Ein Kombi von Mercedes-Benz schon in den 1960er-Jahren? Das T-Modell der Baureihe 123 kommt doch erst 1978 auf den Markt! Umso mehr erstaunt der 200 D Universal viele Besucher des Mercedes-Benz Museums. Er ist zu erleben im Raum Collection 5: Galerie der Alltagshelden. Seine Historie ist dazu spannend.
Die Kombivariante auf Basis der „Heckflossen“-Baureihe 110 präsentiert die damalige Daimler-Benz AG im Januar 1965 auf der Brüsseler Automobilausstellung zunächst als 190 D. Sie hat ein Laderaumvolumen von 2,71 Kubikmetern hinter den Vordersitzen und kann eine Last von 710 Kilogramm transportieren. Daher erhält die großzügige Karosserievariante gegenüber der Limousine größere 15-Zoll-Räder und verstärkte Federn. Der Entwurf stammt aus dem Unternehmen selbst, und der Vertrieb erfolgt über das Händlernetz. Gefertigt werden die Fahrzeuge bei IMA in Belgien auf Basis angelieferter Fahrgestelle mit Teilkarosserie.
Universal“ lautet die treffende Modellbezeichnung. Denn diese Ausführung macht auf jedem Parkett eine gute Figur: Sie ist der Mercedes-Benz unter den Kombis und verbindet die Vorteile der eleganten Limousine mit einem hohen Nutzwert für Alltag und Freizeit. Damit lässt der Universal die Attribute anklingen, die Mercedes-Benz zwölf Jahre später mit dem 1977 vorgestellten und ab 1978 produzierten T-Modell der Baureihe 123 in der Großserie etabliert. Zugleich unterstreicht der Universal auf besondere Weise eine verbreitete Einschätzung zur „Heckflossen“-Baureihe: Die gelungene Kombination aus Geräumigkeit, Komfort, Leistung, Preis-Wert-Verhältnis und Wirtschaftlichkeit gilt als ideal. Die gestaltfeste Fahrgastzelle mit Knautschzonen an Front und Heck setzt damals zudem Maßstäbe in der Sicherheit.
Der Blick auf diesen besonderen Kombi zeigt eine rundum schlüssige Formgebung. So sind beispielsweise die charakteristischen Heckkotflügel mit den „Peilstegen“ perfekt in die Karosserie eingepasst – diese bringen der Baureihe den Beinamen „Heckflosse“ ein. Naturgemäß folgt die Gestaltung der gesamten Heckpartie inklusive großer Heckklappe und niedriger Ladekante der Aufgabe als Ladekünstler, doch sie bleibt elegant und stimmig – typisch für Mercedes-Benz. Die Pressemappe der 1960er-Jahre beschreibt den Aufwand von Stilistik und Karosseriebau: „Wenn schon die äußere Linienführung hervorhebt, dass es sich um ein Fahrzeug mit besonderer Note handelt und nicht um einen Wagen, dessen Heck lediglich verändert oder verlängert wurde, so beweist auch eine Prüfung des einheitlichen Aufbaugerippes, dass hier eine Konstruktion in einer untrennbaren Ganzheit geschaffen wurde.“
Der Blick ins Heckabteil offenbart auch dort eine konsequente Gestaltung für Praktikabilität und Funktion bei hoher Ästhetik. Mittelbraunes Kunstleder verleiht dem Interieur ein wohnliches Ambiente. Der Boden wirkt wie edles Mahagoniholz. Tatsächlich handelt es sich um „Panolux“, wie die Pressemappe beschreibt: eine Zusammensetzung von Holzfasern und Bakelitharz. „Es garantiert höchsten Schutz gegen Kratzspuren, Flecken, Abnutzung usw., ganz abgesehen von der luxuriösen Note, die der Wagen dadurch erhält.“ Und weiter: „Die Verwendung des Holzbodens aus einem so wertvollen Material wie ‚Panolux‘ ist kostspieliger als lackiertes Blech, bietet jedoch außer dem luxuriösen Aussehen den Vorteil einer guten Geräuschdämpfung.“ Aufgeschraubte Chromleisten mit Gummiprofilen verhindern ein Verrutschen des Ladeguts. Die Rückbank ist umklappbar, sodass sich eine rund 1,90 Meter lange Ladefläche ergibt.
Dem 190 D Universal folgen ab 1967 vier Varianten der „Kombinationslimousine“ auf Basis der Typen 200 D, 200, 230 und 230 S. Die ersten beiden haben Vierzylindermotoren, die anderen beiden Sechszylinderaggregate. Dabei kommt dem 230 S Universal eine Sonderrolle zu: Er ist der Oberklassebaureihe 111 zugeordnet und mit längerem Vorbau, der typischen Front der entsprechenden Limousinen mit senkrecht stehenden rechteckigen Scheinwerfern und üppiger Chromzier ein besonders repräsentativer Vorfahre späterer Lifestyle-Kombis.
Im Mercedes-Benz Museum steht ein 200 D Universal. Er hat einen Vierzylindermotor mit 1.988 Kubikzentimetern Hubraum und einer Leistung von 40 kW (55 PS). Das ausgestellte Fahrzeug wird nach Frankreich in die Nähe von Bordeaux ausgeliefert und dort im Juli 1968 zugelassen. Somit ist es nach der Modellpflege gebaut und hat die neu entwickelte hydropneumatische Ausgleichsfeder für ein Plus an Sicherheit und Komfort. Ihre Wirkung passt sich automatisch dem Lastgewicht an.
Viel Raum auf vier Rädern, verpackt in einer eleganten Karosserie – das bietet der Mercedes-Benz Universal schon in den 1960er-Jahren. Er ist eine seltene Schönheit. Denn von 1965 bis 1968 entstehen gerade einmal 2.754 Stück des ersten Lifestyle-Kombis von Mercedes-Benz. Insgesamt verlassen in der sechseinhalbjährigen Produktionszeit der Baureihe 110 das Werk Sindelfingen 622.453 Limousinen und 5.859 Fahrgestelle mit Teilkarosserie.
Quelle: Mercedes-Benz Group AG