das Angebot, wahlweise auf langem oder kurzem Radstand.
Dass der G zunächst als Nutzfahrzeug konzipiert ist, zeigt die Aufpreisliste, die Posten enthält wie zum Beispiel ein abschließbares Handschuhfach, Servolenkung, Halogenscheinwerfer oder eine Uhr. Das Zweispeichenlenkrad und viele Schalter stammen ohnehin direkt aus dem Nutzfahrzeugprogramm von Mercedes-Benz. Einzig der Preis eines ordentlich ausgestatteten G-Modells weist fast hellseherisch in die Richtung, die der G einmal einschlagen wird: Es kostet ungefähr soviel wie eine S-Klasse.
Quelle: Daimler AG