Seit über 50 Jahre im Dienste der Sicherheit: die Mercedes-Benz Unfallforschung

Der 29. Januar 1969 ist ein kalter, grauer Wintertag. Im Innenministerium des Landes Baden-Württemberg treffen sich Regierungsbeamte und Polizeikommissare mit Vertretern der damaligen Daimler-Benz AG zu einer mehrstündigen Sitzung.

Auf der Tagesordnung steht ein außergewöhnliches Begehren des Automobilunternehmens: die Bitte um Polizeiunterstützung bei der Rekonstruktion und Analyse von Verkehrsunfällen, an denen Mercedes-Benz Modelle beteiligt sind.

Auf diese Weise wollen die Entwicklungsingenieure Erkenntnisse aus der Unfallpraxis gewinnen und für die weitere Verbesserung der Insassensicherheit nutzen. Erste Erfahrungen auf diesem Gebiet hatte Daimler-Benz bereits zwei Jahre zuvor bei einem sechsmonatigen Pilotversuch gesammelt: Von Januar bis Juni 1967 untersuchten Mitarbeiter des Automobilherstellers in Zusammenarbeit mit der Polizei schwere Verkehrsunfälle, die sich im Landkreis Böblingen und auf der Autobahn 8 ereignet hatten.

Bei der Konferenz im Ministerium will das Unternehmen dieses Forschungsprojekt auf eine breitere und vor allem dauerhafte Basis stellen. Mit Erfolg: Die Leiter der Polizeidienststellen signalisieren erneut Kooperationsbereitschaft. Per Schnellbrief werden sofort die nachgeordneten Behörden informiert und um Unterstützung gebeten. Am 29. April 1969 fällt schließlich der offizielle Startschuss für das Projekt Unfallforschung.

Nachdem weitere Einzelheiten geklärt sind, verfügt das Innenministerium unter dem Aktenzeichen III 5304/126, dass die Polizeidienststellen den Autohersteller künftig telefonisch über Verkehrsunfälle informieren, dass Vertreter des Unternehmens die Unfallakten einsehen und die zuständigen Polizisten zum Unfallhergang befragen dürfen. Begründung: „Das Innenministerium unterstützt die werkseigenen Forschungsarbeiten der Daimler-Benz AG, da sie von allgemeiner Bedeutung für die Verkehrssicherheit sind.“

Unfalldaten auch von GIDAS und CIDAS

Als die Mercedes-Benz Unfallforschung im Frühjahr 1969 mit ihrer systematischen Arbeit beginnt, haben Unfallanalysen in Deutschland noch Seltenheitscharakter. Erst 1970 beschloss der Deutsche Bundestag, bei der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) einen Bereich zu schaffen, der sich als zentrale Stelle mit den wichtigen Aufgaben der Unfallforschung beschäftigt. So wurde ein Studienprojekt entwickelt, das im Jahre 1973 startete und das noch immer läuft. Titel: „Erhebungen am Unfallort“. Heute heißt die Datenbank GIDAS (German In-Depth Accident Study) und liefert jährlich Daten von rund 2.000 Verkehrsunfällen, die sich im Umkreis der Städte Hannover und Dresden ereignen. Sie sind repräsentativ für Deutschland; die Mercedes‑Benz Unfallforschung arbeitet eng mit dem GIDAS-Projekt zusammen. Die Unfallerhebungen und -rekonstruktionen werden von den beiden GIDAS-Forschungsnehmern, der Verkehrsunfallforschung an der TU Dresden (VUFO) und der Unfallforschung der Medizinischen Hochschule Hannover, durchgeführt.

Inzwischen nutzt die Mercedes-Benz Unfallforschung auch Daten von CIDAS (China In-Depth Accident Study), eine der detailliertesten Unfalldatenbanken, die derzeit in China verfügbar sind. CIDAS startete als Projekt des China Automobile Technology and Research Center (CATARC) im Jahr 2011 mit dem Ziel, 500 bis 600 Unfälle pro Jahr zu sammeln und zu analysieren.

Derzeit sind sechs Städte in ganz China beteiligt: Changchun, Peking, Weihai, Ningbo, Chengdu und Foshan. Ziel ist es, alle charakteristischen Straßentypen und wirtschaftlichen Gegebenheiten in China abzudecken. Das CIDAS-Ermittlungsteam, das 24 Stunden am Tag im Schichtdienst arbeitet, begleitet die Verkehrspolizei zum Unfallort, wenn jemand verletzt ist, mindestens ein vierrädriges Fahrzeug beteiligt und die Unfallsituation noch unverändert ist.

Quelle: Daimler AG

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Snoubort
4 Jahre zuvor

Eindeutig ein Feld, in dem man noch viel Geld sparen kann…

Flo
Reply to  Snoubort
4 Jahre zuvor

Warum sollte der Daimler ausgerechnet bei der Forschung sparen?
Gerade Innovationen auf dem Gebiet des Insassenschutzes sind doch ein Aushängeschild Deutscher Automobilhersteller.

Snoubort
Reply to  Flo
4 Jahre zuvor

Naja, die anderen „Aushängeschilder deutscher Automobilhersteller“ wie hochwertige Materialien oder hubraumstarke Motoren werden ja auch Stück für Stück weggespart – genauso wie echte Klassiker wie CLS oder SLK. Wieso also dann bei diesem Thema hier stopp machen?
Offensichtlich ist man doch in Stuttgart der Überzeugung dem Kunden wirklich alles zu einem MB Preis verkaufen zu können – eben auch ganze Renaults – und welcher Kunde weiß schon was man wirklich für das Thema Sicherheit ausgibt? Dann doch lieber etwas Geld in einen schönen Videofilm investieren und irgendwelche youtuber was von „purly safety“ schwadronieren lassen – sollte doch auch reichen….
Es wurde doch schon längst kommuniziert, dass man die Ausgaben für F&E deckelt – obwohl ein ganz neues Feld – in das man investieren will und muss – noch dazukommt.

Helga
Reply to  Snoubort
4 Jahre zuvor

Ich kann @Flo voll zustimmen und sagen, dass mir persönlich die Fahrzeugsicherheit ein wichtiges Kaufkriterium ist.
Ich kann allerdings sachlich nicht nachvollziehen, dass dieser Artikel ( bei dem es auschließlich um die Verbesserung der Sicherheit, auch bei anderen Herstellern geht ) m.E. bewusst zweckentfremdet wird, um andere, eigene persönliche Anliegen loszuwerden.

Snoubort
Reply to  Helga
4 Jahre zuvor

Helge, Du hast ja recht. Ich konnte mir den ironischen ersten Satz angesichts des aktuellen Sparwahns (der sich ja im Großteil der aktuellen News widerspiegelt) nicht verkneifen – mein zweiter Kommentar ist nur entstanden, da ich nicht gedacht hätte, dass die Ironie im ersten nicht ersichtlich ist. Hat tatsächlich nix mit dem (interessanten) Artikel zu tun. Und ja, ich hoffe stark dass Daimler nicht noch bei der Sicherheit zu sparen anfängt..