Die Historie der G-Klasse

Vom 4. bis 9. Februar 1979 hat das G-Modell in Toulon (Frankreich) Weltpremiere. Mercedes-Benz hebt anlässlich der damaligen Presseveranstaltung an der Rennstrecke Circuit Paul Ricard die Werte „kompromisslose Gelände- und Straßentauglichkeit“ sowie „größtmögliche Verwendungsvielfalt“ in der Pressemappe hervor. Und Entwicklungs- sowie Produktionspartner Steyr-Daimler-Puch betont, dass „die Konzeption dieser universellen Baureihe […] neue Maßstäbe auf dem expandierenden Markt geländegängiger leichter Fahrzeuge“ setzt.

Diese Aussagen bringen bereits vor vier Jahrzehnten präzise auf den Punkt, wofür die G-Klasse bis heute unverändert steht. Möglich macht das insbesondere die kontinuierliche Weiterentwicklung des Geländewagens in vielen kleinen und einigen großen Details.

So bleiben das G-Modell und seit 1993 die G-Klasse auf ihrem Weg sich selbst und ihren Schöpfern seit vier Jahrzehnten mit großem Erfolg treu. Die neue Generation der Baureihe 463, die im Januar 2018 Premiere hat, führt diese Stärken weiter in die Zukunft – zusammen mit dem ikonischen Design und den höchsten Ansprüchen an Komfort, Fahrkultur sowie Leistung.

Der Profi

Es sind gleich mehrere Erfolgsgeschichten, welche der G bisher schreibt. Da ist zum Beispiel die Rolle als starkes und vielseitiges Nutzfahrzeug, wofür zunächst insbesondere die Ausführung als Kastenwagen steht. Ebenfalls auf professionelle Anwender zielt das Fahrgestell mit Fahrerhaus ab, das von 1987 an erhältlich ist. Ab 1992 werden die G-Modelle für diesen Kundenkreis der Baureihe 461 zugeordnet. Heute ist dieses Segment in der Baureihe 463 durch die Professional-Typen der G-Klasse abgedeckt. Neben Profis aus so verschiedenen Branchen wie Bergbau und Gärtnerei setzen beispielsweise auch Anwender von Kommunalbetrieben sowie Feuerwehren und Katastrophenschutz auf den vielseitigen Geländewagen.

Der Fokus auf Kompetenz und Exklusivität ist ein anderes Leitmotiv in der Erfolgsgeschichte des G. Dieses Kapitel beginnt schon früh, unter anderem mit Recaro-Einzelsitzen für Fahrer und Beifahrer als Sonderausstattung im Jahr 1981 sowie der serienmäßig aufgewerteten Inneneinrichtung im Jahr 1982. Die Entwicklung legt nach der Premiere der Baureihe 463 im Jahr 1989 deutlich an Dynamik zu. Diese Baureihe rückt den Geländewagen von seinem bisherigen vorherrschenden Nutzwertcharakter ab, der freilich in der Baureihe 460 und ab 1992 in der Baureihe 461 weiterlebt. Die Baureihe 463 bietet beispielsweise mit permanentem Allradantrieb, Anti-Blockier-System (ABS) und erneut aufgewerteter Innenausstattung Merkmale, welche die G-Klasse für viele Nutzer im Alltag noch attraktiver sein lässt. Damit gewinnt sie in den Folgejahren ganz neue Käufer aus dem Kreis der Privatnutzer. Dazu passt, dass das G-Modell dieser Baureihe künftig vom Mercedes-Benz Personenwagenbereich verantwortet wird – zuvor hat der G zu den Nutzfahrzeugen gehört.

Nach und nach erhält das Fahrzeug sogar Luxusattribute. Ein erster Höhepunkt in der Historie kultivierter Leistung auf und abseits der Straße ist der Mercedes-Benz 500 GE V8. Er wird 1993 als exklusive Kleinserie vorgestellt. Ab 1998 ist der G 500 dann das serienmäßige Topmodell der Mercedes-Benz G-Klasse, wie die Geländewagenfamilie seit 1993 heißt. Diese Position übernimmt bereits 1999 der G 55 AMG und begründet den anhaltenden Erfolg der Mercedes-AMG Performance-Fahrzeuge auch in der G-Klasse. Weitere Maßstäbe setzen hier unter anderem der G 55 AMG Kompressor (2004), der G 63 AMG und der G 65 AMG (beide 2012), der G 63 AMG 6×6 (2013) und schließlich der im Februar 2017 präsentierte Mercedes-AMG G 63 der neuen G-Klasse. Auch die hochexklusiven Typen G 500 4×4² (2015) und Mercedes-Maybach G 650 Landaulet (2017) gehören in diese Tradition.

Traditionell führend

Keineswegs selbstverständlich ist, dass G-Modell und G-Klasse in allen Jahrzehnten derart erfolgreich dem Grundkonzept aus dem Jahr 1979 treu bleiben können. Dieses Meisterstück gelingt der Geländewagen-Ikone auf Basis einer Kultur der kontinuierlichen Weiterentwicklung durch Mercedes-Benz. Dazu tragen Veränderungen wie die serienmäßige Servolenkung (zunächst im 280 GE und 300 GD, ab 1987 in allen Typen) und serienmäßige Differenzialsperren (1985) genauso bei wie die Einführung eines geregelten Dreiwege-Katalysators (ab 1986 zunächst als Sonderausstattung beim 230 GE). Insbesondere im Zuge großer Modellpflegemaßnahmen macht die Technik des G wichtige Entwicklungssprünge. So kommt zum Beispiel 1990 die Baureihe 463 mit permanentem Allradantrieb, wobei die Baureihe 460 weiterhin den zuschaltbaren Allradantrieb hat.

Und während starke Motoren mit sechs, acht und zwölf Zylindern über die Jahre das Leistungsspektrum der G-Klasse anwachsen lassen, halten auch Komfort und Sicherheit mit dieser Evolution Schritt. Beispielsweise erhält die G-Klasse ab 2001 serienmäßig eine weltweit einzigartige Kombination leistungsfähigster Fahrdynamik- und Allradsysteme, die aus dem elektronisch gesteuerten Traktionssystem 4ETS, dem Elektronischen Stabilitäts-Programm ESP® und dem Bremsassistenten BAS besteht.

Gemeinsam zum Erfolg

Die Werte, die bei der Präsentation 1979 im Fokus stehen, geben bereits in der Anfang der 1970er-Jahre beginnenden Entwicklungsgeschichte des G wichtige Leitlinien vor. Denn nur, wer das konkrete Produkt klar vor Augen hat, kann es technisch und stilistisch so überzeugend von der ersten Idee bis zur Marktreife führen, wie es beim G-Modell geschieht.

Es ist eine starke Kooperation, die den Erfolg des G-Modells möglich macht: Bereits im Sommer 1969 – also zehn Jahre vor der Premiere der Baureihe 460 – nimmt die damalige Daimler-Benz AG Kontakt zur österreichischen Steyr-Daimler-Puch AG in Graz (SDP) auf, um eine mögliche Zusammenarbeit beider Unternehmen auszuloten. Dabei geht es freilich nicht allein um das G-Modell, sondern um ganz verschiedene Segmente des jeweiligen Produktprogramms – von Personenwagen bis zu Bussen und geländegängigen Nutzfahrzeugen.

Der Name Steyr-Daimler-Puch lässt erahnen, dass es gemeinsame Wurzeln beider Unternehmen gibt. Tatsächlich entsteht SDP Anfang der 1930er-Jahre durch die Fusion der Steyr-Werke mit der Austro Daimler-Puchwerke AG. Die Marke Austro Daimler geht auf das Jahr 1899 zurück, als die Österreichische Daimler-Motoren-Commanditgesellschaft als Vertretung der Cannstatter Daimler-Motoren-Gesellschaft (DMG) gegründet wird. 1902 wird das österreichische Unternehmen von der DMG übernommen und als Tochtergesellschaft weitergeführt. 1909 folgt die Eigenständigkeit als Österreichische Daimler Motoren Aktiengesellschaft, Chefingenieur ist Ferdinand Porsche. Die Fahrzeuge werden unter der Marke Austro Daimler vermarktet. Im April 1913 stößt die DMG ihre letzten Aktien an der ehemaligen Tochtergesellschaft ab. 1928 fusioniert Austro Daimler mit der Österreichischen Flugzeugfabrik und der Puch-Werke AG zur Austro Daimler-Puchwerke AG.

Auf die historische Verbindung der Daimler-Benz AG und der SDP AG geht implizit auch Heinz Schmidt, Vorstandsmitglied der damaligen Daimler-Benz AG, bei der Pressevorstellung des G-Modells 1979 in Toulon ein: Schmidt nennt in seiner Rede Österreich ein „Land, das seinen besonderen Platz in der Geschichte des Hauses Daimler-Benz hat und aus dem Männer kamen, die der Entwicklung von Fahrzeugen mit dem Mercedes-Stern wertvolle Impulse gegeben haben“. Stellvertretend führt er hier Ferdinand Porsche an, „der von 1923 bis Ende 1928 die technische Führung in unserem Hause übernommen hatte“.

In den Gesprächen Anfang der 1970er-Jahre wird auch die Aufnahme des leichten Geländelastwagens Puch Haflinger (ebenso wie der schwerere Puch Pinzgauer nach einer berühmten alpenländischen Pferderasse benannt) in den Mercedes-Benz Vertrieb angedacht: Vielleicht könne der Haflinger die Modellpalette des Unimog-Programms abrunden? Dazu kommt es später doch nicht, stattdessen liegt der Schwerpunkt der Kooperation zunächst im Omnibus-Bereich.

Aber sowohl die Marke Puch als auch die Typenbezeichnung Haflinger werden in der Geschichte des G-Modells noch eine Rolle spielen. Denn als erste Studien bei Steyr-Daimler-Puch für den neuen Geländewagen entstehen, erhält dieses Projekt den Tarnnamen Puch „H II“ – das Kürzel steht für Haflinger II. Und bis 1999 wird ein Teil der Produktion des G-Modells und später der G-Klasse unter dem Markennamen Puch vertrieben.

Vom Schöckl zum Sauberg

Am 15. Juni 1971 macht eine interne Vergleichsfahrt der Geländefahrzeuge Puch Haflinger, Puch Pinzgauer und Mercedes-Benz Unimog auf dem Sauberg bei Gaggenau deutlich, wie groß die gemeinsame Kompetenz in Sachen höchst geländegängiger Nutzfahrzeuge ist. Vorstände beider Unternehmen sind an dem Termin anwesend. Für die SDP-Vertreter ist es besonders spannend zu sehen, wie sich die Puch-Typen hier bewähren. Denn Haflinger und Pinzgauer sind auf dem legendären Schöckl, dem Grazer Hausberg, während ihrer Entwicklung ständig erprobt worden. Später wird der Schöckl auch für jede Baureihe und jede Generation des G zum Maßstab werden. 1971 aber treten Haflinger und Pinzgauer auf der Hausstrecke des Unimog an. Die Fachleute von Mercedes-Benz sind erstaunt, wie gut sich beide Fahrzeuge hier schlagen.

Auch aus wirtschaftsstrategischen Gründen empfiehlt Daimler-Benz Exportvorstand Dr. Rolf Staelin bereits am 22. Juni 1971, die Kontakte zu Steyr-Daimler-Puch auszubauen. Damit könne sich das deutsche Unternehmen langfristig wichtige Produktionskapazitäten sichern, um Nachfragespitzen flexibler abdecken zu können. Beide Partner würden zudem vom Zugang zu den jeweils anderen Märkten profitieren.

Das Projekt Geländewagen

Im Herbst 1971 wird erstmals die Idee konkretisiert, gemeinsam einen Geländewagen zu bauen. Dieser soll extreme Offroad-Eigenschaften mit gutem Fahrverhalten auf der Straße verbinden. Damit wollen die beiden Partner eine Lücke im derzeitigen Angebot von Geländewagen weltweit schließen. Im Rückblick erweist sich diese Entscheidung als besonders weitsichtig. Denn mit der konsequenten Verbindung aus Fahrkomfort und Geländeeigenschaften legt das G-Modell auch den Grundstein für den späteren Erfolg der SUV-Modelle von Mercedes-Benz. In jeder dieser Baureihen stecken bis heute die Gene des G.

Bestätigt wird das Potenzial des G-Modells durch die Auswertung weltweiter Trends hin zu freizeitorientierten Geländefahrzeugen. Auch die Mercedes-Benz Marktforschung kommt bereits am 8. Mai 1972 zu dem Schluss, dass ein solches Fahrzeug gerade nach seiner Markteinführung im zivilen Bereich besonders große Chancen haben wird – also bei privaten Kunden mit entsprechendem Bedarf für Hobby und Freizeit. So entstehen schon früh im Entwicklungsprozess des G Entwürfe für Freizeitfahrzeuge. Sie werden allerdings zunächst nicht umgesetzt.

Die vergleichsweise karge Ausstattung der ersten G-Modelle ab 1979 wird stattdessen einen Fokus auf professionelle Anwender zum Beispiel aus Gewerbe, Kommunen und Rettungsdiensten legen. Sollen also vor allem Zielgruppen wie Bauhöfe und Bergwacht oder Förster und Feuerwehren den „geländegängigen Kombi-Pkw“ kaufen, wie das neue Fahrzeug 1971 in einem internen Papier genannt wird? Nein, so eng begrenzt ist die Vision der Partner aus Deutschland und Österreich für den Markt des Geländewagens nicht. Denn der G findet von Beginn an viele private Kunden.

Die Position zwischen Freizeit- und Nutzfahrzeug entspricht dem Selbstverständnis der Entwickler für den G. So fasst Mercedes-Benz im Januar 1979 – zur Vorbereitung der Präsentation wenige Tage später – den Platz des G-Modells im Modellportfolio der Stuttgarter Marke wie folgt zusammen: Der Geländewagen sei „als eigenständiges Fahrzeug zwischen Pkw und Nfz einzuordnen“. Die „robuste Innenausstattung“ entspreche den Einsatzszenarien, die sich aus der hohen Geländetauglichkeit ergeben.

Die Balance zwischen Offroad-Können und Fahrkomfort auf der Straße soll zudem noch eine dritte Zielgruppe ansprechen: das Militär. Armeen aus aller Welt werden bereits früh im Entwicklungsprozess als potenzielle Abnehmer betrachtet, obwohl das Fahrzeug nicht gezielt für sie konzipiert ist. Das belegen entsprechende Zeichnungen und 1:5-Modelle für ein „Militär-Fahrzeug“ mit kurzem Radstand und Verdeck im Lastenheft aus dem April 1974.

Dieser Genese entsprechend heißt es in der 1975 für den internen Gebrauch publizierten technischen Beschreibung des „Mercedes-Benz Cross Country Car“ über die gemeinsame Entwicklungsarbeit mit SDP: „Das Ziel dieser Entwicklungsarbeit ist es, ein vielseitiges Geländefahrzeug zu entwickeln, das sich für zivile und militärische Verwendung gleichermaßen eignet und das abhängig von der Karosserie eine Nutzlast zwischen 700 und 1.000 Kilogramm hat.“ („The goal of this development is to achieve a cross-country multipurpose vehicle suitable for civil as well as military operation, with a payload of approx 700 to 1000 kg, depending upon the kind of body used.“)

Die Konkretisierung einer G-nialen Idee

Wohl schon im Herbst 1972 fällen die Vorstandsvorsitzenden Dr. Joachim Zahn (Daimler-Benz AG) und Dr. Karl Rabus (Steyr-Daimler-Puch AG) den Grundsatzbeschluss zur gemeinsamen Entwicklung des leichten Geländewagens. Die Leitung des Konstruktionsteams übernimmt Erich Ledwinka, Chefingenieur von Steyr-Daimler-Puch, persönlich. Der Sohn des österreichischen Automobilpioniers Hans Ledwinka ist nach dem Zweiten Weltkrieg von Tatra zu SDP gekommen. Dort hat er von 1950 bis 1976 die Rolle des Chefingenieurs inne. Die Leitung der G-Entwicklung übernimmt im Jahr 1976 Ledwinkas langjähriger Mitarbeiter Dr. Egon Rudolf, seit 1975 Leiter der Sparte Geländewagen des österreichischen Herstellers.

Arthur Mischke, Leiter der Entwicklung Nutzfahrzeuge der damaligen Daimler-Benz AG, beschreibt im Februar 1979 die Art der Kooperation: „Es war selbstverständlich, dass […] alle Möglichkeiten des Hauses Daimler-Benz voll ausgeschöpft wurden, im Konstruktionsbereich, in der Stilistikabteilung, in der Berechnung und in starkem Maße im Versuchsbereich. Steyr-Daimler-Puch steuerte seine Erkenntnisse aus dem Bau von geländegängigen Fahrzeugen bei und hatte, von der Arbeitskapazität her, zum einen insbesondere die konstruktive Bearbeitung der Rohbaukarosserien als einen Aufgabenschwerpunkt, zum anderen die zum Gesamt-Fahrzeug führenden Zusammenbauten. Die Aggregate und deren Umfeld, ausgenommen das Verteilergetriebe, wurden bei Daimler-Benz entwickelt.“

Die überaus erfolgreiche Metamorphose der G-Klasse vom Nutzwert-Alleskönner zu einem charaktervollen Lifestyle-Fahrzeug mit hoher Leistung und exzellenten Geländeeigenschaften sehen die Entwickler Mitte der 1970er-Jahre noch nicht voraus. Es gibt zwar die erwähnten Entwürfe der Puch-Designer für Freizeitfahrzeuge auf Basis des G. Aber als universell einsetzbarer Geländewagen soll das Interieur des kommenden G in der Serienproduktion doch vergleichsweise karg bleiben. Umso umfangreicher ist die technische Ausstattung geplant: serienmäßig zuschaltbarer Allradantrieb, voll wirkende Differenzialsperren (statt Sperrdifferenzialen) und Nebenantrieb. Sowohl der Vielseitigkeit als auch der Robustheit abseits der Straße ist die Auslegung mit Rahmen und Starrachsen mit Schraubenfedern geschuldet.

Während Starrachsen und Schraubenfederung vor allem auf die maximale Geländegängigkeit abzielen, wird die Rahmenbauweise auch mit Blick auf eine große Vielfalt der Karosserieformen gewählt. Dazu sagt Arthur Mischke im Februar 1979: „Die Rahmenbauweise ist eine logische Folge des beabsichtigten Anwendungsspektrums. Sie erlaubt die praktisch unbegrenzte Variation der Aufbauten vom offenen Fahrzeug mit Planenverdeck über den mehrtürigen Wagen mit festem Aufbau bis zum Fahrgestell mit der Möglichkeit verschiedener Sonderaufbauten.“ Zudem hebt Mischke die Korrosionsbeständigkeit der Rahmenkonstruktion bei Einsätzen unter klimatischen Extremen hervor.

Detailentwicklung und Design

Im April 1973 entsteht das erste Holzmodell des „H II“, wie das Entwicklungsprojekt nach wie vor heißt. 1974 nehmen Mercedes-Benz und Puch die detaillierte Entwicklungsarbeit auf und erproben den ersten fahrbereiten Prototypen. Fotografien aus dieser Zeit und auch die Aufnahmen in der 1975 veröffentlichten technischen Beschreibung machen deutlich, wie schnell Designer und Ingenieure zu einem Entwurf gelangen, der dem späteren G bereits sehr nahekommt.

Das endgültige Design des Geländewagens mit seiner klaren Silhouette legt das Mercedes-Benz Design um Bruno Sacco fest. Es ist das erste Projekt dort für den Mercedes-Benz Nutzfahrzeugbereich, denn von diesem wird das Fahrzeug bis zur Einführung der Baureihe 463 geführt. Den Stilisten gelingt es, die großen, glatten Flächen der Karosserie mit den technisch vorgegebenen Parametern in ein harmonisches Verhältnis zu bringen. Dazu gehören die großen Böschungswinkel an Front und Heck sowie das Verhältnis einer vergleichsweise großen Fahrzeughöhe zu der eher schmalen Gesamtbreite von 1.700 Millimetern (abgestimmt auf alpenländische Wege).

Eine eigene Produktionsgesellschaft entsteht

1977 wird die Geländefahrzeug Gesellschaft mbH (GfG) gegründet, welche die Produktion des G übernehmen soll. Daimler-Benz und Steyr-Daimler-Puch sind zu je 50 Prozent an dem Unternehmen beteiligt, dessen Produktionsanlagen im SDP-Werk Graz-Thondorf entstehen. Hier hat man bereits viel Erfahrung mit dem Bau von Geländefahrzeugen und der Kleinserienproduktion spezialisierter Automobile mit hohem Individualisierungsgrad. Diese Kompetenzen kommen später dem Bau des G zugute. Zu Geschäftsführern der GfG werden Dr. Siegfried Sobotta (Daimler-Benz AG) und Dr. Fritz Ehrhart (SDP) berufen. Ehrhart war als Vorstand für Forschung und Kooperationen von SDP seit 1969 maßgeblich an der Verwirklichung des „G“ von Anfang an beteiligt.

Gerfried Zeichen, Vorstandsdirektor von SDP für den Geschäftsbereich Zweirad- und Geländefahrzeuge, sagt zur Entscheidung für Graz-Thondorf im Februar 1979: „Dort waren schon anfangs der 70er-Jahre Kapazitäten für den Geländewagenbau aufgebaut und eine interessante, kostengünstige Kombination einer Kleinserienfertigung für Spezialautos mit der Großserienfertigung einer Zweiradfertigung erreicht worden. Das Grundverständnis für den qualitativ hochwertigen und zuverlässigen Mercedes-Fertigungsstandard war in Graz durch die Leistungen der dort produzierten Geländewagen vom Typ Haflinger und Pinzgauer gegeben.“

In Graz errichtet SDP für den Bau des G-Modells eine neue Fertigungshalle. Die Serienproduktion läuft hier im Februar 1979 an. Die Geländewagen werden auf einem 180 Meter langen Fließband montiert. Insgesamt stehen im Werk für den G die folgenden Flächen zur Verfügung: 1.500 Quadratmeter für den Rahmenbau, 4.500 Quadratmeter für den Karosseriebau, 6.500 Quadratmeter für die Lackiererei und 6.500 Quadratmeter für die Endmontage. Dazu kommen die Bereitstellung der Mercedes-Benz Aggregate und der Versand von Bausätzen für die ckd-Montage („completely knocked down“ – demontierte Fahrzeuge als Bausätze für die Montage in Auslandswerken) mit zusammen 6.800 Quadratmetern Fläche. Insgesamt sollen bis zu 1.000 Mitarbeiter im Zweischichtbetrieb bis zu 10.000 Fahrzeuge jährlich bauen können.

Mercedes-Benz liefert aus verschiedenen Standorten in Deutschland unter anderem Motoren, Achsen und die Lenkung nach Graz. Diese bewährten und verlässlichen Komponenten aus der Großserie tragen mit zum Erfolg des G in Ländern der ganzen Welt bei. So hebt Friedrich Ehn in seiner 1991 erschienenen Chronik der Puch-Automobile hervor: „Die Fahrzeuge fügen sich nahtlos ins Daimler-Benz Pkw- und Nutzfahrzeugprogramm ein. Dies bedeutet, dass eine sehr große Anzahl an Teilen und Aggregaten, teilweise mit spezifischen Adaptionen, aus schon vorhandenen Großserienfertigungen übernommen werden konnte. Dieser Verbund mit dem Pkw- und Transporter-Programm von Daimler-Benz durch die Systemtechnik stellt die gute Ersatzteilversorgung mit weltweitem Service, die vereinfachte Wartung und kostengünstige Reparaturen sicher.“

Auch Großpressteile für die Karosserie entstehen in den Werken der Stuttgarter Marke und werden nach Österreich zugeliefert. Komplett neu entwickelt und bei SDP gebaut wird jedoch das vollsynchronisierte Verteilergetriebe für den Geländewagen. Es entsteht in Leichtbauweise und erlaubt während der Fahrt zwischen Zwei- und Allradantrieb zu wechseln sowie die Gruppenuntersetzung einzulegen. Erst ab 1990 fällt die Wahlmöglichkeit zwischen Zwei- und Allradantrieb in der zum September 1989 präsentierten und im Frühjahr 1990 in den Markt eingeführten Baureihe 463 weg. Denn ab dieser Generation des G-Modells ist die Geländewagen-Ikone serienmäßig mit permanentem Allradantrieb ausgerüstet. In der Baureihe 461 bleibt der zuschaltbare Allradantrieb jedoch erhalten.

Im Juni 1978 lädt die österreichische Bundesregierung zu einem Kongress über die Zukunft der Kraftfahrzeugindustrie des Landes ein. Präsentiert werden bei der hochrangig besetzten Zusammenkunft in der Wiener Hofburg unter anderem auch die Holzmodelle des bereits weit gediehenen G-Modells. Dessen zentrale Innovationen lassen sich jedoch nicht am Holzmodell ablesen, sondern sie verlangen den Blick ins Detail des echten Fahrzeugs, dessen Premiere in wenigen Monaten folgen wird.

Der G startet in die Welt

Nach der Pressevorstellung Anfang Februar 1979 in Toulon folgt die Publikumspremiere des G auf dem Genfer Automobilsalon Anfang März 1979. In diesen Wochen, sagt SDP-Vorstandsdirektor Zeichen, beginne die „Reise eines neuen Autos in die Welt der anspruchsvollen Autofahrer, sowohl im Gebirge, Sand oder Dschungel wie im dichten Verkehrsgewühl überfüllter Großstädte“. Dass der G für alle Herausforderungen gewappnet ist, darin sind sich seine Väter einig. Schließlich hat das neue Fahrzeug in den Monaten vor seiner Premiere rund 1,5 Millionen Testkilometer zurückgelegt: Auf dem legendären Schöckl in Graz, aber auch auf Teststrecken und Straßen in Deutschland, Österreich und Frankreich. Dazu kommen Winterversuche nördlich des Polarkreises und Testfahrten in der Hitze der Sahara.

Frischer Klassiker für die Zukunft

Seit 1979 ist der G immer auf den ersten Blick erkennbar geblieben, und er hat seine Werte in die Zukunft getragen. Kontinuierliche technische Weiterentwicklung sorgt dafür, dass der Klassiker aus den 1970er-Jahren stets frisch und attraktiv bleibt. Der Erfolg dieser Strategie lässt sich im Markt ablesen: 2016 beispielsweise ist die Mercedes-Benz G-Klasse so gefragt wie nie zuvor, insgesamt werden in diesem Jahr 20.000 Fahrzeuge gebaut. Und 2017 läuft der insgesamt 300.000ste G in Graz vom Band.

Im Januar 2018 schreibt Mercedes-Benz diese Erfolgsgeschichte weiter: Auf der North American International Auto Show (NAIAS) in Detroit hat die neue G-Klasse Premiere. Einmal mehr bleibt der G sich und seinen Wurzeln treu, zeigt aber auch wichtige technische Neuerungen für die Zukunft. Dazu gehört das von Mercedes-Benz und Mercedes-AMG gemeinsam entwickelte Fahrwerk mit klassischer Starrachse hinten und Doppelquerlenker-Vorderachse mit Einzelradaufhängung. Was sich nicht ändert, sind die exzellenten Geländeeigenschaften – hier legt die neue G-Klasse sogar in vielen Disziplinen gegenüber ihrem Vorgänger zu.

Bilder: Mercedes-Benz Group AG

 

16 Kommentare
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martin
1 Jahr zuvor

Erst mal vielen Dank an MJ für diesen schönen Bericht und die kleine Zeitreise zu den Kinderschuhen des G -Modells.
Es ist immer wieder schön die Artikel zu lesen, welche von lange vergangenen Zeiten berichten und wie damals Entscheidungen getroffen wurden.

Traurig lässt mich nur zurück, das der heutige G nur noch ein Spielzeug für Leute ist die nicht wissen wohin mit dem Geld und die dessen überragende Geländeeigenschaften niemals nutzen werden, weil sie dieses Auto nur zum Angeben im urbanen Raum missbrauchen.
Und was eine sportliche AMG Linie oder schlimmer noch die Brabus-Verunstaltungen an einem Geländewagen zu suchen haben kann und will ich nie verstehen. Das passt vorne und hinten nicht zusammen.

Aber eines ist heute viel besser als früher: die braune Pest , mit der der G nach einigen Jahren immer kämpfte , hat man dem Modell ab 2018 nun endlich ausgetrieben, hat ja nur knapp 40 Jahre gedauert.

Michael Kauf
Reply to  martin
1 Jahr zuvor

Hallo Martin und das Team!
Ja, guter Bericht es stimmt sicher für 95 Prozent der zivilen Gs,dass sie ein Gelände nur vom Hörensagen kennen. Aber meinee Erachtens wird der G in Wahrheit nur deshalb noch und noch viel länger produziert, weil es das militärische Interesse an diesem Fahrzeuge gibt. Der G ist ja die Basis für eine immer größer werdende Zahl an Sonderfahrzeugen und weltweit gefragt. Gerade dass er nicht fliegen kann
Die AMG und sonstigen Modelle sind nur die Butter aufs Brot, bringen Image und Cash!
Ich glaube auch in 30 Jahren wird es noch Gs geben, egal wie die dann motorisiert sind.
LG

Pano
Reply to  martin
1 Jahr zuvor

Man kann betrauern, daß der G schon lange nicht mehr vom Förster oder von den Feldjägern durchs Gelände geprügelt wird. Dafür ist er weiterhin hochprofitabel und als EQG womöglich auch Zukunftsfähig.
Absurde Versionen wie der G 63 6×6 oder gar der G 650 Maybach-Landaulet wird es vermutlich nicht mehr geben. Dass es eine Neuauflage des 4×4² gibt, ist erstaunlich genug.
Grüße
Pano

Hightechsilber
Reply to  Pano
1 Jahr zuvor

Ich würde genau das Gegenteil vermuten für den EQG:
Nach dem ‚Tank-Turn‘ steckt doch noch so viel Potenzial da drin für wilde Kreationen…
Und mehr Innenraumbreite und mehr Komfortgrundlagen laden doch gerade zu neuen exklusiven Maybach-Ablegern ein… 😉

(Die Army-Versionen in der alten schmalen Variante werden ja meines Wissens nach weiterhin parallel gebaut, nur die sehen wir in unserem Alltag leider (oder auch zum Glück) eher weniger, vielleicht mal im Konvoi auf der Autobahn…

Michael Kauf
Reply to  Hightechsilber
1 Jahr zuvor

Wo ist denn mein Komentar geblieben??

Michael Kauf
Reply to  Markus Jordan
1 Jahr zuvor

Habe ihn gerade gesehen , war offenbar im “ Gelände “ unterwegs!

Phil
Reply to  Markus Jordan
1 Jahr zuvor

Bei mir gehen alle Kommentare vom PC aus sofort durch, vom Smartphone aus dauert es immer.

Zuletzt editiert am 1 Jahr zuvor von Phil
Marc W.
Reply to  Pano
1 Jahr zuvor

Gerade weil das Modell schon so schwer und teuer ist, könnte er auch eine Zukunft mit dem OM654M und Euro7 haben – für die Vernünftigen und Endwirtschaftlichen.

Südhesse
Reply to  martin
1 Jahr zuvor

Ohne die reichen Leute, die sich den G als Spielzeug kaufen, würde es den Wagen doch längst nicht mehr geben. Für die verbliebenen Förster und Almbauern hätte MB den G nicht seit 40 Jahren weiterentwickelt und produziert.

Michael Kauf
Reply to  Südhesse
1 Jahr zuvor

Das ist sicher falsch, es werden weit mehr Militär und Sondermodelle produziert als zivile Fahrzeuge.
Die Marge ist bei beiden Versionen weit höher als bei allen anderen MB Modellen. Vermutlich sogar oft grösser als zB bei Ferrari.

Südhesse
Reply to  Michael Kauf
1 Jahr zuvor

Woher kommen die Zahlen zu den Militärfahrzeugen? Ich kenne da keine offiziellen Angaben zu Stückzahlen.

Und die Weiterentwicklung betrifft ja grade nur die zivile Variante. Mit der Modellpflege 2018 kam ein komplett neuer Rohbau, der Umstieg an der Vorderachse von Starrachse auf Einzelradaufhängung etc. Das alles hat die Militärvariante nicht bekommen, die basiert weiter auf der Konfiguration vom W461.

Michael Kauf
Reply to  Südhesse
1 Jahr zuvor

Hallo,
Genaue Zahlen über die verschiedenen Variante erfährt man m.e. nicht. Weiss vermutlich nur DB.
Man kann die Bestellungen einzelner Staaten nachlesen, etc. Dazu muss man die vielen Entwicklungsmodelle der Hersteller wie Rheinmetall ua. Für die Militärwünsche aller möglichen Länder bedenken. Z.b. hat die Schweiz rund 3000 G gekauft, 6 Rad Modelle für Schweden und Australien, die Liste ist lang! Die neuesten Entwicklungen basieren auf beiden Fahrgestellen.
Daher meine Ansicht, dass der Hauptgrund für die lange Produktion und die Zukunft das militärische Interesse ist. LG

Prockl Bernhard
Reply to  Südhesse
1 Jahr zuvor

Nicht zu vergessen der Militärische Bereich, das hat auch dazu beigetragen das das Auto nach wie vor gebaut wird

Snoubort
Reply to  Südhesse
1 Jahr zuvor

Das ist richtig, aber für mich hat die aktuelle Version ziemlich ihren Reiz bzw. Flair verloren – sie ist halt ein echt gutes und modernes Auto, mit der äußeren Optik eines Klassikers.
Den Reiz der alten G500er, G55er oder G63er – auch als hoch 2er – war ja diese völlig aberwitzige Kombination aus uralter und nutzenorientierter Basis mit bollerndem und viel zu (drehmoment-) starken V8ern, sowie edlem Leder in klassischer MB Innenraumgestaltung.