Die Daimler „Riemenwagen“ von 1895 bis 1899

Im Oktober 1892 mietete Wilhelm Maybach im Auftrag von Gottlieb Daimler den Gartensaal des ehemaligen Hotels Hermann in Cannstatt und setzte dort mit zwölf Arbeitern und fünf Lehrlingen seine Konstruktionsarbeit fort. Maybach entwickelte zunächst den „Phönix“-Motor, der zwei parallel stehende, in einem Block zusammengegossene Zylinder und eine Nockenwelle zur Steuerung der Auslaßventile aufwies. Bereits im September hatte der geniale Konstrukteur die Schwungradkühlung und den Riemenantrieb, die er nach seinem Ausscheiden aus der DMG entwickelt hatte, zum Patent angemeldet.

Maybachs Arbeiten im Hotel Herrmann führten zur Entwicklung des sogenannten „Riemenwagens“, eines kutschenähnlichen Automobils, dessen Motor im Heck angeordnet war und seine Kraft über ein Riemengetriebe auf die Hinterräder übertrug. Neu war auch der ebenfalls von Maybach entwickelte Spritzdüsenvergaser, der Urahn des modernen Vergasers. Der Riemenwagen wurde ab 1895 bei der Daimler-Motoren-Gesellschaft gebaut, nachdem Daimler und Maybach im November 1895 in die DMG zurückgekehrt waren. Verschiedene Ausführungen des „Phönix“-Zweizylindermotors wurden eingebaut: von der 2 PS starken Version mit 750 cm³ Hubraum über Varianten mit 3, 4 und 6 PS bis zum 2,2-Liter-Motor mit 7,5 bis 8 PS. Insgesamt wurden etwa 150 Exemplare des offiziell als „Daimler Motor-Kutsche“ bezeichneten Riemenwagens produziert, davon der Großteil mit 4-PS-Motor.

Obwohl der Riemenwagen, abgesehen von seinem Motor, die Entwicklung der Automobiltechnik nicht entscheidend beeinflußte, hat er dennoch einen festen Platz in der Geschichte: Nicht nur das erste motorisierte Taxi der Welt war ein Daimler Riemenwagen, sondern auch der weltweit erste Motor-Lastwagen, ausgeliefert im Oktober 1896. Emil Jellinek begann seine Beziehung zur DMG ebenfalls mit einem Riemenwagen: Als sein erstes Daimler-Automobil erhielt er im Oktober 1897 einen 6 PS Doppel-Phaeton mit Riemenantrieb.

Ein Riemenwagen war es auch, an dem Daimler und Maybach die elektrische Zündung erprobten, auf die Benz, damals noch Wettbewerber, bei seinen Motoren von Anfang an gesetzt hatte. Im Juli unternahm ein mit Bosch Niederspannungs-Magnetzündung ausgerüsteter 8-PS-Wagen, der von Otto Salzer gefahren wurde, eine fünftägige Erprobungsfahrt durch die österreichischen Alpen. Aufgrund der dabei gewonnenen Erfahrungen kam es bald danach zur Ablösung der für den Daimler-Motorenbau charakteristischen Glührohrzündung.

Bilder: Mercedes-Benz Group AG