Mercedes-Benz hat nun einen entscheidenden Schritt in seiner Vertriebsstrategie umgesetzt und erstmals erste eigene Niederlassungen in Deutschland an externe Partner verkauft. Betroffen sind aktuell unter anderem die Standorte Dortmund und Neu-Ulm. Weitere Standorte stehen jedoch ebenfalls noch auf der Verkaufsliste – ein deutliches Signal für einen grundlegenden Kurswechsel beim Stuttgarter Autobauer.
Konzentration auf das Kerngeschäft
Der Verkauf von Niederlassungen ist Teil der bereits vor Jahren angestoßenen Neuausrichtung des Konzerns. Mercedes-Benz will sich verstärkt auf seine Kernmarke, die Luxusstrategie und den weltweiten Direktvertrieb über digitale Kanäle konzentrieren. Eigene Niederlassungen, die bisher in Eigenregie geführt wurden, gelten im Konzern zunehmend als zu teuer und schwerfällig. Stattdessen sollen starke Handelspartner künftig vor Ort die Präsenz übernehmen – mit dem Versprechen, die Marke Mercedes-Benz auf hohem Niveau weiterzuführen.
„Die neuen Eigentümer wurden sorgfältig ausgewählt. Sie stehen für Kontinuität im Kundenservice, Investitionsbereitschaft und regionale Verankerung“, so versichert ein Sprecher des Unternehmens. Über konkrete Kaufpreise oder den Zeitplan für weitere Verkäufe machte der Konzern erwartungsgemäß keine Angaben.
Kunden sollen kaum Veränderungen spüren
Für Kunden soll sich nach Angaben des Herstellers nur wenig ändern. Fahrzeuge, Serviceleistungen und Garantien bleiben bestehen. Auch die bekannten Standorte und Ansprechpartner sollen erhalten bleiben. Der neue Betreiber agiert künftig als autorisierter Mercedes-Benz-Partner und unterliegt denselben Qualitätsstandards wie eine Konzernniederlassung.
Allerdings äußern manche Beobachter Zweifel, ob die hohen Standards auf Dauer gewahrt bleiben. Der Wechsel von der Konzernstruktur zum freien Handel bringt Spielraum bei Personalpolitik, Serviceangeboten und Preisgestaltung – nicht immer zum Vorteil des Kunden.
Unsicherheit bei Mitarbeitern
Deutlich spürbarer ist der Umbruch für die Mitarbeiter der betroffenen Niederlassungen. In Dortmund und Neu-Ulm arbeiten insgesamt mehrere Hundert Beschäftigte, deren Arbeitsverhältnisse im Zuge des Verkaufs auf den neuen Betreiber übergehen. Zwar betont Mercedes-Benz, dass alle Arbeitsplätze gesichert seien, doch Gewerkschaften und Betriebsräte sehen den Wandel durchaus mit Skepsis.
„Mit dem Eigentümerwechsel ändert sich auch die Unternehmenskultur. Die Mitbestimmung wird häufig geschwächt, Tarifbindung ist nicht mehr selbstverständlich“, so ein IG-Metall-Sprecher. Zudem könnten mittelfristig Umstrukturierungen oder Personalabbau folgen – insbesondere wenn wirtschaftliche Ziele nicht sofort erreicht werden.
Weitere Verkäufe geplant
Die Standorte in Dortmund und Neu-Ulm markieren nur den Anfang. Nach Informationen aus Unternehmenskreisen stehen weitere Niederlassungen – auch in wirtschaftlich starken Regionen – zum Verkauf. Immerhin: Finanzinvestoren, die lediglich an einer Rendite interessiert sind, sind als Käufer ausgeschlossen – die Auswahl der Käufer erfolgt u.a, nach Handelsexpertise und wirtschaftlicher Stärke sowie unternehmerrischer Kompetenz. Mercedes-Benz will sich langfristig vollständig aus dem stationären Eigenvertrieb in Deutschland zurückziehen. Der Konzern konzentriert sich stattdessen auf strategische Steuerung, Digitalisierung des Verkaufsprozesses und den Aufbau direkter Kundenbeziehungen über Onlineplattformen.
Ein Signal an die Branche
Mit diesem Schritt folgt Mercedes-Benz einem internationalen Trend. Viele Autohersteller prüfen derzeit ihre stationären Vertriebsstrukturen. Digitale Direktverkäufe, flexible Mobilitätsangebote und Agenturmodelle setzen das klassische Händlernetz zunehmend unter Druck. „Die Branche befindet sich in einem historischen Umbruch. Hersteller wollen agiler und profitabler werden – das klassische Autohaus wird dadurch zur Auslaufstruktur“, analysiert auch Prof. Ferdinand Dudenhöffer vom CAR-Institut.
Der Verkauf eigener Niederlassungen durch Mercedes-Benz ist ein strategischer Einschnitt mit weitreichenden Folgen. Während sich der Konzern von kostenintensiven Strukturen trennt, geraten Servicequalität, Kundenerlebnis und Arbeitsplatzsicherheit unter Beobachtung. Ob der Plan aufgeht, wird sich erst in den kommenden Jahren zeigen – vor allem, wenn weitere Niederlassungen den Besitzer wechseln.
Symbolbilder: Mercedes-Benz Group AG