Die Händlerverbandsspitze von Mercedes-Benz kritisiert in einem vierseitigen Schreiben die Luxusstrategie des Stuttgarter Autobauers, wie das Magazin BusinessInsider berichtet. Der Verband kritisiert dabei nicht nur die hohen Preise, sondern ebenso die Qualität der Fahrzeuge. Parallel wird auf den aktuellen Auftragseingang verwiesen, der „historisch niedrig“ sein soll.
Gier statt Luxusstrategie ?
Das Schreiben des Verbands der Mercedes-Benz Vertreter e.V. (VMB) richtet seinen Brief an die beiden Mercedes-Manager Jörg Heinermann – als Leiter Mercedes-Benz Cars Vertrieb Deutschland – sowie Carsten Dippelt als Leiter Vertrieb & Marketing Neufahrzeuge Mercedes-Benz Pkw Deutschland und beinhaltet zahlreiche Warnungen, Mahnungen und Anklagen. So heißt es: „Das Image von Mercedes-Benz nimmt Schaden, unsere Kunden verstehen die eingeschlagene Strategie der Mercedes-Benz AG weniger als Luxusstrategie, eher als die der ‚Gier. (…) Auch für Luxus müssen die Preise passen, ganz zu schweigen von der Qualität. Besonders, wenn durch die Rezession die europäischen Märkte ohnehin am Boden liegen“.
Auf der Händlerseite stützt man sich nicht auf die geplanten Umsatzzahlen, sondern auf die aktuellen Auftragseingänge. Mit Blick auf die schlechten Auftragseingänge heißt es im Schreiben: „dass zunehmend die Sorge unter den Agenten besteht, dass der Hersteller den deutschen Markt mit Vollgas gegen die Wand steuert.“ Im Detail heisst es: „Die schlechte AE-Situation („Auftragseingang“) seit Beginn 2023 und verstärkt ab Start VdZ („Vertrieb der Zukunft) eskaliert dermaßen, dass zunehmend die Sorge unter den Agenten besteht, dass der Hersteller den deutschen Markt mit Vollgas gegen die Wand steuert.“
Soweit wir informiert sind, sind die täglichen Auftragseingänge von Mercedes-Benz in Deutschland aktuell auf ein Drittel des üblichen Eingangs eingebrochen. Der Händlerverband schreibt in einem internen Schreiben vom 10.07.2023 seinen Mitgliedern sogar, das der Auftragseingang „historisch niedrig“ sei – ohne genaue Zahlen zu nennen (diese liegen uns jedoch vor!). Der Kunde wende sich so gar ab und geht zur preiswerteren Premiumkonkurrenz von BMW und Audi.
Verfehlte Preispolitik ?
Nach Angaben der Händler sind die Gründe für die aktuell stark eingebrochenen Auftragseingänge vor allen an der völlig verfehlten Preispolitik zu suchen. Es sei demnach nicht richtig, das man unverändert an einer stetigen Preisspirale mit einer Kombination aus Listenpreisanpassungen über Modelljahresänderungen sowie einer durchgehenden Einführung der Paketlogik drehe. Aber auch an der Produktqualität von Mercedes-Benz gibt es Mängel, wie der VMB an seine Mitglieder schrieb – & die Kollegen von Mercedes-Fans.de auch berichten: „Die aktuelle Produktqualität ist ein Dauerthema, welches weit entfernt von der Luxusstrategie des Herstellers derzeit das Gegenteil abbildet. Seitdem wir dieses Thema (…) überdeutlich beim Vorstand angesprochen hatten, macht es nicht den Eindruck, als habe sich etwas verbessert. Besonders bei den Marktanläufen der C-Klasse oder beim SL stellen wir gravierende Nacharbeiten bei einem Großteil der Fahrzeuge fest. Eine Antwort auf die Situation hatte der Hersteller gegenüber uns bislang nicht. Natürlich bremst auch dies das den Auftragseingang, wenn die Mitarbeiter mehr mit psychologischen Maßnahmen am zurecht verärgerten Kunden beschäftigt sind als mit einem aktiven Vertrieb.“
Der Verband der Mercedes-Benz Vertreter (VMB) warnt dabei nachhaltig am Festhalten am eingeschlagenen Kurs der Luxusstrategie und robusten Preispolitik, Demnach wurde bei der Strategie falsch abgebogen, und der Kurs müsse umgehend korrigiert werden. Mit der Meinung steht der Verband aber auch nicht alleine da, zumal die Produktqualität der Fahrzeuge über mehrere Baureihen spürbar abgenommen hat – der Grundpreis im Gegensatz aber erhöht wurde. Auch unser Eindruck am Produkt von Mercedes-Benz hat sich in den letzten Monaten stark gewandelt – gerade das Prinzip „Preis hoch – und Qualität nach unten“ ist Neuwagenkäufern wohl eher schlecht vermittelbar. Das konnte man „beim Daimler“ durchaus schon mal besser.
Starke Absatzzahlen im ersten Halbjahr
Die Kritik des Verbands steht jedoch im Gegensatz zu den zuletzt vom Konzern veröffentlichten Zahlen. So hat die Mercedes-Benz Cars im zweiten Quartal ein Absatzplus von sechs Prozent vorgelegt, auf 515.700 Einheiten. Ein „starkes Wachstum“ gab es auch im Top-End Segment (+12 Prozent, 84.000 Einheiten), bei AMG (+19 %), sowie Maybach (+39 %) und der G-Klasse (+29 Prozent). Die Verkäufe im ersten Halbjahr 2023 sind auf 1.019.200 Einheiten gestiegen. Wie der Konzern dazu sogar mitteilte. „vor allen dank starker Verkäufe in Deutschland (+22 Prozent)“. Interessant wird es also, wie die Verkaufszahlen im dritten Quartal 2023 aussehen werden.
Symbolbilder: Mercedes-Benz Group AG