Der überraschende Rückzug von Bettina Fetzer, der langjährigen Kommunikations- und Marketingchefin von Mercedes-Benz, hat in der deutschen Wirtschaftswelt für Aufsehen gesorgt. Seit 2018 war Fetzer das kommunikative Gesicht des Stuttgarter Premiumherstellers – stets präsent bei Produkteinführungen, Messeauftritten und in den sozialen Medien. Doch ihr Abgang wirft nun nicht nur Fragen auf, sondern öffnet endlich auch Raum für Chancen.
Der Bruch mit der „alten Schule“?
Fetzer galt als Architektin der modernen Markenkommunikation von Mercedes-Benz: digital, jung, emotional. Unter ihrer Ägide wurde die klassische deutsche Luxusmarke auf Lifestyle und „Love Brands“ getrimmt. Kooperationen mit Influencern, hippen Künstlern und Hollywoodstars waren kein Zufall – sie sollten Mercedes als progressiv, urban und begehrenswert positionieren.
Doch intern wurde ihr Kurs nicht von allen mitgetragen. Kritiker warfen ihr vor, sich zu sehr auf Marketingkosmetik zu konzentrieren und dabei das Fundament der Marke – Ingenieurskunst, Substanz und technische Exzellenz – zu vernachlässigen. Insbesondere in der konservativen Stammkundschaft stieß die neue Bildsprache oft auf Unverständnis.
Zeitenwende in Stuttgart
Die Automobilindustrie steht vor ihrer vielleicht tiefgreifendsten Transformation: Elektromobilität, Software-Defined Vehicles, autonomes Fahren und der Markteintritt chinesischer Wettbewerber wie BYD oder Nio fordern etablierte Marken wie Mercedes-Benz in ihrer DNA heraus.
In diesem Kontext könnte Fetzers Weggang eine Gelegenheit sein, innezuhalten – und neu zu justieren. Denn was die Marke jetzt braucht, ist nicht nur Sichtbarkeit, sondern strategische Tiefe. Die Kommunikation muss wieder stärker an Produkt, Technologie und Glaubwürdigkeit andocken. Vor allem im B2B- und Flottensegment, das für E-Mobilität entscheidend ist, zählt Substanz mehr als Stil.
Raum für neues Profil
Die Vakanz in der Kommunikationsspitze eröffnet Mercedes-Benz die Chance, ein neues Profil zu entwickeln – eines, das Innovationen nicht nur emotionalisiert, sondern auch technisch erklärt und positioniert. Ein Brückenschlag zwischen alter und neuer Welt, zwischen digitalem Auftritt und realer Produktperformance, könnte die Marke langfristig stärken.
Zudem könnte eine neue Führungskraft frischen Wind in ein Team bringen, das zuletzt als etwas „abgehoben“ und zu stark auf Imagepflege fokussiert galt. Der globale Wettbewerb verlangt heute mehr als Werbewirkung – er verlangt Vertrauen in Technologie, Lieferfähigkeit, Nachhaltigkeit und Vision.
Ein Neuanfang mit Potenzial
Bettina Fetzer hat ohne Frage Spuren hinterlassen – und Mercedes-Benz aus der verstaubten Komfortzone geholt. Doch ihr Abgang markiert auch eine Zeitenwende. Der Premiumhersteller steht vor einem Rebranding, das weniger Glanz und mehr Substanz braucht. Ein nüchterner, technikgetriebener Kommunikationsansatz könnte die Marke zurück auf den Thron bringen – nicht nur in der Wahrnehmung, sondern auch im Vertrauen der Kunden weltweit.
So gesehen: Der Weggang Fetzers ist nicht nur ein Ende. Er könnte auch der dringend benötigte Anfang sein.