Auf dem europäischen E-Auto-Markt herrscht Bewegung – und mittendrin steht smart, eine Marke, die in den vergangenen Jahren radikal umgebaut wurde und nun mit frischer Modellpalette und neuen Ambitionen angetreten ist. Im Interview spricht Smart-CEO Europe Dirk Adelmann offen über Lieferschwierigkeiten, überraschende Bestellzahlen und den mutigen Weg zum kommenden Zweisitzer-Modell #2.
#5 Nachfrage deutlich über Plan
Mit den Absatzzahlen zeigt sich Dirk Adelmann zwar unzufrieden, doch nicht aus dem üblichen Grund. „Beim Auftragseingang sind wir komplett überfahren – hätten wir niemals erwartet“, erklärt er. Das aktuelle Problem liege jedoch nicht im Verkauf, sondern in der Produktion: Es fehlen effektiv Fahrzeuge aus China. Während die Zulassungszahlen vergleichsweise niedrig sind, dominiert beim Bestelleingang ein Modell klar: Rund 50 Prozent entfallen auf den neuen smart #5, die Modelle #1 und #3 teilen sich den Rest. Besonders gefragt: der BRABUS. In Europa liegt sein Anteil bei über 50 Prozent, in Deutschland bei rund 40 bis 50 Prozent – ungewöhnlich für eine hochpreisigere, vollausgestattete Version. Wartezeiten von bis zu sechs Monaten sind derzeit eher die Regel. „Ein Luxusproblem, das ich trotzdem nicht gerne hätte“, betont Adelmann im Gespräch.
Warum der #5 bewusst anders aussieht
Der kantige Look des smart #5 sorgte bei seiner Vorstellung für Diskussionen. Adelmann kann das nachvollziehen – er selbst war in der frühen Entwicklungsphase skeptisch. „Ich war wahnsinnig skeptisch, ob man von smart so etwas Boxy-mäßiges machen kann.“ Doch heute sieht er die Entscheidung als wichtigen Differenzierungsfaktor im D-Segment: „Jeder kann etwas Rundgelutschtes bringen. Die Technologie kannst du schwer kopieren – das Design hättest du kopieren können. Jetzt wird es schwer.“ smart setzt bewusst auf Unkonventionalität, um sich von der Masse abzuheben – ein Ansatz, der bei vielen Kunden offenbar gut ankommt.
Auf die Frage, warum die BRABUS Variante am liebsten gewählt wird, beantwortet Adelmann ebenso: „Es ist nicht nur der Allrad, den hätten wir auch in der Summit Edition – es ist die Vollausstattung in Kombination mit Allrad. Die Summit Edition – mein absoluter Favorit – hat zwei drei Gimmicks nicht, die der BRABUS und der Premium haben, z.B. Matrix-LED. Das hat der Summit nicht, sieht man aber nicht von außen, da die Fahrzeuge die gleiche Grafik haben. Wenn Du nicht zwingend das volle Soundsystem willst und auf das Matrix-Licht verzichten kannst: dann nimmt die Summit Edition.“
Der neue smart #2: Ein Meilenstein
Ein zentrales Thema des Gesprächs: die Rückkehr des ikonischen Zweisitzers. Unter dem Arbeitstitel smart #2 entsteht derzeit das wohl wichtigste Modell der nächsten Jahre – ein Fahrzeug, das die Brücke zwischen Tradition und Zukunft schlagen soll und auch muss.
Adelmann beschreibt den langen Weg dorthin: Sechs Business-Case-Anläufe scheiterten zwischen 2019 und 2023, vor allem aufgrund wirtschaftlicher Risiken und der schwierigen Vorgeschichte des letzten fortwo. Erst vor einigen Monaten konnte das Board überhaupt überzeugt werden – trotz Strafzöllen und steigender Kosten. Das Design steht bereits. „Wir sind durch mit dem Design, es fehlen nur ein paar Kleinigkeiten“, sagt Adelmann. In einem außergewöhnlichen Moment der Einigkeit entschieden sich alle relevanten Entscheider – von smart bis Mercedes-Benz – für denselben Entwurf. Ziel sei ein klar erkennbarer fortwo-Nachfolger, ohne in Retro-Ästhetik abzurutschen: ein modernes, kompaktes Auto, das sich nahtlos in die neue smart-Familie einfügt. Das Design der #2 Variante wurde innerhalb von nur 20 Monaten entwickelt.
„Es gibt natürlich noch Nuancen am Design vorne und hinten, bei den noch nicht jeder zufrieden ist. Wir reden hier über Zentimeterbereiche, aber es ist noch deutlich zu früh, jetzt schon auf die Produktfeatures einzusteigen„. Das Fahrzeug hat im Design geschafft, was man auch ins Lastenheft bzw. Wunschzettel gegeben hatte: „Mach mir ein Auto, was klar erkennbar ist als fortwo-Nachfolger – für die 2,2 Millionen aktuellen Kunden, – aber auch was für #1 und #3 in die Familie passt. Wir wollten kein Retro, wir wollten in dieser neuen Welt mit dem #2 verbleiben. Und das hat Kai (Sieber) geschafft mit den einen Wurf, was das Designstudio aus Frankreich hier hinbekommen hat.“. Adelmann fügte zusätzlich an, das sowohl das Interieur,als das Außendesign aus dem gleichen Studio stammt.
Fest steht bereits:
- Unter 3 Meter Länge – eine „2“ wird also vorne stehen
- Markteinführung nicht 2026, aber Vorstellung bereits 2026
- Fokus auf hohem Nutzwert, cleverem Raumkonzept und neuen Features, die es im fortwo nie gab
- Optionales Cabrio „auf der Wunschliste“, aber noch nicht entschieden
Auch bei der Batterie hält sich smart noch bedeckt. Die Reichweite des #2 Modells soll jedoch mindestens doppelt so hoch sein wie beim letzten fortwo, die genaue Technik ist aber aktuell noch in Entwicklung. Platz, Effizienz und Energiedichte spielen eine größere Rolle als pure Kapazität. Für genaue technische Details sei der aktuelle Entwicklungsstand aber noch zu früh.
Hohe Erwartungen aus Europa – nicht nur aus Deutschland
Überraschend deutlich zeigt Adelmann: Der Ruf nach einem neuen Zweisitzer kommt keineswegs nur aus Deutschland. Händler aus Frankreich und Italien drängen ebenfalls auf einen Nachfolger. Ein Pariser Händler sei sogar nach China gereist und habe ein eigenes Designmodell im Container gleich mitgebracht – inklusive Farbempfehlung. Dieses Engagement zeigt, welchen Stellenwert der kleine smart in europäischen Städten noch immer hat. Mit dem #2 will smart dieses Momentum nutzen – und gleichzeitig seine neue Markenidentität festigen.
Blick nach vorn: 2026 als Schlüsseljahr
2024 feierte der smart #5 Premiere. 2026 folgt nun das #2-Modell – ein Jahr, das Adelmann selbst als entscheidend betrachtet. Die Marke will jedes Jahr ein neues Fahrzeug vorstellen, um in Europa langfristig relevant zu bleiben. Produziert wird weiterhin in China, zumindest „bis auf weiteres“, von einer europäischen Produktion will man nichts wissen. Für smart ist der neue Zweisitzer mehr als nur ein weiteres Modell: Er ist ein Signal. Ein Statement, dass die Marke ihre urbane DNA nicht verliert, sondern in eine neue elektrische Zukunft überführt.
Bilder: smart Europe GmbH





