Im Mercedes-Benz Econic unterwegs – unser Fahrtest im Fahrzeug für Sammel- und Kommunalverkehr

Ganz speziell haben wir uns den Mercedes-Benz Econic ausgewählt, um mit diesem speziellen Fahrzeug mit ergonomischen Low-Entry-Fahrerhaus und vollluftgefederten Fahrgestell mit automatischen Getriebe einen Fahrtest vorzunehmen. Das ein Kommunalfahrzeug nicht umbedingt orange sein muss, war hier von Vorteil.

Der Econic ist ein Fahrzeug aus der Mercedes-Benz Special Trucks und sorgt neben einer maßgeschneiderten Konstruktion mit ergonomischem Low-Entry-Fahrerhaus und vollluftgefedertn Fahrgestell sowie automatischem Getriebe. Bislang ist das Fahrzeug wohl eher noch ein Exot auf der Straße, doch gilt er längst als Referenzfahrzeug für viele Aufgaben im Kommunal-, Sammel oder Verteilerverkehr.

Econic – als 2 oder 3-Achser erhältlich
Der Econic aus dem Werk Wörth ist in den Konfigurationen 4×2, 6×4 und 6×2/4 mit elektrohydraulisch progressiv gelenkter Nach- und Vorlaufachse in den zulässigen Gesamtgewichten von 18 beziehungsweise 26 t lieferbar. Auf Wunsch gibt es auch speziell zugeschnittene Fahrzeug­ausführungen. Die Zwei- und Dreiachser sind in unterschiedlichen Radständen erhältlich – von kompakt und wendig mit 3.450 mm bis zu 5.700 mm.

Der 1830LL und 1835LL mit 299 PS und 354 PS verfügt dabei über 2 Achsen, der 2630LL mit 299 bzw. 2635 LL mit 354 PS über 3 Achsen. Der 2639 LL und 2635 LL ist mit elektronischer Nachlaufachse (ENA) verfügbar, der 2630 LL und 2635 LL mit Vorlaufachse (VLA) ist demnächst verfügbar.

Der 2-Achser ist mit Radstand 3.450, 3.900, 4.200, sowie 4.500 und 5.700mm verfügbar (Wendekreis 14.8 bis 22.0 Meter), der 3-Achser mit 3.900 / 4.200 Meter (19.0 -20 Meter Wendekreis, Tolerenz beträgt dabei 0.5 Meter) – mit elektronischer Nachlaufachse sind die Radstände 3.450 / 3.900 / 4.200 / 4.500 und 4.800 mm erhältlich, der Wendekreis liegt dann bei 14.8-19.1 Meter. Das später verfügbare Fahrzeug mit Vorlaufachse ist nur mit 3900 mm Radstand verfügbar. Die 3. Achse sorgt für einen zusätzlichen Radstand von 1350 mm.

6-Zylinder OM 936 LA mit 299 bis 354 PS
Der Econic verfügt über umweltfreundliche und leistungsstarke Euro 6-Motoren, – zum Einsatz kommen hier zwei Sechszylinder aus der Baureihe OM 936 LA mit 220 kW (299 PS) und 260 kW (354 PS) mit einem Hubraum von 7,7 l. Gegenüber dem Vorgänger hat sich der Verbrauch des nun Euro 6-Fahrzeuges um bis zu 4 Prozent vermindert.

Das Sechsgang-Automatikgetriebe des Econics liefert Zulieferer Allison und verfügt über eine neue Eco Software, welche ebenfalls zur hohen Effizienz des Fahrzeuges beiträgt. Die Automatik sorgt selbst bei niedriger Drehzahl für hohe Leistungen. Ein Drehmomentwandler, Überbrückungskupplung, abgestufte Vorwärtsgänge mit Overdrive und Tastenschaltung verbessern dabei die Leistungsübertragung und sorgen für entspanntes, stressfreies fahren.

Stehhöhe im Fahrerhaus von bis zu 193 cm
Die Besonderheit des Econic ist wohl auch das Alu-Space-Cage-Fahrerhaus als innovative Schaltzentrale: das Fahrerhaus ist aus Aluminium-Leichtbau hergestellt und vereint wenig Gewicht mit hoher Sicherheit. Hier gibt es zwei Varianten: Die hohe Variante des Fahrerhauses bietet großen Bewegungsspielraum durch eine seitliche Stehhöhe im Standardfahrerhaus von 193 cm und komfortable Platzverhältnisse für die Mannschaftsmitglieder. Das niedrige Fahrerhaus mit einer seitlichen Stehhöhe von 146 cm eignet sich für innerstädtische Einsätze, wo es Zonen mit geringer Durchfahrtshöhe gibt. Das hohe Fahrerhaus hat dabei eine Außenhöhe von 2.830 mm und 2.280 mm Außenbreite, das niedrige Fahrerhaus eine Höhe von 2.380 mm bei gleicher Breite.

Der Fahrerschwingsitz und die Einzelsitze für bis zu 3 Beifahrer im Innenraum, sowie ein Fahrerhausboden mit direktem Durchstieg ist in diesen Segment hingegen eher selten anzutreffen.

Gegenüber dem Vorgänger wurde der neue Econic im Interieur aufgewertet, die Bedieninstrumente praxisorientierter angeordnet. Die Bedieninstrumente zeigen sich intuitiv gestaltet, das Lenkrad und die Multifunktionstasten sowie die Anordnung der Sitze ebenso. Auch wenn der erste Blick auf das Cockpit ungewohnt scheint, alles liegt in direkter Griffnähe. Eine leistungsstarke Premium-Motorbremse wird mittels rechten Lenkstockhebels beim Fahrer aktiviert. Neu zeigt sich auch das Kombiinstrument, was mittels modernen TFT-Displays die wichtigsten Fahrzeuginfos anzeigen kann.

Fahrtest im Econic 1830L mit NTM-Aufbau
Für einen kurzen Fahrtest haben wir uns den Econic 1830 LL mit Aufbau für Müllentsorgung auswählt. Ungewöhnliche Optik, doch unser Erstkontakt mit dem doch effektiven Fahrzeug. Der zweiachsige Econic 1830 ist dabei mit einer Hecklader-Lösung versehen, die Hüffermann in Kooperation mit dem profilierten Unternehmen Närpes Träamp Metall (NTM) aus Finnland als Aufbau anbietet (Mercedes-Benz bietet parallel u.a. aber auch eine dreiachsige Variante des Econic an, z.B. den 2630 LL mit Hecklader, nur hier lenkt die Hinterachse optional mit). Die neue Generation des Econic ist übrigens komplett „made in Wörth“ – von der Entwicklung bis zur Produktion. Der jeweilige Aufbau wird hingegen von Zulieferern produziert und mit angeboten, Mercedes-Benz liefert ab Werk dafür ein robustes und langlebiges/aufbaufreundliches Chassis mit zentraler Achslastmesseinrichtung.

Mercedes-Benz verspricht beim Econic einen „Low Entry“, d.h. einen bequemen Einstieg in das Fahrzeug für Mitfahrer. Der Fahrer kann wahlweise auch über die Fahrertür einsteigen, was jedoch deutlich unbequemer ist. Eine automatisch schließende Tür ist vom Fahrer bedienbar, jedoch auch von außen zu öffnen und schließt sich bei der Anfahrt des Fahrzeuges selbständig.

Der Einstieg von der rechten Seite ist übrigens nicht vollständig ebenerdig, hier ist noch eine Stufe bis zum ersten Sitzplatz vorhanden. Für den mittleren Sitz bzw. Fahrersitz im Testfahrzeug muss vom rechten Einstieg nochmals eine zusätzliche Stufe überschritten werden.

Die Sitzposition für den Fahrer ist LKW-entsprechend, aber bequem. Im direkten Vergleich zum großen Actros von Mercedes-Benz ist der Econic jedoch noch deutlicher ein LKW. Die Bequemlichkeit im Actros kann der Econic (mit anderen Radstand, Motorisierung und Einsatzzweck) nicht komplett bieten, dafür sorgt das Fahrzeug mit dessen niedrigen Einstieg und die Hebe und Senkfunktion an allen Achsen mittels Luftfederung für den Rücken und Gelenke der Insassen.

Ungeschlagene Übersichtlichkeit, – auch hinter der Schulter
Der Econic punktet desweiteren mit einer guten Sicht durch die seitlichen, großflächigen Fenster -auch hinter der Schulter des Fahrers. Die Hecksicht ist, wäre die Rückfahrkamera am Ende nicht angebracht, jedoch weiterhin LKW-typisch erschwert. Warum man das Kamerasystem nicht während der Vorwärtsfahrt für Engstellen etc. aktivieren kann, ist hier wohl der eventuellen Ablenkung des Fahrers geschuldet. Schade, zumal das Heck ausschwenkt, sodass die Kurven und Kreisverkehre entsprechend angefahren werden müssen. Engstellen mittels Heckkamera absolvieren entfällt vorwärts.

Dank der guten Sicht nach vorne, ganz anders als andere Lastkraftwagen, fährt man den Econic jedoch nach Eingewöhnungszeit von wenigen Minuten problemlos, solange man auch an das längere Heck denkt. Die Sitzposition des Kraftfahrzeugführers ist erheblich niedriger, der Blick nach hinten bleibt hingegen erschwert.

Panoramaverglasung für maximale Sichtwinkel – kurze Radstände
Das Fahrgefühl im Econic bleibt angenehm, das Lenkverhalten direkt. Der Fahrersitz zeigte sich passend und bequem. Direktes Wenden des Fahrzeuges in Kreuzungen ist dabei in 3 Zügen machbar, enge Kreisverkehre sorgten bei uns für keinerlei Probleme, was optisch auch der Panoramaverglasung für maximale Sichtwinkel geschuldet ist – technisch natürlich den kurzen Radständen des Fahrzeuges. Das Spiegelsystem des Fahrzeuges sorgt parallel für eine Erweiterung des Blickwinkel in den Arbeits- und Totwinkelbereich, die Heckkamera sorgt jedoch nur bei der Rückwärtsfahrt einen Blick auf das Heck.

Die Eingewöhnungszeit von 15 Minuten, die wir uns immer für Personenkraftwagen geben, bis man sich an das Fahrzeug und dessen Eigenarten einigermaßen gewöhnt hat, hatte der Econic zwar leicht überschritten – doch aufgrund seines größeren Leergewicht kann man dies auch getrost ignorieren.

Dass man bei einer Automatik den Rückwärtsgang bei der Vorwärtsfahrt automatisch vorwählen kann, der dann beim Anhalten automatisch eingelegt wird, war uns hingegen komplett neu und überraschte uns und überzeugte uns vom Konzept Econic umso stärker.

Bilder: Philipp Deppe / MBpassion.de