Mit dem Experimental-Lade-Fahrzeug ELF präsentiert Mercedes-Benz ein Forschungsprojekt, das das Laden von Elektrofahrzeugen neu definiert. Das rollende Labor vereint Schnellladen, bidirektionales, solares, induktives und konduktives Laden – und verfolgt dabei einen ganzheitlichen Ansatz: das Fahrzeug als integralen Bestandteil einer vernetzten Energieinfrastruktur.
Vision einer neuen Ladeära
Elektromobilität ist für Mercedes-Benz mehr als emissionsfreies Fahren – sie steht für ein nachhaltiges Gesamtsystem aus Energie, Technologie und Verantwortung. Das ELF (Experimental-Lade-Fahrzeug) ist dabei mehr als ein Studienobjekt: Es ist Symbol eines Paradigmenwechsels. „Mit dem ELF denken wir das Laden von Grund auf neu – intelligent, vernetzt und bidirektional“, heißt es aus der Forschungsabteilung des Unternehmens.
Das Ziel: Ladeprozesse sollen so intuitiv und effizient werden, dass sie sich nahtlos in den Alltag integrieren – ob zu Hause, im Büro oder unterwegs.
Schnellladen an der Grenze des Machbaren
Das ELF ist mit zwei Schnellladesystemen ausgestattet: dem MCS-Stecker (Megawatt Charging System) und dem CCS-Stecker (Combined Charging System). Damit deckt das Fahrzeug sowohl die Forschung an Extremleistungen als auch seriennahe Anwendungen ab.
Der MCS-Anschluss erlaubt Ladeleistungen im Megawattbereich – ursprünglich für Lkw entwickelt, wird er hier genutzt, um thermische Belastbarkeit und Leistungsgrenzen von Batterie und Komponenten zu erforschen. Das CCS-System hingegen dient der praxisnahen Entwicklung für Pkw und erreicht im ELF beeindruckende 900 kW Ladeleistung, genug um 100 kWh in zehn Minuten nachzuladen.
Die Erkenntnisse aus diesen Versuchen fließen direkt in Serienprojekte ein – etwa das CONCEPT AMG GT XX, das 2025 mit einer maximalen Ladeleistung von über 1 MW neue Rekorde setzte. Gemeinsam mit dem Ladeinfrastrukturspezialisten Alpitronic wurde dafür eine Prototyp-Ladesäule entwickelt, die Ströme bis zu 1.000 Ampere über ein CCS-Kabel überträgt – doppelt so viel wie bisher möglich.
Energiefluss in beide Richtungen: Bidirektionales Laden
Ein zentrales Element des ELF ist das bidirektionale Laden, bei dem das Fahrzeug nicht nur Strom aufnimmt, sondern auch abgeben kann – ins Haus (V2H), ins Netz (V2G) oder an Geräte (V2L). Damit wird das Elektroauto zum aktiven Energiespeicher.
Das ELF unterstützt sowohl AC- als auch DC-bidirektionales Laden und erprobt reale Anwendungsszenarien. Erste Serienmodelle wie der neue CLA mit EQ Technologie sind bereits technisch vorbereitet. 2026 startet Mercedes-Benz in Deutschland, Frankreich und Großbritannien erste Services für bidirektionales Laden unter der Marke MB.CHARGE Home – inklusive Wallbox, Ökostromtarif und Energiemanagement-App.
Das Ziel: Haushaltskosten senken, Netzstabilität fördern und CO₂-Emissionen reduzieren. Eine typische Fahrzeugbatterie kann dabei einen Einfamilienhaushalt zwei bis vier Tage mit Strom versorgen – ein bedeutender Schritt in Richtung Energieautarkie.
Virtuelles Energiekonto: Strom wird mobil
Mercedes-Benz denkt den Ansatz weiter – mit der Idee eines „Virtuellen Energiekontos“. Kundinnen und Kunden könnten künftig überschüssigen Solarstrom aus der heimischen Photovoltaikanlage auf ein digitales Konto „einzahlen“ und ihn später unterwegs an Mercedes-Benz Ladesäulen abrufen. Dieses Konzept verbindet individuelles Energiemanagement mit netzdienlichem Verhalten – und könnte den Weg zu einem neuen Strommarktsystem ebnen.
Komfort neu definiert: Induktives und konduktives Laden
Neben dem Hochleistungsladen erforscht das ELF auch kabellose Ladeverfahren. Beim induktiven Laden überträgt eine Bodenplatte Energie kontaktlos auf das Fahrzeug. Mit derzeit 11 kW Ladeleistung entspricht sie einer typischen Wallbox, ist aber komfortabler und nahezu unsichtbar. Für Flotten oder urbane Anwendungen könnte diese Technologie entscheidend sein.
Ergänzend untersucht Mercedes-Benz das automatisierte konduktive Laden über einen Connector im Fahrzeugboden. Auch hier beträgt die Leistung 11 kW AC – bei höherem Wirkungsgrad als bei induktiven Systemen. Das System erlaubt präzises, automatisches Parken und Laden – ideal für enge oder barrierefreie Parkräume.
Automatisiertes Laden per Robotik
Im Bereich der Hochleistungsladung arbeitet Mercedes-Benz an robotergestützten Ladesystemen, die das manuelle Anschließen überflüssig machen. Diese Technologie zielt auf Komfort, Sicherheit und Effizienz – insbesondere für Flotten, autonomes Fahren und Premiumfahrzeuge. Das Projekt ist eng mit der Charging Unit von Mercedes-Benz Mobility verknüpft, die den weltweiten Ausbau des Mercedes-Benz Charging Network verantwortet – eines Premium-Ladenetzes für alle Marken, das auf Zuverlässigkeit, Geschwindigkeit und Servicequalität setzt.
Fazit: Das ELF als Labor für die Energiezukunft
Das Experimental-Lade-Fahrzeug ELF steht für mehr als technologische Machbarkeit – es ist Ausdruck eines systemischen Denkens, in dem Fahrzeug, Infrastruktur und Energieversorgung zu einem intelligenten Netzwerk verschmelzen.
Mercedes-Benz zeigt mit dem ELF, dass Elektromobilität nicht am Stecker endet. Sie wird zur Schnittstelle zwischen individueller Mobilität und globaler Energiewende – und zum Symbol einer neuen Ära des Ladens.
Bilder: Dirk Weyhenmeyer / Stargallery GmbH