Die Arbeit der Designer bei Daimler wird zurzeit hochgradig von Innovationen auf den Gebieten automatisiertes Fahren, Elektromobilität und Vernetzung sowie den sich weiter verschärfenden Umweltregularien beeinflusst. Das gilt auch für diejenigen unter ihnen, die das Exterieur- und Interieur-Design von Mercedes-Benz Lkw designen. Sie müssen bei ihrer Arbeit eine Reihe von Besonderheiten berücksichtigen.
Smartphone als Vorbild: das Human-Machine-Interface (HMI)
Bei der Gestaltung des Innenraums und der Bedienelemente folgt Mercedes-Benz Trucks strikt dem Prinzip „Inside Out“. Sämtliche Entwicklungsschritte werden vom Fahrer aus gedacht. Die Designer gestalten einen kompletten Arbeitsplatz. Lkw-Fahrer sitzen viele Stunden am Tag hinter dem Lenkrad. Nach der Arbeit oder zwischen den Lenkzeiten verbringen sie ihre Pausen im Fahrzeug. Sie kommen überall und zu jeder Zeit mit den Entwürfen der Designer in Berührung. Wie das Human-Machine-Interface (HMI) gestaltet ist, hat große Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit der Fahrer. Ob Anzeige von Geschwindigkeit und Drehzahl oder Auswahl der Lieblingstitel im Entertainment-System – alles muss nicht nur seine Funktion erfüllen, sondern auch über Jahre von den Fahrern akzeptiert werden.
„Anzeigen dürfen weder zu aufdringlich sein, noch zu dezent. Darum geht es, wenn wir den ‚Look and Feel‘ von Lkw entwickeln“, erläutert Annelie Schanz, HMI-Designerin für Mercedes-Benz Trucks. „Darüber hinaus ist es eine unserer größten Herausforderungen, die Anzeigen und Displays jeder Situation perfekt anzupassen. Akustisch, optisch und haptisch soll der Fahrer immer genau die Information erhalten, die er zu einem bestimmten Zeitpunkt auch tatsächlich benötigt. Ablenkung durch anderes muss vermieden werden.“
Die Schnittstelle zwischen Truck und Fahrer wird sich im Truck der Zukunft weiter stark verändern. Schon bei der nächsten Generation von Mercedes-Benz Lkw werden die Sicherheits- und Assistenzsysteme einen noch größeren Funktionsumfang besitzen. Die Arbeit der Systeme muss dabei für den Fahrer als dem Verantwortlichen an Bord optimal verständlich angezeigt werden.
„Mittelfristig stellen uns Truck Platooning oder noch detailliertere und aktuellere Nachrichten über das Verkehrsgeschehen vor ganz neue Designaufgaben“, so Annelie Schanz.
Angesichts der zunehmenden Komplexität ist intuitive Bedienbarkeit eine der Kernanforderungen beim Designen des Human-Machine-Interface: „Der Fahrer möchte ein einfaches System, keine komplexe Maschine in die man sich erst einlesen muss“, sagt Annelie Schanz. „Wir werden alle Elemente des Info- und Entertainments daher künftig so gestalten, dass sie wie ein Tablet oder Smartphone bedienbar sind und ihre Logik dem Fahrer bereits bekannt ist.“
Ein weiterer wichtiger Trend für die Gestaltung des Human-Machine-Interface ist die Personalisierung: Fahrer werden in Zukunft die Möglichkeit haben, Anzeigen und Bedienelemente noch individueller zu konfigurieren und zwischen unterschiedlichen Designlinien zu wählen. Bei Flottenfahrzeugen wird sich jeder Nutzer eines Lkw sein Profil abspeichern und bei erneuter Benutzung aufrufen können.
Exterieur und Interieur: klares Design mit hohem Wiedererkennungswert
Heute setzen enge gesetzliche Vorgaben, beispielsweise für die Abmessungen des Lkw, den Designern beim Exterieur enge Grenzen. Doch haben die Behörden hier die Notwendigkeit einer gewissen Flexibilisierung zumindest erkannt, um umweltpolitische Ziele erreichen zu können. Mittelfristig ist es durchaus denkbar, dass die Fahrerkabinen länger werden dürfen. Das würde den Exterieur- und Interieur-Designern neue Gestaltungsspielräume verschaffen. „Innen könnten wir das Fahrerhaus noch stärker als Wohn- und Freizeitraum gestalten, außen ließen sich die Windschutzscheiben extremer ankippen, um aerodynamisch noch besser zu werden“, erläutert Oliver Stick, Exterieur- und Interieur-Designer für Mercedes-Benz Lkw. „Effizientere Karosserien und Anbauten können erheblich zur Reduktion von CO2-Emissionen und Kraftstoffverbrauch beitragen und sind angesichts der sich verschärfenden Umweltanforderungen ein ganz wichtiger Stellhebel zur Verbesserung des Lkw.“
Eine prinzipielle Herausforderung für die Designer beim Lkw ist die größere Variantenvielfalt im Vergleich zum Pkw. Trucks haben die unterschiedlichsten Aufgaben zu erfüllen, deshalb gibt es sie in einer Vielzahl verschiedener Konfigurationen. Hinzu kommen noch die unterschiedlichen Ausstattungslinien.
„Hier gilt es, für alle Anforderungen diejenige Designlösung zu finden, die sich harmonisch in den gesamten Auftritt des Fahrzeugs einfügt“, so Oliver Stick.
Die Ideenfindung der Exterieur- und Interieur-Designer geschieht nach wie vor klassisch: mit Stift und Papier. Im Anschluss werden die Entwürfe digitalisiert, daraus entsteht ein Tonmodell und abgeleitet davon ein Modell im Maßstab 1:1. Am Ende wird ein komplexes Digitalmodell entwickelt. Auf dessen Basis laufen dann alle weiteren Produktionsschritte an.
Obwohl das Lastenheft eines Lkw genau definiert ist und die Vorgaben des Gesetzgebers noch nicht gelockert sind, haben die Lkw-Designer durchaus Gestaltungsoptionen. Oliver Stick: „Unsere Entwürfe sollen den Fokus auf das jeweils Wichtigste legen und gleichzeitig langfristig attraktiv sein. Außerdem muss ein Truck mit dem Stern in allen Details Technologieführerschaft, Qualität und Emotion ausstrahlen, ohne dabei effekthascherisch zu sein.“ Der ästhetische Anspruch ist hoch, so Oliver Stick: „Bei einem Investitionsgut wie dem Lkw ist auch das Design ein wichtiges Entscheidungskriterium für die Kunden.“
Quelle: Daimler AG