Der Genfer Automobilsalon im März 1963 war Schauplatz einer bemerkenswerten und allgemein beachteten Premiere: Mit dem Typ 230 SL präsentierte Daimler-Benz einen neuen Sportwagen, der gleich zwei Modelle des bisherigen Verkaufsprogramms ersetzen sollte. Der Neuling hatte ein schweres Erbe anzutreten – und dies nicht nur, weil seine beiden Vorgänger, der 190 SL und der 300 SL, von Anfang an höchst beliebt und erfolgreich gewesen waren und der 300 SL noch zu Lebzeiten zur Legende geworden war. Als viel gravierender erwies sich die Tatsache, dass beide Typen trotz aller Familienähnlichkeit grundverschiedene Fahrzeugkonzepte repräsentierten, die schwerlich unter einen Hut zu bringen waren.
Mit dem damals neuen Modell wurde nun gewissermaßen ein Mittelweg eingeschlagen: Der 230 SL, intern W 113 genannt, war weder ein kompromißlos harter Roadster noch ein sanftmütiger Boulevard-Sportwagen, sondern vielmehr ein komfortabler, zweisitziger Reisewagen mit hohen Fahrleistungen und optimaler Fahrsicherheit. Abgesehen vom Radstand – den magischen Wert von 2400 mm hatte man unverändert übernommen – wies der neue SL praktisch keine Gemeinsamkeiten mit seinen beiden Vorgängern auf. Dennoch war der W 113 keine völlige Neukonstruktion, entsprach sein technisches Konzept doch weitgehend dem 220 SE; verwendet wurde beispielsweise die verkürzte und verstärkte Rahmen-Bodenanlage der Heckflossen-Limousinen einschließlich Vorder- und Hinterradaufhängung. Auch den Motor hatte man aus dem 2,2-l-Aggregat des 220 SE entwickelt; durch Aufbohren auf 2,3 l, Erhöhung der Verdichtung und Verwendung einer Sechsstempel-Einspritzpumpe konnte die Leistung auf 150 PS gesteigert werden.
Außer dem serienmäßigen 4-Gang-Schaltgetriebe war, erstmals bei einem SL-Modell, auf Wunsch ein 4-Gang-Automatikgetriebe erhältlich. Als dritte Variante kam im Mai 1966 ein von der Zahnradfabrik Friedrichshafen (ZF) bezogenes 5-Gang-Schaltgetriebe hinzu. Als erster Sportwagen hatte der 230 SL eine Sicherheitskarosserie mit steifer Fahrgastzelle und verformbarer Front- und Heckpartie; ermöglicht wurde dies durch Konstruktionsprinzipien, die von Béla Barényi entwickelt und bei den Heckflossen-Limousinen erstmals realisiert worden waren. Im Gegensatz zu diesen äußerlich nicht wahrnehmbaren Konstruktionselementen, war das charakteristische Designmerkmal der Karosserie nicht zu übersehen: Beim 230 SL hatte man das abnehmbare Coupé-Dach konkav, d. h. nach innen gebogen, ausgeführt. Diese für damalige Begriffe ungewohnt avantgardistische Gestaltung, die seinerzeit nicht nur ungeteilte Zustimmung fand, war keineswegs Selbstzweck, sondern kann als klassisches Beispiel für die Designer-Maxime „form follows function“ angesehen werden. Zurückgehend auf Arbeiten von Béla Barényi, ermöglichte die sogenannte Pagodenform trotz Leichtbauweise eine besonders hohe Festigkeit des Dachs; darüber hinaus gewährleistete sie durch die großen Seitenfenster einen bequemen Einstieg und verbesserte Sichtverhältnisse.
Lieferbar war der 230 SL wie seine Vorgänger in drei Ausführungen: als Roadster mit Klappverdeck, als Coupé mit abnehmbarem Dach und als Coupé mit abnehmbarem Dach und Roadsterverdeck. Alle drei Varianten waren auf Wunsch mit einem Quersitz im Fond erhältlich.
Am 27. Februar 1967 wurde der Öffentlichkeit der 250 SL präsentiert, der den seit vier Jahren produzierten 230 SL ablöste. Äußerlich war der Neuling, dessen Serienfertigung bereits im Dezember 1966 begonnen hatte, von seinem Vorgänger nicht zu unterscheiden. Die Änderungen betrafen im wesentlichen den Motor und die Bremsanlage, die beide, leicht modifiziert, vom Typ 250 SE stammten. Der Motor, dessen Hubraum durch Verlängerung des Hubs um 200 ccm vergrößert worden war, hatte bei gleicher Leistung ein 10 % höheres Drehmoment und war nun mit sieben Kurbelwellenlagern sowie einem Ölkühler versehen. Die Änderungen an der Bremsanlage umfaßten Scheibenbremsen auch an den Hinterrädern, größere Bremsscheiben vorn sowie die Ausrüstung mit Bremskraftregler.
Einen erweiterten Aktionsradius ermöglichte der vergrößerte Kraftstofftank mit 82 l statt bisher 65 l Inhalt. Neben den drei vom 230 SL bekannten Karosserie-Ausführungen war vom 250 SL auf Wunsch als vierte Version ein Coupé mit Fondsitzbank lieferbar, das erstmals im März 1967 auf dem Genfer Salon gezeigt wurde. Bei dieser sogenannten „California-Ausführung“ hatte man den für die hintere Sitzbank erforderlichen Raum durch Wegfall von Roadsterverdeck und Verdeckkasten gewonnen. Da eine Nachrüstung des Verdecks nicht möglich war, versprach diese Variante nur in regenarmen Regionen oder mit aufgesetztem Coupédach ungetrübten Fahrspaß.
Weniger als ein Jahr nach seiner Präsentation wurde der 250 SL bereits von einem neuen Modell abgelöst. Im Zuge der Markteinführung der neuen Mittelklasse-Typen erhielten nicht nur die Limousinen, Coupés und Cabriolets der Oberklasse, sondern auch der SL einen 2,8-l-Motor. Die im 280 SL eingesetzte Motorvariante mobilisierte dank einer Nockenwelle mit geänderten Steuerzeiten 10 PS mehr als die Basisversion des 280 SE. Gegenüber dem 250 SL hatte man die Leistung um 20 PS und das Drehmoment um 10 % gesteigert. Äußerlich war der 280 SL, abgesehen vom Typenschild, nur an den geänderten Radzierblenden von seinen beiden Vorgängermodellen zu unterscheiden.
Im März 1971 lief die Produktion des 280 SL aus. Nachfolger wurde der vollkommen neu konstruierte Typ 350 SL, dessen Serienfertigung im April 1971 begann. Von den drei SL-Typen der Baureihe 113 wurden in acht Produktionsjahren insgesamt 48.912 Exemplare produziert. In Anspielung auf ihre charakteristische Dachform werden die Sportwagenmodelle 230 SL, 250 SL und 280 SL heute allgemein als „Pagoden-SL“ bezeichnet.
Bilder/Quelle: Mercedes-Benz Group AG