Ohne Blaulicht und Tatütata: Mit seinem unauffälligen grauen Lack unterscheidet sich der 1937 gebaute Mercedes-Benz Krankenwagen deutlich vom heutigen Standard. Das zeigt seine direkte Nachbarschaft im Mercedes-Benz Museum: Wenige Fahrzeuge weiter im Raum Collection 3 „Galerie der Helfer“ steht ein Rettungstransportwagen (RTW) von 2001 mit Kofferaufbau auf Basis des Mercedes-Benz Sprinters – mit Blaulicht, Martinshorn und der vertrauten Beklebung in Signalfarben. Der Mercedes-Benz 320 Krankenwagen im Museum hat hingegen noch nicht die seit Mitte des 20. Jahrhunderts üblichen, optischen und akustischen Warnfunktionen. Im Fachjargon werden diese als blaue „Rundumkennleuchten“ und „Folgetonhorn“ bezeichnet. Stattdessen leuchtet bei Einsatzfahrten ein schlichtes Rotkreuzzeichen über der Windschutzscheibe.
Mehr als „Rückspiegelrettung“: Der Musikinstrumentenhersteller Hohner aus Trossingen kauft für seinen Werkssanitätsdienst den Krankenwagen auf Basis des 1937 präsentierten, komfortablen Mercedes-Benz 320 (W 142) mit 57 kW (78 PS) starkem 3,2-Liter-Sechszylindermotor. Hinter den beiden seitlich angeschlagenen Hecktüren befinden sich links und übereinander zwei Tragen für zwei Patienten. Die untere Trage kann schnell und schonend ein- und ausgeladen werden, sie liegt auf einem rollengelagerten und schienengeführten Schlitten. Auf der Bank rechts daneben sitzt vermutlich der Transportbegleiter – idealerweise medizinisch geschultes Personal. Zusätzlich gibt es einen Klappsitz. Insgesamt bietet das Fahrzeug einen besseren Standard als die sogenannte „Rückspiegelrettung“: Bis zur flächendeckenden Einführung des modernen Rettungsdienstes ist der Sanitäter zugleich Fahrer und behält den Patienten während der Fahrt über den Rückspiegel im Blick.
Automobil und Notfallmedizin: Bei einem Unfall und anderen medizinischen Notfällen steht vor 86 Jahren noch nicht die Erstversorgung am Ort des Geschehens im Vordergrund, sondern der schnelle und zuverlässige Transport ins Krankenhaus oder zur Arztpraxis. Immerhin bietet der Krankenwagen bereits Möglichkeiten für eine Notfallmedizin unterwegs. Welche Maßnahmen damals ausgeführt werden? Das Exponat des Mercedes-Benz Museums zeigt Anhaltspunkte: Es gibt eine Halterung für ein zylindrisches Objekt – vielleicht eine Gasflasche zur Beatmung. Eine Nierenschale steht in einem Fach in der Zwischenwand zum Fahrer hin.
Initiative für die Sicherheit: Der moderne Rettungsdienst mit seinen heute vertrauten Strukturen und Fahrzeugen wird in Deutschland konsequent ab den 1970er-Jahren aufgebaut. Es gibt allerdings bereits seit dem 19. Jahrhundert verschiedene Vorläuferorganisationen. Dazu gehören öffentliche, ehrenamtliche und private Rettungsdienstbetreiber sowie Unternehmen mit eigenem Sanitätsdienst. Seit den 1890er-Jahren setzen sie Automobile mit verschiedenen Antriebsarten als Krankentransportwagen ein. Bald etabliert sich der Verbrennungsmotor als optimaler Antrieb.
Das Prinzip „Hoch-Lang“: Den Aufbau dieses Rettungswagens von 1937 führt Lueg in Bochum nach einem patentierten System aus. Es nutzt Höhe und Länge maximal aus und ist ganz auf den Krankentransport zugeschnitten. Der Vorderwagen bis zur Windschutzscheibe stammt original vom Mercedes-Benz 320. Hinter dem Fahrerhaus schließt sich das Abteil für Patienten und Begleitung an. Es ist beheizt. Zugang gewähren die doppelflügelige Hecktür und eine Seitentür hinter dem Beifahrer. Das Muster bewährt sich: Später in der Markengeschichte entstehen vergleichbare Krankentransportwagen (KTW) der Art „Hoch-Lang“ gern auf Basis von Fahrgestellen aus der Tradition der Mercedes-Benz E-Klasse mit langem Radstand.
Variantenreichtum: Heute gibt es für die Notfallrettung eine große Vielfalt von Mercedes-Benz Basisfahrzeugen. Als Notarzteinsatzfahrzeug (NEF) kommen T-Modelle, SUV und Vans zum Einsatz, als Rettungswagen Transporter und Transporterfahrgestelle mit Spezialaufbauten. Lkw und Busse mit dem Stern sind Basis für Großraumrettungswagen und Intensivtransportwagen. Der Kern ihrer Mission ist gleich geblieben: Notfallhilfe bringen – schnell und zuverlässig.
Quelle: Mercedes-Benz Group AG