Wenn Mercedes-Benz nur einen einzigen „Gleiter“ in der Fahrzeugpalette hätte, – ganz vorne würde wohl der SL Roadster stehen – seit jeher eine Ikone mit Stern. Doch der Roadster hat es im Portfolio aktuell immer schwerer, unabhängig ob er mittels Sechszylinder – Achtzylinder – oder gar Zwölfzylinder Aggregat ausgestattet wird. Von den Neuvorstellungen der Marke wird das Fahrzeug nahezu umzingelt. Wir fuhren den SL Roadster mit 8 Zylindern – und wurden mehr als überrascht.
SL 500 Roadster: die 2-sitzige Legende
Gerade mit dem aktuellen Produktangebot von Mercedes-Benz hat man es dem SL Roadster schwergemacht: teils lockt auf der einen Seite das viersitzige und mehr als exklusive S-Klasse Cabriolet, auf der 2-sitzigen Seite steht aber auch der AMG GT Roadster als reinrassiger Sportwagen aus Affalterbach für Käufer bereit für einen Ausritt. Da scheint ein Kompromiss schwierig, was die Auswahl gar noch schwieriger macht – und den SL gar sinnlos erscheinen lässt.
Der zweisitzige Roadster der Baureihe 231 startet – zumindest in der 6-Zylinder Variante mit 367 PS – bei 99.341,20 Euro, der SL 500 Roadster mit V8-Motor beginnt bei 123.141,20 Euro. Den GT Roadster als Sportwagen gibt es nur mit 8 Zylindern – mit 476 oder wahlweise 557 PS für 129.180,45 Euro bzw. 160.650 Euro.
Beim S Cabriolet startet der S 500 erst bei 140.544,95 Euro. Wir sind uns jedoch sicher, dass man in diesem Segment das Fahrzeug nicht unbedingt beim Preisunterschied auswählt, sondern durch reine Überzeugung am Produkt. Hier eine klare Empfehlung zum Fahrzeugtyp auszusprechen, bleibt schwierig und muss immer individuell für sich selbst getroffen werden. Mercedes zielt hingegen beim SL auf Genießer mit exklusiven Lebensstil, die Wert auf ein Fahrzeug im einzigartigen Design und Performance legen.
Modellpflege des SL Roadsters bereits 2016
In der Modellpflege des SL Roadsters zeigt vor allen der Frontbereich ein neues Design – mit klassischen Proportionen, die bereits im Stand nun mehr als dynamisch und sehr expressiv wirken. Bei der Überarbeitung der Baureihe 231 hat das Modell durchaus an Eleganz und Dynamik gewonnen – auch wenn das Heck leider nahezu unverändert blieb. Die seitlichen Luftauslässe am Fahrzeug wurden vergrößert, am Heck zeigen sich die Leuchten dafür nun in kompletten Rot – zusätzlich zeigt eine AMG Heckschürze mit Diffusor in integrierten Endrohrblenden den nachfolgenden Fahrzeugführern symbolisch die Motorleistung.
Technisch erhielt der SL ein Update seiner Assistenzsysteme sowie das 9G TRONIC Wandler-Automatikgetriebe sowie flache und dynamische Voll-LED Scheinwerfer.
Die Faszination des SLs möchte Mercedes-Benz aber auch durch eine kultivierte Sportlichkeit – durch das ABC-Sportfahrwerk mit Kurvenneigefunktion und großer Bandbreite zwischen Komfort und Agilität sowie spürbare Qualität – aber vor allen durch den Einsatz von erstklassigen Materialien, den Insassen näher bringen. Durch das serienmäßige AMG Styling und steil stehendem Kühlergrill – nach Vorbild des legendären Rennsportwagens 300 SL Panamericana – zeigt der SL parallel auch ein charismatisches Ansehen.
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Fahrzeugtest mit 8 Zylinder:
Von Mercedes-Benz hat uns ein SL 500 Roadster als Tester bereitgestellt – 455 PS, V8 und für uns vorab schon ein luxuriöser Roadster mit Gleitgarantie und durchaus hoher Alltagstauglichkeit. Der Zweisitzer mit Variodach – welches sich im Kofferraum bequem versenken lässt – benötigt dabei gar kein Ziel: der Weg ist es.
Wie kein anderes Fahrzeug zeigt der SL ein sportliches Fahrgefühl, gepaart mit höchstem Komfort und moderner Technik. Obwohl: rein technisch ist der SL zwar nicht auf den aktuellen Stand des Konzerns, wie aktuell z.B. die E-Klasse – doch das muss er (für uns im Grunde) auch nicht zwingend. Abstandswarnung, Lenk-Pilot oder Spurhalte-Assistent und ein aktiver Totwinkel-Assistent ist jedoch verfügbar – und genügt vollkommen. Lediglich die kleinere Navigationsanzeige, – im Gegensatz zu anderen Modellen der Produktpalette von Mercedes – ist anfangs ungewöhnlich. Im Grunde ist es aber genau das, was die Zielgruppe möchte: Fokus auf das Fahren ohne übermäßigen Schnick-Schnack, oder ohne das man das Fahrzeug via Smartphone „von selbst“ in die Garage fahren lässt.
Das aktuelle Modell, welches bereits 2016 das letzte Facelift erhielt (um es an die Designlinie von Gorden Wagener anzugleichen) zeigt mit dessen Diamant-Grill und breiter wirkender Front dabei durchaus kein hässliches Fahrzeug. Der große Grill und die tiefe Schürze geben hierzu zusätzlich ein wenig AMG GT Look. Die Überarbeitung hat dem Fahrzeug – nach unserer Meinung – jedoch parallel eine Art Frische gegeben, die das Fahrzeug dafür zwingend brauchte. Die Front des Fahrzeuges hat bei der Überarbeitung extrem positiv an Optik gewonnen.
Symbiose aus Sportlichkeit und Souveränität
Bereits beim Anlassen des V8-Triebwerks zeigt sich schnell die Kraft des Hubraums von rund 4.7 Litern sowie dessen 455 PS – die der Fahrer aber meist eh nicht abrufen möchte. Könnte zwar – muss er nicht – aber schön, wenn man weiß, dass es da wäre. Doch um genau das geht es hier auch: der SL 500 möchte und ist kein Fahrzeug für Raser oder rein für die linke Spur auf der Autobahn, sondern eher für die, die es genießen, zu wissen, das man durchaus flotter könnte – wenn man möchte. Wenn – doch das ist eher selten. Das Gefühl, ausreichende Leistungsreserven zu besitzen, beruhigt – sodass der Fahrer sich auf das gemütliche Gleiten konzentrieren kann. Und komisch: auch wenn im SL selten jüngere Kundschaft unterwegs ist, der luxuriöse und eher gemütliche Fahrstil stellt sich schnell – meist unabhängig des Alters – gleich ein.
Der SL 500 zeigt dabei die ideale Symbiose aus Sportlichkeit und Souveränität – also genau das, was der SL 400 noch vermissen lässt und den Achtzylinder
unverzichtbar macht. Die große Spreizung zwischen Sportlichkeit und Komfort sowie der Alltagstauglichkeit unterscheidet den SL Roadster klar zum S Klasse Cabriolet oder AMG GT Roadster.
Im Interieur des großen Roadsters von Mercedes-Benz zeigt sich die gewohnte Mischung aus Luxus und Understatement. Inwieweit man dazu das optionale Magic Sky Panoramadach benötigt, bleibt uns zwar unklar – die Pflichtfeatures, wie Navigation, oder der Nackenföhn „Airscarf“ hat unser Tester jedoch schon in der Optionsliste aufgeführt, wie auch die Wischerblätter mit integrierten Reinigungsdüsen – Magic Vision Control. Spielereien, wie ein AIRCAP-System sucht man im Roadster jedoch vergeblich – aufgrund der vorhandenen tiefen Sitzposition bleibt das aber auch nahezu unnötig.
Eher unbemerkt bleiben die Ablagefächer im Fond, die für beide Insassen direkt hinter dem jeweiligen Sitz angebracht sind. Diese Ablagefächer, die mit einer Klappe verschließbar sind, bieten dafür genügend Stauraum für eine Jacke oder Kleinzeug. Platz für eine große Getränkeflasche findet man dafür dazwischen – in eine Position, die unter der Fahrt jetzt eher umständlich erreichbar ist (von der Optik ganz abgesehen…).
Fahrwerk: ideal für die dynamische Spazierfahrt
Der Komfort, welches das optionale Active Body Control mit Verstelldämpfung während der Fahrt bietet, ist hingegen beeindruckend. Erstmals verfügt das Fahrzeug auch über eine „Curve“-Funktion, wobei die einzelnen Federbeine in der Kurve angepasst werden und sich das 1,8 Tonnen-Fahrzeug leicht in die Kurve neigt – bei dynamischer Fahrt durchaus ein Komfortgewinn. Gerade Serpentinen oder einige Landstraßen lassen sich damit mehr als flott durchqueren, ohne unnötig das Bremspedal bedienen zu müssen.
Die verbaute Luftfederung des Roadsters zeigt sich schnell als guter Kompromiss, die per Fahrprogrammauswahl DYNAMIC SELECT Taste selbst im Sport+-Modus noch lange keine Zumutung für die Insassen darstellt. Dazu passen nicht nur die beiden Sitze mit sehr guter Sitzposition und entsprechenden Seitenhalt – sondern auch die hohe Verwindungssteifigkeit der gesamten Karosserie. Die Lenkung zeigte sich mehr als präzise, zusätzlich hat das Fahrzeug ein gutmütiges Kurvenverhalten sowie ein agiles Handling auf der Straße. Eine Wohltat, während der Sitz mit der Massage des Fahrers beschäftigt ist.
Verdeck:
Das Verdeck des SL Roadsters ist bis zu einer Geschwindigkeit von 40 km/h bedienbar – jedoch mit einer kleinen, durchaus störenden Einschränkung: der Fahrer muss dafür kurz anhalten, um den jeweiligen Vorgang starten zu können. Durch die Absenkung des Kofferraumdeckels bleibt das Nummernschild kurz verdeckt und dürfte während der Fahrt so nicht erfolgen. Nervig, wobei wir beim Fahrtest das Verdeck ausschließlich immer im vollständigen Stillstand bedienten – bis zum Funktionsende. Ist das Dach jedoch erstmal im Kofferraum verpackt, hält man dafür eher selten an – weil eben nichts stört. Das sonst eher große Coupé zeigt hier sein wahres Gesicht: als offener Roadster und Fahrmaschine. Der Kofferaum-Innenträger besteht übrigens aus leichtem Carbon-Verbundwerkstoff, welches mit einer Kunststoff-Außenschale verklebt wird.
Durch die tiefe Sitzposition und das automatisch ausfahrende Windschott mit hinteren oben gestellten Seitenscheiben zeigt sich der Roadster bei offener Fahrt – bei frischen Temperaturen um die 12 Grad – noch durchaus offen fahrbar. Oft genügte dazu lediglich eine leichte Jacke – das hätten wir vorab so nicht gedacht. Die restliche Temperaturanpassung erledigt dazu die sehr gut laufende Lüftung.
Störender Wind hält zusätzlich das – auf Wunsch automatisch nach oben klappende – Windschott fern. Störende Luft bleibt so außerhalb – eine Diszplin, welche der SL führend bei Mercedes zu erledigen weiß. Selbst bei leichten Regen braucht man – bei Überlandfahrten und Geschwindigkeiten um die 70-80 km/h – keinesfalls vorzeitig das Dach schließen.
Geschlossen zeigt sich der Roadster als gut gedämmtes Coupé – auch wenn die Optik des Fahrzeugs im geöffneten Zustand durchaus annehmbarer anzusehen ist. Das optionale – und nicht umbedingt preiswerte – Magic Sky Control Glasdach zeigte sich hingegen – für uns – eher nutzlos: wir hatten es meistens nicht richtig wahrgenommen: bei Regen benötigten wir das Glasdach eher weniger, bei schönen Wetter war das Dach grundsätzlich geöffnet – und das Glasdach hier außerhalb der Sicht im Kofferaum verstaut.
Die Kofferraum-Abtrennung passt sich übrigens dazu automatisch an, je nachdem ob das Dach geschlossen ist – oder aktuell im Heck verstaut ist. Beim Öffnen hebt sich die Abdeckung dazu im Kofferraum (345 bis 485 Liter) an, um Gepäck leichter ein bzw. auszuladen. Optisch -, wie auch technisch ein Kunstwerk.
Fahreindruck:
Auch wenn im SL der aufgeladene Dreiliter V6 mit 367 PS wohl oft reichen würde, fehlt der Einstiegsmotorisierung einfach die entspannte Souveränität, die nur ein 8-Zylinder entwickeln kann – vom Klang der zusätzlichen zwei Zylinder ganz abgesehen. Einer der Gründe, warum wir beim Testwagen unbedingt die 8-Zylinder Variante testen wollten.
Der „500er“ mit einer Beschleunigung von 4,3 Sekunden auf 100 – bei 250 km/h elektronisch abgeriegelt – startet dabei tief brabbelnd und läuft daraufhin gemütlich säuselnd und sabbernd in den Leerlauf. Geht man bei der Fahrt kurz vom Gas, wird das Zurückschalten lässig und dezent mit dem Auspuff quittiert.
Die Notwendigkeit, auf die 63er Motorisierung aus Affalterbach umzusteigen, erscheint für uns gänzlich unnötig. Steht man jedoch auf mehr Akustik und noch sportlicheres Auftreten, kann man zum Affalterbacher Modell greifen – die 0,2 Sekunden Zeitersparnis auf die 100 km/h-Marke mit dessen 585 PS ist es für unsere Begriffe jedoch nicht wert. Blickt man auf den Preisaufschlag – bestätigt man schnell unsere Einstellung.
Der Spritverbrauch bleibt übrigens uninteressant. Wird der SL 500 mit 9 Liter angegeben, sind es beim SL 63 9,8 Liter auf 100 km – so zumindest auf dem Papier. In der Realität waren wir schon im SL 500 stand meist eine 12 vor dem Komma, mit ein wenig lockeren Gasfuß waren es schnell 14-15.
Fazit: der Gleiter für 2 Passagiere
Der SL bleibt, was er schon immer war: Ein exklusiver Luxusroadster – und für uns der Beste ohne großartiger Konkurrenz beim Wettbewerb. Ob die klassischen Rundinstrumente und der zentrale Multifunktionsscreen stört, bleibt dabei Geschmackssache.
Auch wenn der Roadster nicht alle autonomen Funktionen, wie aktuell in der E Klasse im Angebot, bietet – das stört wenig und benötigt der große Roadster – und auch dessen Fahrer – einfach nicht. Der SL bietet Fahren ohne die Insassen in die höchste Form der aktuellen Technik zu verwickeln. Und das tut auch gut so.
Höchst bequem und komfortabel gleiten – im luxuriösen Ambiente – ist eben die Paradedisziplin des SL und macht das Fahrzeug somit weiterhin einzigartig im Produktportfolio des Stuttgarter Konzerns – und leider auch auf der Straße.
Die große Spreizung zwischen Sportlichkeit und Komfort sowie der Alltagstauglichkeit unterscheidet den SL Roadster dafür klar – welches Fahrzeug man wählt, bleibt hingegen weiterhin eine individuelle Entscheidung.
Unser Testwagen im Überblick: Mercedes-Benz SL 500 Roadster
- designo hyazinthrot metallic, Leder Exklusiv Nappa porzellan
- Grundpreis: 103.480 Euro zzgl. MwSt, mit Zubehör und MwSt: 150.291,05 Euro
Ausstattungsdetails:
- P17 KEYLESS-GO Komfort-Paket
- U25 Einstiegsleisten mit „Mercedes-Benz“
- 218 Rückfahrkamera
- 23P Fahrassistenz-Paket Plus
- 235 Park-Pilot
- 246 Analoguhr
- 285 Windschott
- 309 Cupholder
- 386 Universal-Telefonie-Paket
- 401 Sitzklimatisierung
- 403 AIRSCARF
- 412 Panorama-Variodach
- 432 Aktiv-Multikontursitz-Paket
- 487 Active Body Control (ABC)
- 500 Außenspiegel elektrisch anklappbar
- 518 Media Interface Kabel Kit
- 537 Digitales Radio DAB
- 572 ISOFIX Kindersitzverankerungen
- 874 MAGIC VISION CONTROL
- 877 Ambientebeleuchtung
- 915 Kraftstoffbehälter mit größerem Volumen
- 950 AMG Line
Bilder: MBpassion.de