Kommt mit Christina Schenck das stille Ende der Luxusstrategie ?

Nach mehr als zwei Jahrzehnten bei Mercedes-Benz verlässt Bettina Fetzer, zuletzt verantwortlich für Markenführung, Kommunikation und Digitales, im Herbst überraschend das Unternehmen. Ihre Nachfolgerin: Christina Schenck, bisher Leiterin Investor Relations und Treasury. Der Konzern rückt damit strategisch von seinem bisherigen Kurs ab – weg von Hochglanz, hin zu Substanz.

Die offizielle Erklärung des Stuttgarter Autobauers für den Personalwechsel spricht von einer einvernehmlichen Trennung von Bettina Fetzer. Doch in Branchenkreisen gilt der Wechsel als überfällige Kurskorrektur. Fetzer hatte mit viel Energie den Wandel der Marke zur globalen Luxusmarke vorangetrieben – medial wirkungsvoll, aber wirtschaftlich zunehmend fragwürdig.

Der Versuch, aus einer Premiummarke ein Luxuslabel zu machen

Mercedes-Benz positionierte sich unter Fetzers Führung bewusst jenseits der klassischen Premiumkonkurrenz. Man wollte in einer Liga mit Luxusmarken wie Hermès oder Cartier spielen – und setzte auf Fashion-Partnerschaften, Inszenierungen bei Designwochen und eine konsequente Emotionalisierung der Kommunikation.

Doch während das Image glänzte, verloren zentrale Baureihen Marktanteile. Vor allem im Bereich Elektromobilität hinkte Mercedes der internationalen Konkurrenz hinterher. Der technologische Vorsprung, einst Markenkern des Unternehmens, geriet zunehmend aus dem Blick.

Influencer-Kampagnen ohne echten Mehrwert

Ein zentraler Kritikpunkt war ebenso der massive Einsatz von Influencern. Mercedes kooperierte mit reichweitenstarken Persönlichkeiten auf TikTok, Instagram und YouTube – meist aus den Bereichen Mode, Musik und Popkultur. Doch der Inhalt der Kampagnen blieb oft oberflächlich.

Die kurzen Videos zeigten meist lediglich Ausschnitte: Leuchten, Bildschirme, Innenraumbilder – ohne erklärenden Kontext. Häufig stand der Influencer  gar selbst im Mittelpunkt, nicht das Fahrzeug. Für potenzielle Käufer boten diese Inhalte kaum einen informativen oder emotionalen Mehrwert.

Technische Details, Fahrleistung, Ladeinfrastruktur, Assistenzsysteme – all das, was ein Mercedes ausmacht, kam selten bis gar nicht vor. Die Influencer präsentierten ein Lifestyle-Accessoire, kein technologisch anspruchsvolles Produkt. Die entscheidende Frage lautet daher: Was wollte man mit dieser Strategie erreichen? Junge Nutzer ohne Kaufkraft? Reichweite ohne Relevanz? Viele in der Branche sehen die Influencer-Offensive heute als PR-Erfolg – aber auch als strategischen Irrweg.

Strategiewechsel mit Finanzprofil

Mit Christina Schenck übernimmt nun erstmals eine Finanzexpertin die Verantwortung für Marketing und Kommunikation. Als langjährige Leiterin von Investor Relations und Treasury bringt sie einen nüchternen, ergebnisorientierten Blick mit – und die klare Erwartungshaltung, dass Kommunikation nicht nur sichtbar, sondern wirksam sein muss.

Ihre Prioritäten sind dazu klar:

  • Die technologische Kompetenz von Mercedes muss wieder stärker in den Vordergrund.
  • Marketing- und Kapitalmarktkommunikation müssen strategisch verzahnt werden.
  • Die digitale Kundenreise vom Konfigurator bis zum Kaufabschluss braucht mehr Klarheit und Effizienz.
  • Und der Umgang mit externen Partnern – etwa dem Agenturmodell „Team X“ – gehört kritisch überprüft.

Substanz statt Selbstdarstellung

Der Abschied von Bettina Fetzer markiert nicht nur einen Personalwechsel, sondern einen tiefgreifenden Wandel in der strategischen Ausrichtung der Marke. Die Ära der glitzernden Bilder und emotionalen Erzählungen hat Mercedes Aufmerksamkeit verschafft – aber keine Antworten auf die zentralen Fragen der automobilen Zukunft geliefert.

Mit Christina Schenck beginnt nun eine neue Phase: nüchterner, technischer, strategischer. Influencer-Kampagnen werden nicht verschwinden, aber neu bewertet werden. Denn eines ist klar: Sichtbarkeit ist kein Selbstzweck – vor allem nicht in einem Markt, der nach Orientierung, Qualität und technischer Exzellenz verlangt.

Bilder: Mercedes-Benz Group AG

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19 Kommentare
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Cornelius
18 Stunden zuvor

Das klingt ja so, als wäre Frau Fetzer Vorstand und Aufsichtsrat in einer Person. Nein, die Strategie eines Unternehmens wird nicht von der Marketing-Chefin entschieden.

Snoubort
Reply to  Cornelius
18 Stunden zuvor

Nein, aber die Neubesetzung ist ggf. eine Zeichen für die geänderte Ausrichtung.

Es ist nun mal so das Fr. Fetzers Kernkompetenzen und ihr Fokus nicht unbedingt beim Produkt lagen.

Sie war die Person die damals auf das Anforderungsprofil gepasst hatte – jetzt hat man aber (endlich!) das Anforderungsprofil korrigiert.

Zuletzt editiert am 18 Stunden zuvor von Snoubort
EQ44fahrer
Reply to  Cornelius
16 Stunden zuvor

Korrekt. Der Fisch stinkt immer vom Kopf her. D. h. Do lange der Oberfisch nicht nicht zurück ins Meer wandert oder auf dem Grill landet, ändert sich bezüglich der Luxusalküren gar nichts.

Der ganze Marketing-Schmuh wurde in den Pitches noch von einigen weiteren Wenigdenkern durchgewunken. Frau Fetzer war und ist nicht alleine für das aktuelle Desaster verantwortlich.

Oläf
Reply to  Cornelius
16 Stunden zuvor

Genau! Wobei das mit der Luxusstrategie auch etwas arg unglücklich kommuniziert wurde! Der Aufschrei war groß und kommt bis heute nicht gut an. Man kann auch einfach die Klappe halten und durch gute Qualität, tolle Technik und ansprechendem Design glänzen…..

Snoubort
18 Stunden zuvor

Jetzt fehlt nur noch dass die Entwicklungsabteilung wieder von einem Entwicklungsingenieur geführt wird.

Zuletzt editiert am 18 Stunden zuvor von Snoubort
Michael Kauf
Reply to  Snoubort
16 Stunden zuvor

War das vielleicht ein LOPEZ 2?
Würde erklären, warum die Fahrzeuge zwar glänzen, aber das dafür oft in der Werkstatt (mit und ohne Rückruf)….

ngfan
17 Stunden zuvor

Also diese wiederholte Kaffeesatzleserei zu einzelnen Personen finde ich arg daneben. Das lockt die üblichen Trolls aus ihren Löchern in die Kommentarspalten, die alles besser wissen wollen und auf persönlicher Ebene dann ihren Frust rauslassen. Da lob ich mir den Konkurrenzblog, der auf sowas weitestgehend verzichtet.

JM13
Reply to  ngfan
10 Stunden zuvor

Dass die Stimmung aber so zum Ausdruck kommt, ist sinnvoll, wenn denn der Konzern sie mitkriegt und sich zu Herzen nimmt.

Snoubort
Reply to  ngfan
9 Stunden zuvor

C‘ommon, die G-Klasse als „fashion statement by itself“ oder „our most fashionable product“….

Baron der Auserwählte
16 Stunden zuvor

Pompöös isch over.

Pano
14 Stunden zuvor

Ab sofort also nur noch Kampagnen, die die technischen Details jedes neuen Modells rauf- und runterbeten. Und im Kleingedruckten seitenweise Hinweise für die Anleger 😉
Grüße
Pano

Ilike
10 Stunden zuvor

Ich habe manchmal den Eindruck, ich bin der Einzige, der die Luxusstrategie unterstützt.

Unabhängig davon:
Solche extravaganten Darstellungen wie im Artikel gezeigt – und die Fahrzeug-Inszenierungen im Hintergrund der Influencer – entfalten ihre Wirkung meist erst mit der Zeit. Das gehört eher in die Kategorie „Soft Power“.

Trotzdem schließe ich mich der Meinung an, dass man beim Thema Luxus besser den Mund gehalten hätte. Viele haben sich dadurch eher veräppelt gefühlt.

Luxus bedeutet für mich weniger Masse, mehr Exklusivität, konsequenten Markenaufbau, höchste Qualität und ein emotionales Kundenerlebnis. Vor allem hätte man den Mitarbeitern klarmachen müssen, was Luxus heißt: Statt in den Werken nur von Shops und Werkstätten zu sprechen, hätte man von „Manufakturen“ reden können oder Ähnliches. Stattdessen wurde vieles so heruntergestuft, dass es sich für niemanden mehr nach einem Luxuskonzern anfühlt. Von sanitären Einrichtungen will ich nun nicht sprechen.

Bei LVMH sieht das sicher anders aus – zumindest in den Boutiquen. Und sei es nur, dass es wie früher zu besonderen Projekten oder Bekenntnissen ein neues Poloshirt für die Mitarbeiter gegeben hätte, um das Ganze greifbarer zu machen.

Uwe
Reply to  Ilike
7 Stunden zuvor

Ich bin gerne bereit, mehr für einen Mercedes zu bezahlen. Ich bin nicht bereit, für Hartplastik, für knarzende und knisternde Innenräume mehr zu bezahlen oder für Akustikglas und Thermotronic das AMG Paket kaufen zu müssen (E 200 mit AMG Line einfach lächerlich meiner Meinung nach). Ich habe mich an den AMG Lines satt gesehen. Entweder AMG, dann AMG.

Ralf
Reply to  Uwe
7 Stunden zuvor

Das stimmt leider. Nappaleder am Lenkrad gibt es bei A bis C auch nur noch mit „AMG Line“…

sik
8 Stunden zuvor

Wenn die Autos wenigstens Luxus wären. Hartplastik bekomme ich billiger auch beim Japaner.

Ravenkranz
Reply to  sik
3 Stunden zuvor

Dann kauf doch den Japaner deines Wunsches, aber höre auf deine Deutungshoheit als Maßstab für alle anderen zu erklären !

Kleiner Wink mit dem Zaunpfahl:
Lese mal den aktuellen Bestseller „Shitbügertum“ von Ulf Porschardt, darin wird die allumfassende Hegemonie deines Milieus exakt so beschrieben und als Shit deklariert !

Sierra Hotel
8 Stunden zuvor

Bevor man sich beim Luxus mit Hermes misst, wäre die Analyse wichtig gewesen, ob Hermes pro Jahr 2 Millionen Taschen pro Jahr verkauft. Bei Hermes sind die Entwicklungskosten für eine Tasche sicher niedriger als für eine Mercedes Baureihe. Insofern bringt eine Konzentration auf wenige Fahrzeuge dann zwar mehr pro Fahrzeug, aber in der Summe eher weniger Ertrag.
Insofern ist die ganze Luxusstrategie auf Sand und chinesische Millionäre gebaut und wird jetzt mit dem Zusammenbruch des chinesischen Marktes abgewickelt. Die erwähnte Personalie ist dabei nur ein kleiner Meilenstein.

Snoubort
Reply to  Sierra Hotel
7 Stunden zuvor

Zu dem Thema hätte ich das hier im Angebot:
https://youtube.com/shorts/1JG2yut4ycc?si=-vYb61Ce-RKo7A47

Ich hätte nichts gegen „costly“ Mercedesse…

yzbenz
1 Stunde zuvor

Die Grundursache ist immer noch Ola