Bei der ersten Etappe unseres Roadtrips quer durch Europa fuhren wir mit dem EQE 350+ innerhalb kürzester Zeit auf einer Nachtetappe bis nach Spanien. Dabei war unser Plan relativ einfach: ohne einer genauen Planung in Richtung Lissabon. Also kurzum: Möglichst viele Kilometer innerhalb von weniger Tage – mittels Elektrofahrzeugs ein Versuch, den wohl davor noch keiner durchgeführt hatte. Und eine Tour, die uns nahezu an unsere Grenzen der Belastbarkeit geführt hat.
EQE 350+ – das Reichweitenmodell des EQE
Für unseren Roadtrip hatten wir von Mercedes-Benz einen EQE 350+ zur Verfügung, welcher als Reichweitenmodell und mit relativ kompakten Abmessungen wohl das beste Fortbewegungsmittel für unsere Tour darstellte. Dabei war nicht die Motorleistung der entscheidende Punkt, sondern eher der Spagat zwischen Langstreckentauglichkeit bei möglichst kompakten Abmessungen. Die 4.946 mm lange Businesslimousine ist dabei deutlich kompakter als ein EQS, jedoch ähnlich luxuriös und gleichzeitig komfortabel. Ideale Voraussetzungen also.
Mit einer Reichweite von bis zu 639 km (nach WLTP) ist der EQE der EQS Variante zwar leicht unterlegen und kommt zusätzlich an Schnellladesäulen aufgrund des kleineren Akkus auf eine geringere Ladegeschwindigkeit – mit maximal 170 statt 200 kW, doch beim Rangieren in engen spanischen Ortschaften oder Parkhäuser sind es vor allen die Abmessungen, die uns wichtig waren. Bei einer „Nachladedauer“ von bestenfalls 6 Minuten für 100 km Reichweite muss sich das EQE 350+ Modell aber nicht gegenüber der größeren „S“-Variante verstecken.
Ladeplanung übernimmt das Fahrzeug
Bevor wir uns auf die Reise machten, planten wir die Route und die notwendigen Ladestationen erstmals grob auf dem Papier – wobei wir schnell bemerkten, dass man viele Faktoren gar nicht fix planen kann. Da wir aber viele Eckpunkte nicht genau abschätzen konnten, einigten wir uns schnell auf eines: ein grobes Ziel mit bekanntem Fahrzeug. Den Rest der Planung wollten wir uns aufteilen: während der EQE mit seiner Electric Intelligence Funktion automatisiert die Ladepunkte vorschlagen sollte, wollten wir uns täglich gegen Abend online lediglich um eine spontane Übernachtung kümmern. Teamwork also mal anders, aber gerade hinsichtlich der Ladeplanung glänzt Mercedes mit seinen EQ-Modellen gegenüber der Konkurrenz.
Erster Fahrtag Richtung Spanien
Der erste Fahrtag begann spätabends gegen 22:00 Uhr, wobei wir in Nürnberg das Fahrzeug noch auf knapp 90 % SoC aufladen konnten. Danach fuhren wir über die Autobahn A6 Richtung Heilbronn und Heidelberg. Unsere „Europatour“ hielten wir dabei spontan, d.h. abgesehen von einer groben Zielrichtung hatten wir weder eine genaue Wegstrecke noch feste Hotelübernachtungen oder Ladepunkte eingeplant. Eine Vorgabe machten wir dennoch: nie unter 20 % Restladung an einer geplanten Ladesäule ankommen. Separate Stopps, ohne das Fahrzeug parallel auch zu laden, versuchten wir zusätzlich vollständig zu vermeiden.
Während die Navigation uns eine erste Ladesäule im Bereich von Freiburg einplante, nutzten wir bereits ungeplant vorab die IONITY Ladestation in Neuenstein für einen kurzen abendlichen Kaffee und Toilettengang, um später in Höhe Herbolzheim an der A5 knapp 30 Minuten lang eine Fastned Ladestation zu nutzen – als letzte Ladestation vor dem Grenzübertritt nach Frankreich. Nach 140 km Wegstrecke in Neuenstein die erste Ladesäule anzusteuern, lohnte sich somit kaum – zumal wir in der kurzen Zeit nur knapp 20 kw in den Akku luden. Anders sah es in Herbolzheim nach 350 km aus, wobei der Akku von 21 auf 90 % aufgeladen werden sollte -so zumindest die geplante Vorgabe des MBUX Systems. Hier legen wir sicherheitshalber einen längeren Halt ein und brachen erst bei 93 Prozent Ladestand (SoC) die Ladung manuell ab. Die Ankunft erfolgte aufgrund eines Staus und Straßensperrung auf der A6 bei Ansbach erst gegen 1 Uhr nachts, was unsere flotte Durchfahrt durch Frankreich weiter verzögerte. Ein erster Film verkürzte uns die Wartezeit, zumal bereits erster Regen einsetzte.
Spontane Ladepunktplanung
Den Ladepunkt in Herbolzheim konnten wir mit 21 Prozent (SoC) erreichen und somit den Akku in knapp 40 Minuten auf 93 % aufladen. Das MBUX System errechnete dazu einen Halt von 36 Minuten – für jedoch 21 auf 90 Prozent. Als nächste Ladesäule in Frankreich wurde hier gleich IONITY in Glanon an der A 36 vorgeschlagen, die wir mit 20 % erreichen und bei der wir in 35 Minuten auf 89 % laden sollten. Die Ankunft hier war noch mit 4:19 Uhr angegeben. Sollte.
Unter der Fahrt hatten wir den ersten Kontakt mit dem französischen Mautsystem, wobei unsere mitgeführte Mautbox den Dienst vollständig verweigerte. Nach kurzer spontaner Hektik wurde dann spontan auf Kreditkartenzahlung gewechselt, was trotz Vorbereitung so nicht geplant war. An der nächsten Mautstation hielten wir die Mautbox sicherheitshalber noch aus dem Fenster heraus, um ein Problem mit der Frontscheibe auszuschließen, bevor schnell klar war: die Umstellung auf Kartenzahlung war nicht nur die Beste, sondern die einzige bequeme Alternative für eine bequeme Weiterfahrt.
Spontaner Ladestopp wird berücksichtigt
Als erste Ladesäule in Frankreich fuhren wir -dann entgegen der Ladeplanung des EQE – gegen 4:17 Uhr spontan einen Ladepark von Total Energies in Audelange an – beim Kilometerstand von 610 km. Hier standen mehre 350 kW Lader zur Verfügung, die aufgrund der Uhrzeit eher verlassen wirkten. Der spontane Halt (mit unvorbereitetem Akku) kostete uns knapp 40 Minuten, um von 20 % auf 89 % zu laden.
Verkehrszeichenerkennung bereitete Probleme
Nachts in Frankreich hatten wir ausreichend Zeit, uns die ersten Systeme im Fahrzeug im Detail anzusehen. So funktioniere die DISTRONIC als aktiver Abstandsregelautomatik in Frankreich problemlos, während die Verkehrszeichenerkennung ab und an Probleme machte. Vor allen die Erkennung von Geschwindigkeitsbeschränkungen, die gar nicht vorhanden waren, störte uns bei der durchgängigen Fahrt durch das nächtliche Frankreich. Ein guter Begleiter war hingegen das Digital Light mit einer mehr als guten und angenehmen Ausleuchtung der Straße. Auf die Projektionsfunktion könnten wir jedoch verzichten, zumal uns das System meist nur Baustellen aktiv anzeigte – und die auch erst dann, wenn wir schon einige Meter in dieser zurückgelegt hatten.
Navigationsplanung mit Ladeplanung im Hintergrund
Die Navigation hatte hingegen eher wenig zu tun und hielt sich so meist im Hintergrund. Die wenigen Richtungsänderungen sagte uns das System dazu zuverlässig und vor allen auch rechtzeitig an. Als regelrechtes Glanzstück zeigte sich hingegen die Ladeplanung., die sich spontan anpasste und die notwendigen Ladestopps zuverlässig berechnete. Parallel wurden der Fahrakku automatisch vortemperiert. Ohne der Electric Intelligence des Fahrzeuges – unter Einberechnung von verfügbaren Ladepunkten, Fahrgeschwindigkeit sowie bis hin zu Wetter, wäre unsere Routenplanung viel schwerer und zur Sicherheit mit mehr Ladestopps versehen, als wir es bislang hatten. Eine Zeitersparnis, die man vor allen auf Langstrecke zu schätzen weiß. Eine separate Handyapp wäre hierzu einerseits unpraktisch, noch einfach zu ungenau.
Beim Kilometerstand 789 fuhren wir in Villefranche-sur-Saône den Ladepark des Discounters Lidl an, den unsere Navigation zwar kannte, eine direkte Zufahrt auf das Gelände für uns aber nicht sofort ersichtlich war. Eine hilfreiche Einblendung von Hinweisen, wie man bestimmte Ladestationen im Detail anfahren muss, fehlt bei Mercedes-Benz aktuell jedoch. Zumindest das kann man bei der Konkurrenz noch besser. Gegen 06:30 Uhr war der Supermarkt noch per Schranken abgesperrt und nur via Ticket befahrbar. Wie man das Gelände später wieder verlassen werden konnte, war hierbei nicht sofort ersichtlich. Das Risiko, das Gelände weit vor Geschäftsöffnung zu befahren, gingen wir aber notgedrungen ein. Das Risiko, über eine Stunde festzusitzen, war dabei noch überschaubar.
Was ist der ideale Ladestand bei Ankunft ?
Nach unseren ersten Ladestopps in Frankreich machten wir uns langsam Gedanken, inwieweit wir die verfügbare Akkukapazität überhaupt ausnutzen wollten. Bislang waren wir lediglich im Bereich von 20 % nach unten – und meist nur 80 % SoC „nach oben“ unterwegs und nutzten somit lediglich 60 Prozent der Fahrbatterie. So verschenkten wir viel Reichweite des Fahrzeuges zugunsten unserer Sicherheit, bei Ausfall einer Säule noch eine Alternative anfahren zu können. Sobald wir uns von der Zuverlässigkeit des französischen Ladenetzes überzeugt hatten, wollten wir dies noch optimieren. Nach kurzer Diskussion waren wir uns aber einig: wir belassen das erstmal so und beobachten weiter, auch wenn sich die Einstellung später als Fehler herausstellen sollte. Ohne Zeitdruck störte es aber auch nicht, grob alle 300-400 km einen kurzen Stopp einzulegen.
Die Wegstrecke führte uns Richtung Bordeaux, wobei wir als „Tagesziel“ Donostia – San Sebastián in Spanien anvisierten. Dorthin plante uns MBUX System plötzliche eine Ladesäule in der Ortschaft Naves ein, dessen Logik wir nicht sofort verstanden. Da der dort verfügbare Ladepunkt nur über 50 kW verfügte, machte der Umweg dorthin zuerst wenig Sinn. Später stellte sich heraus, dass wir dies selbst verursacht hatten. Durch die Einstellung, nie unter 20 % SoC am Lader anzukommen, konnten wir den nächsten Schnelllader so rechnerisch nicht erreichen und sollten so rechtzeitig nachladen.
Später konnten wir das Fahrzeug am Schnelllader in IONITY in Périgueux wieder auf die gewohnten 80 % bringen. Das MBUX Navigationssystem plante dabei mit einen Ladestopp von 20 auf 80 Prozent in 26 Minuten. Aufgrund der Mittagszeit konnten wir hierbei aber parallel unsere erste Essenspause einlegen und dabei das Auto komplett vollladen. Nach knapp 1.270 km Wegstrecke seit der Abfahrt in Nürnberg und einen „Ritt durch die Nacht durch Frankreich“.
In Bordeaux machten wir erstmal eine zusätzliche Pause am Hafen, diesmal jedoch nicht für einen Ladevorgang, sondern um einfach ein wenig laufen zu können (und zur Besichtigung der alten U-Boot Bunkeranlagen). Danach ging es weiter über die A 660 Richtung spanische Grenze.
Wetter schlägt um
Einsetzender Regen erschwerte uns die Fahrt später zusätzlich, wobei es teilweise oft direkt in Starkregen überging. Die Diskussion rund um die kommende Routenführung begann, während wir via Mobiltelefon spontan eine Unterkunft buchten. Die erste Etappe hatte jedoch schon einiges aufgezeigt: Elektromobilität und Langstrecke funktioniert – auch außerhalb von Deutschland. Nur das Vertrauen ins Ladenetz in Frankreich – und später Spanien – fehlte uns. Das sollte sich aber später noch ändern. Allein die Routenplanung in Verbindung mit Ladesäulen erfolgte problemlos und vollkommen Stress befreit. Die meist kurzen Ladestopps waren dabei mehr als entspannt, als diese im Nachhinein auf dem Papier aussehen und wurden von uns meist mit einer Kaffeepause kaschiert.
Der EQE mit seiner Luftfederung AIRMATIC fuhr als Business-Limousine dazu bequem, zuverlässig und zeigte sich als gute oder eher erstklassische Wahl. Das Ladenetz der Franzosen zeigte sich ebenso gut ausgebaut, jedoch doch noch mit einiger Luft nach oben. Der Stromverbrauch des EQE 350+ zeigte sich auf der ersten Etappe mit knapp 24 kWh noch leicht erhöht. Zeit, genau diesen Wert zu senken, war aber ebenso noch vorhanden, wie Streckenkilometern im EQE. Zuerst waren wir jedoch froh, problemlos ans Ziel zu kommen und die Mercedes me Charge Ladekarte im Roaming im Ausland auch funktionierte.
Spontane Änderung der Wegstrecke
Mit Blick auf den Wetterbericht war uns bei Ankunft am ersten Ziel in Spanien – nach rund 1.590 km Wegstrecke in einem Stück – jedoch schnell klar: mit Regen entlang der Nordküste wollten wir unseren Roadtrip so nicht fortsetzen. So erfolgte die spontane Umplanung Richtung Süden – für mehr Sonne und Wärme. Neues Tagesziel: von Donostia – San Sebastián über Saragossa weiter Richtung Mittelmeer und Valencia. Also weg von Regen, Wind und Kälte am Atlantik und der geplanten Nordroute nach Lissabon.
Als mögliches nächstes Etappenziel – zum effektiven dritten Fahrtag – legten wir uns auf den Großraum Alicante fest. Unverändert blieb hingegen die Einstellung hinsichtlich der Restreichweite bei Ladestopps – für Spanien wollten wir vorerst die 20 % weiterhin belassen. Die definitiv bessere Entscheidung, auch wenn wir in den Folgetagen dann doch Probleme an einer Ladesäule hatten. Der Hauptteil unseres Roadtrips stand uns erst davor – dazu erst später mehr. Dann wird es auch von den Bildern eindrucksvoller und interessanter, als unserer ersten verregneten Nachtetappe.
Bilder: MBpassion.de / René Funke