Wenn Motivation geht – Mercedes und die Folgen des Personalabbaus

In den vergangenen Jahren hat Mercedes-Benz, einer der traditionsreichsten Automobilhersteller der Welt, ein weitreichendes Personalabbauprogramm umgesetzt. Die Maßnahme war dazu Teil einer strategischen Neuausrichtung, die vor allem Effizienzsteigerung, Digitalisierung und Elektrifizierung in den Fokus stellte. Doch neben Zahlen, Sparzielen und Umstrukturierungen ist eines dabei zunehmend verloren gegangen: die Menschen, die wirklich „Bock“ auf Mercedes hatten.

Der Verlust einer wertvollen Ressource

In Gesprächen mit aktuellen und ehemaligen Mitarbeitenden wird schnell deutlich: Viele, die das Unternehmen in den letzten Jahren verlassen haben – freiwillig oder unfreiwillig – waren mehr als nur „Personal“. Es waren engagierte Talente, loyale Fachkräfte, kreative Köpfe und überzeugte Markenbotschafter mit viel Fachkompetenz. Menschen, die mit Herzblut bei der Sache waren und sich mit der Marke Mercedes-Benz identifiziert haben. Sie waren stolz, Teil des „Sterns“ zu sein – und bereit, diesen mitzugestalten. Und viele sind es bis heute noch.

Doch mit jedem Sozialplan, jeder Frühverrentung und jedem Aufhebungsvertrag wurde nicht nur Personal reduziert, sondern auch Unternehmenskultur geopfert. Die betriebswirtschaftliche Logik des „Lean Managements“ mag dazu  kurzfristig die Bilanz aufbessern – doch langfristig stellt sich die Frage, was ein Unternehmen alles verliert, wenn es den inneren Antrieb seiner Belegschaft vernachlässigt.

Zwischen Zahlen und Zukunft

Mercedes steht vor gewaltigen Herausforderungen: Die Elektromobilität verändert die Produktionsprozesse grundlegend, neue Wettbewerber wie Tesla setzen Maßstäbe in Agilität und Software-Kompetenz, und der globale Markt verlangt nach Flexibilität und Innovation. Es ist unbestritten, dass Veränderungen notwendig sind.

Doch gerade in Zeiten des Wandels braucht es Menschen, die mitziehen, mitdenken – und mitgestalten wollen. Menschen, die nicht nur „Dienst nach Vorschrift“ machen, sondern Visionen haben. Menschen, die sagen: „Ich habe Bock auf diese Firma, auf diesen Weg.“ Die Sorge vieler Insider: Die aktuelle Strategie mag zwar die Struktur verschlanken, doch sie verschlankt zugleich das emotionale Kapital – jenes schwer messbare, aber entscheidende Gut, das aus Mitarbeitenden Mitgestalter macht.

Eine Kulturfrage

Was Mercedes aktuell erlebt, ist mehr als ein struktureller Umbau – es ist eine Kulturverschiebung. Der Fokus liegt stärker auf Prozessen, Tools und Kostenzielen, weniger auf dem menschlichen Faktor. Und das bleibt nicht folgenlos: Die Fluktuation unter jungen Talenten steigt, die Bindung sinkt, das interne Klima wird kühler. Dabei hatte Mercedes immer auch eine Seele – geprägt von Leidenschaft, Stolz und dem Anspruch, nicht nur gute Autos, sondern besondere Erlebnisse zu schaffen. Ob in der Entwicklung, im Vertrieb oder im Design: Es waren die Menschen mit „Bock“, die Mercedes stark gemacht haben.

Was jetzt zählt

Wenn Mercedes die Transformation erfolgreich gestalten will, braucht es mehr als Technologiewechsel und Effizienzprogramme. Es braucht eine Rückbesinnung auf die Menschen im Unternehmen – und eine Unternehmenskultur, die Engagement belohnt, Individualität zulässt und Sinn stiftet. Denn am Ende entscheidet nicht nur die Technik über den Erfolg, sondern vor allem die Frage: Wer hat noch Lust, hier wirklich etwas zu bewegen?

Der Verlust motivierter Mitarbeiter ist deutlich mehr als ein Kollateralschaden – er ist ein Warnsignal, was auch erkannt werden muss. Wenn Mercedes auch in Zukunft Menschen für seine Vision begeistern will, muss es ihnen auch wieder einen Grund geben, „Bock“ auf den Stern zu haben. Viele davon sind jetzt bei anderen Unternehmen.

Symbolbilder: Mercedes-Benz Group AG