Prof. Dr. Weber setzt auf Koexistenz zwischen effizienten und sauberen Antrieben

Prof. Dr. Thomas Weber, 62, verantwortet seit zwölf Jahren die Konzernforschung der Daimler AG und die Entwicklung von Mercedes-Benz Cars. Damit ist er an entscheidender Stelle am größten technologischen Umbruch beteiligt, den das Automobil in seiner 130-jährigen Geschichte gerade erlebt.

Herr Prof. Dr. Weber, Elektroautos und Hybride gelten als Antrieb der Zukunft. Ist die Ära des Verbrennungsmotors damit endgültig vorbei?

Weber: Das glaube ich nicht, die Optimierung moderner Hightech-Motoren spielt in unserer Roadmap für nachhaltige Mobilität eine entscheidende Rolle. Wir setzen für die Mobilität der Zukunft bewusst nicht auf eine solitäre Antriebsform, sondern auf eine Koexistenz zwischen effizienten und sauberen Benzinern, Dieseln, Plug-in-Hybriden, Batterie und Wasserstoffantrieben – alle genannten Antriebsformen haben ihre Berechtigung und Zukunftschancen.

Abhängig jeweils von den unterschiedlichen Märkten und Kunden?

Wir haben ein einzigartiges Fahrzeugportfolio: Vom Kleinwagen smart bis zum Schwertransport decken wir weltweit alle Mobilitätsanforderungen ab. Da müssen wir ganzheitlich denken und Antriebsformen anbieten, die auf die jeweiligen Kundenbedürfnisse und Fahrzeugtypen genau zugeschnitten sind. Und vergessen Sie bitte nicht: Durch die intensive Weiterentwicklung der Verbrennungsmotoren ist es uns gelungen, den Flottenverbrauch unserer Fahrzeuge im NEFZ innerhalb von 20 Jahren praktisch zu halbieren.

Letztes Jahr hat Mercedes-Benz mit der Premium-Diesel-Motorenfamilie eine völlig neue Aggregatereihe vorgestellt, jetzt zeigen Sie zwei komplett neue Ottomotoren. Allzu häufig ist das in der Autoindustrie nicht mehr, dass die Ingenieure am weißen Blatt neue Motoren entwerfen dürfen, oder?

In der Tat. Wenn unsere Motorenentwickler auf Fachkongressen waren, berichten sie mir manchmal anschließend, dass sie darum von ihren Kollegen durchaus ein wenig beneidet werden (lacht). Aber unsere Leitlinie ist „Das Beste oder nichts“, und dann geht es nicht anders. Wenn Hightech-Motoren ein Teil der Roadmap für nachhaltige Mobilität sind, müssen sie auch konsequent auf die aktuellen und zukünftigen Anforderungen hin konstruiert sein. Nehmen Sie als Beispiel unseren neuen Reihensechszylinder-Ottomotor M 256: Das ist das erste Aggregat, das wir von vornherein konsequent für Elektrifizierung ausgelegt haben.

Mit dem Integrierten Starter-Generator (ISG) und 48-Volt-Bordnetz verschwimmen beim M 256 die Grenzen zwischen Verbrennungsmotor und Hybrid?

Genau, schließlich konkurrieren Hightech-Motor und Elektrifizierung nicht miteinander – im Gegenteil: Für viele Anwendungsfälle sind sie perfekte Partner. Der ISG übernimmt Hybridfunktionen wie Boost oder Rekuperieren und ermöglicht Verbrauchseinsparungen, die bisher der Hochvolt-Hybridtechnologie vorbehalten waren. Und der elektrische Zusatzverdichter sorgt beim M 256 für ein beeindruckendes Anfahrerlebnis und überbrückt die Zeit, bis der große Abgas-Turbolader kraftvoll einsetzt – ein cooles Fahrerlebnis.

Wie kommt es überhaupt, dass bei Mercedes-Benz der Reihensechszylinder jetzt seine Renaissance erlebt, während andere Hersteller ihn offenbar als Auslaufmodell sehen?

Auch hier ist wieder die Elektrifizierung ausschlaggebend. Der Verzicht auf den Riemenantrieb erlaubt eine sehr kompakte Baulänge und die Reihenbauweise schafft gleichzeitig Platz an den Seiten des Motors für wichtige Nebenaggregate. Wenn Sie den neuen Sechszylinder in Aktion erleben, werden Sie sehen – Fahreigenschaften und Verbrauch sprechen für sich.

Downsizing ist also nur eine Möglichkeit und kein Selbstzweck?

Wir sprechen ohnehin lieber von „Rightsizing“, also davon, Motoren auf die Kundenbedürfnisse zuzuschneiden. Statt die Zylinderzahl von vornherein zu beschneiden und damit auf Laufkultur und Leistung zu verzichten, gibt es viel intelligentere Lösungen. Unser neuer V8-Biturbo-Ottomotor M 176 etwa arbeitet mit Zylinderabschaltung. Im Teillastbereich bis 3.600/min ist er ein besonders effizienter Vierzylinder, dann schalten sich binnen Millisekunden und unmerklich für die Insassen die Zylinder 2, 3, 5 und 8 hinzu. Damit wird er zum souverän-kultivierten V8 – ein technologischer Leckerbissen, der seinesgleichen sucht.

Quelle: Daimler AG