Daimler Truck steht vor großen Herausforderungen: Mit der Initiative „Cost Down Europe – CDE“ plant das Unternehmen bis Ende 2030 eine Einsparung von mindestens einer Milliarde Euro. Vor allem die deutschen Standorte der Sparte Mercedes-Benz Trucks sollen effizienter und wettbewerbsfähiger aufgestellt werden. Doch trotz der notwendigen Sparmaßnahmen konnten durch zähe Verhandlungen zwischen dem Gesamtbetriebsrat (GBR), der IG Metall und dem Unternehmen weitreichende Sicherheiten für die Beschäftigten erreicht werden.
Ein umfassendes Zukunftspaket statt Schreckensszenarien
Anfang des Jahres wurde der Gesamtbetriebsrat mit dem Einsparziel konfrontiert, das auch Stellenabbau und Flexibilitätsforderungen beinhaltete. Nach monatelangen harten Verhandlungen gelang es, ein umfangreiches Zukunftspaket auszuhandeln, das nicht nur betriebsbedingte Kündigungen bis Ende 2034 ausschließt, sondern erstmals wichtige Regelungen in einem verbindlichen IG Metall-Zukunftstarifvertrag bündelt. Dieser Zukunftstarifvertrag stärkt die Rechte der Beschäftigten und sichert alle deutschen Standorte durch klare Zielbilder ab.
„Das gibt den Beschäftigten Sicherheit in unsicheren Zeiten“, so Michael Brecht, Gesamtbetriebsratsvorsitzender und BR-Vorsitzender des Werks Gaggenau. Barbara Resch, Bezirksleiterin der IG Metall Baden-Württemberg, ergänzt: „Wir gehen gemeinsam mit den Beschäftigten und dem Unternehmen in Richtung Zukunft!“
Flexibilität und Zugeständnisse – aber mit Augenmaß
Natürlich gibt es Zugeständnisse: Die übertarifliche Vergütung wird u.a. angepasst, und auch flexible Arbeitszeiten sind Teil des Pakets. So sind Gehaltserhöhungen für 2025 und 2026 mit bestimmten Anrechnungen geregelt, und der Tarifliche Zusatzurlaub wird neu gestaltet. Zusätzlich werden für Qualifizierungsmaßnahmen pro Jahr ein Tag Zeitguthaben eingesetzt. Gleichzeitig wird die Quote für Zeitarbeitskräfte an allen Standorten vereinheitlicht, um ein ausgewogenes Beschäftigungsverhältnis zu gewährleisten. Doch diese Maßnahmen sind Teil eines Kompromisses, der nicht zu Lasten der Beschäftigten geht, sondern auf langfristige Sicherung der Arbeitsplätze und Zukunftsfähigkeit der Standorte abzielt.
Zukunftsbilder und Investitionen: Deutschland bleibt Produktionsstandort
Ein großer Erfolg ist die Fortschreibung und Weiterentwicklung der sogenannten Zukunftsbilder. Alle deutschen Standorte verfügen nun über verbindliche Fahrpläne und Investitionszusagen in Höhe von über zwei Milliarden Euro, die das Produktionsnetzwerk stärken und Arbeitsplätze sichern. Besonders wichtig ist die Absicherung der Stammbelegschaft in der Produktion bis Ende 2034 – zum Beispiel im Fahrzeugwerk Wörth, wo der Mercedes-Benz Schwer-Lkw „Actros“ gefertigt wird. Auch in anderen Werken wie Kassel, Mannheim und Gaggenau konnten kritische Produktionsumfänge erhalten werden, die sonst infrage gestellt waren.
Sozialverträglicher Stellenabbau und Mitbestimmung
Wo ein Stellenabbau notwendig wird, soll dieser sozialverträglich erfolgen. Maßnahmen wie natürliche Fluktuation, erweiterte Altersteilzeit und freiwillige Ausscheidensvereinbarungen stehen im Mittelpunkt. Zudem unterstützt eine Orientierungsplattform betroffene Beschäftigte bei der beruflichen Neuorientierung und dem internen Stellenmarkt. „Ohne die Einbindung der Arbeitnehmervertretung hätte das Unternehmen viele Maßnahmen ohne Abstimmung durchsetzen können. Das wäre nicht gut für die Beschäftigten gewesen“, so Thomas Zwick, stellvertretender Gesamtbetriebsratsvorsitzender und BR-Vorsitzender Werk Wörth.
Ein Zukunftstarifvertrag als Symbol des gemeinsamen Erfolgs
Der neue Zukunftstarifvertrag gilt als großer gemeinsamer Erfolg von Gesamtbetriebsrat und IG Metall. Neben der Absicherung der Beschäftigten bringt er auch eine Ergebnisbeteiligung bis 2029 und einen Gewerkschaftsbonus für alle IG Metall Mitglieder mit sich. „Dieser Vertrag gibt Sicherheit und Perspektive – gerade jetzt, wo viele verunsichert sind“, so Barbara Resch und Jörg Köhlinger, Bezirksleiter IG Metall Mitte. „Wir haben ihn gemeinsam erstritten – und werden ihn nun gemeinsam in die Zukunft tragen!“
Zusammenfassung der Zugeständnisse:
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Gehaltserhöhungen mit Einschränkungen:
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April 2025: Gehaltserhöhung um 2,0 %.
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April 2026: Weitere Erhöhung um 3,1 %.
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Ab 1. April 2026 werden 2,55 Prozentpunkte der 3,1 % Erhöhung auf das betriebliche Grundentgelt, die übertarifliche Zulage (ÜTZ) sowie den Tarifdynamischen Individuellen Besitzstand (TIB) angerechnet.
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Ab 2030 werden die übertariflichen Bestandteile für fünf Jahre jährlich nur um 0,4 Prozentpunkte angehoben.
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Tarifliches Zusatzgeld (T-Zug):
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Rückkehr zur Regelung von 2018.
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Verpflichtende Wandlung des T-Zug in sechs bzw. acht Arbeitstage Freizeit für die Jahre 2026 und 2027.
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Arbeitszeit an Heiligabend und Silvester:
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Einheitliche Regelung für alle Standorte: Für den 24.12. und 31.12. müssen Beschäftigte bei Abwesenheit jeweils einen Tag Zeit einbringen (z.B. T-Zug, Urlaub, Gleittag).
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Neu für die Zentrale und den Standort Mannheim.
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Qualifizierungstage:
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Alle Beschäftigten mit Zeiterfassung in Verwaltung und Produktion bringen jährlich pauschal einen Tag aus ihrem Zeitguthaben für Qualifizierungsmaßnahmen ein.
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Teilnahme erfolgt in Abstimmung mit der Führungskraft.
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Pauschalabzug 2025 am 1. Juni, ab 2026 jeweils am 1. Januar.
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Bereits eingebrachte Qualifizierungszeiten 2025 werden angerechnet. Wenn mehr als ein Tag geleistet wurde, wird das darüber hinausgehende Arbeitszeitvolumen dem Zeitkonto gutgeschrieben.
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Regelungen zu Zeitarbeitskräften:
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Einheitliche Quote für Zeitarbeitskräfte an allen deutschen Standorten.
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Überprüfungsstichtage sind der 1. April und der 1. Oktober eines jeden Jahres.
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Die Quote darf an diesen Stichtagen 18 % nicht überschreiten, temporäre Überschreitungen sind jedoch möglich.
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Höchstüberlassungsdauer für Zeitarbeitskräfte beträgt 36 Monate.
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Danach kann ein befristeter Arbeitsvertrag mit einer Laufzeit von bis zu zwei Jahren angeboten werden.
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Fazit: Kein Kahlschlag, sondern eine gesicherte Zukunft
Inmitten multipler Krisen steht Daimler Truck vor einem tiefgreifenden Wandel. Die Einigung zwischen Arbeitnehmervertretung und Unternehmen zeigt, dass es möglich ist, Effizienzsteigerungen und Kostensenkungen mit einer langfristigen Arbeitsplatzsicherung und starken Mitbestimmungsrechten zu verbinden. Die deutschen Standorte erhalten klare Zukunftsperspektiven, Investitionen und soziale Absicherung. Damit wird der Grundstein gelegt, um Daimler Truck als wettbewerbsfähigen und attraktiven Arbeitgeber für die kommenden Jahrzehnte zu positionieren.
Bilder: Daimler Truck AG