Mercedes-Benz steht an einem Wendepunkt. Vorstandschef Ola Källenius hat deshalb ein ehrgeiziges Programm angekündigt, das den Konzern effizienter machen und seine Position auf dem Weltmarkt neu definieren soll. Die Kosten pro Fahrzeug sollen damit deutlich sinken, gleichzeitig will sich die Marke neu erfinden. Statt ein reiner Luxus-Autobauer zu sein, soll Mercedes künftig vor allem für das „Besondere“ stehen – für Fahrzeuge, die mehr sind als Statussymbole und sich bewusst von der Masse abheben.
Der Schwede Källenius steht deutlich unter Druck. Ihm werden aktuell gleich mehrere Fehlentscheidungen vorgeworfen: unpassende Modellentscheidungen, fragwürdiges Design, zu wenig Zylinder in zentralen Baureihen, dazu Überkapazitäten in den Werken und ungeplante Mehrausgaben. Diese Belastungen haben den Spielraum des Konzerns eingeengt – und erklären, warum der Vorstandschef jetzt besonders konsequent gegensteuern muss.
Der strategische Blick richtet sich dabei klar nach China. Dort liegt nicht nur der größte Absatzmarkt für Mercedes, sondern auch der Taktgeber für künftige Entwicklungen. Chinesische Käufer legen Wert auf Innovation, Design und digitale Vernetzung – Eigenschaften, die Mercedes zunehmend in seine Fahrzeuge integriert. Das „Besondere“ wird also nicht in Prunk oder Überfluss gesucht, sondern in einer Mischung aus exklusiver Technik, markantem Design und maßgeschneiderten Services.
Noch deutlicher wird die Neuausrichtung in der Produktion. Aus dem Konzern heißt es: „Wir werden noch chinesischer.“ Das Ziel ist dabei ambitioniert: Bis zu einhundert Prozent der sogenannten Faktorkosten bei lokal gefertigten Modellen sollen mittel- bis langfristig direkt in der Volksrepublik anfallen. Heute ist das noch nicht der Fall, denn eine Reihe von Komponenten wird weiterhin aus dem Westen importiert. Pro Fahrzeug fallen hier schnell Kosten von mehreren Tausend Euro an. Doch diese Warenströme könnten über die Zeit versiegen – mit der Folge, dass Wertschöpfung zunehmend aus Europa abgezogen und nach China verlagert wird.
Für Mercedes bedeutet dieser Schritt, dass die angestrebte Kostenreduktion am besten dort erreicht werden kann, wo Skaleneffekte und ein starkes Zuliefernetz zusammenkommen – und das ist in China. Gleichzeitig sichert der Konzern damit seinen Zugang zu wichtigen Zukunftstechnologien wie Batterien oder Elektronikkomponenten, die in Europa oft teurer und schwerer verfügbar sind.
Mit dieser doppelten Ausrichtung – Kostendisziplin und ein neues Markenversprechen – will Mercedes in den kommenden Jahren einen Neustart wagen. Das Unternehmen soll nicht länger nur die klassische Luxusmarke aus Stuttgart sein, sondern ein globaler Anbieter, der etwas Besonderes bietet: Fahrzeuge, die durch Technik, Qualität und Einzigartigkeit überzeugen. Eine Aufgabe, die man umsetzen will und muss.
Doch dieser neue geplanter Weg birgt Risiken. Je stärker Mercedes sich dabei auf China einlässt, desto größer wird die Abhängigkeit von einem Markt, der wirtschaftlich und politisch nicht immer berechenbar ist. Für Källenius ist es dennoch der logische Schritt: Nur wenn Mercedes gleichzeitig effizienter wird und das Markenversprechen neu auflädt, hat der Konzern eine Chance, sich im weltweiten Wettbewerb zu behaupten. Das „Besondere“ soll damit zum neuen Kern von Mercedes werden – und China zum entscheidenden Partner auf diesem Weg.
Symbolbilder: Mercedes-Benz Group AG