Juan Manuel Fangio – ein großartiger Rennfahrer seiner Zeit

Der Renn­fah­rer Juan Manuel Fan­gio ist in den Motor­sport-Jah­ren 1954 und 1955 die Leit­fi­gur von Mer­ce­des-Benz im Wett­be­werb um den Meis­ter­ti­tel der Formel 1. Mit dem Renn­wa­gen W 196 R geht Fan­gio dabei fast eine Sym­bi­ose ein: „Es ist der per­fekte Wagen. Das Gerät, von dem jeder Fah­rer sein Leben lang träumt“, sagt er über den Sil­ber­pfeil.
Ins­ge­samt erringt Fan­gio fünf For­mel-1-Welt­meis­ter­ti­tel auf Fahr­zeu­gen von vier Mar­ken. Seine Bezie­hung zu Mer­ce­des-Benz hat dabei eine beson­dere Qua­li­tät. Denn schon seit 1951 ist er Händ­ler für die Stutt­gar­ter Marke in Argen­ti­ni­en. Und nach sei­nem Kar­ri­e­re­ende wird er 1974 Prä­si­dent der Mer­ce­des-Benz Argentina S.A.
Er stirbt am 17. Juli 1995 in Bue­nos Aires.
Der Große Preis von Frank­reich am 4. Juli 1954 ist das erste Ren­nen, in dem Mer­ce­des-Benz mit den neuen Sil­ber­pfei­len der Bau­reihe W 196 R antritt. Der Renn­sieger in Reims heißt Juan Manuel Fan­gio, Welt­meis­ter von 1951, Vize­welt­meis­ter von 1950 und 1953. Zu die­sem Zeit­punkt ist der Argen­ti­nier bereits 43 Jahre alt und damit älter als viele andere Fah­rer im Feld. Dazu kommt, dass er in der Sai­son 1952 einen schwe­ren Unfall über­stan­den hat.
Doch der Sieg Fangios für Mer­ce­des‑Benz im W 196 R ist kein gran­di­o­ser Schluss­strich unter eine Kar­ri­e­re, son­dern viel­mehr der Beginn einer außer­ge­wöhn­li­chen Erfolgs­ge­schich­te: Bei ins­ge­samt 19 Wett­be­wer­ben der Formel 1 und des Tou­ren­wa­gen-Sports geht Fan­gio 1954 und 1955 für die Stutt­gar­ter Marke an den Start. Zehn die­ser Ren­nen gewinnt er, bei wei­te­ren erzielt er gute Plat­zie­run­gen.

Fan­gio wird am 24. Juni 1911 im argen­ti­ni­schen Land­städt­chen Balcarce als Kind ita­lie­ni­scher Ein­wan­de­rer gebo­ren. Da scheint die Kar­ri­ere als fünf­fa­cher Welt­meis­ter der Formel 1 weit ent­fernt. Doch der Jun­ge, der eine Aus­bil­dung zum Mecha­ni­ker macht, pro­fi­tiert von der Begeis­te­rung sei­ner Lands­leute für den Renn­sport. Früh kommt er mit der loka­len Renn­fah­rer-Szene in Kon­takt, macht eigene Erfah­run­gen am Steuer und lernt, Fahr­zeuge für Renn­ein­sätze umzu­bau­en. 1932 grün­det er eine eigene Auto­mo­bil­werk­statt, sein ers­tes Ren­nen fährt Fan­gio vier Jahre spä­ter mit einem umge­bau­ten Ford-Ta­xi.

Nach dem Zwei­ten Welt­krieg schafft Fan­gio den Sprung von umge­bau­ten Serien-Pkw auf rein­ras­sige Renn­wa­gen und ins inter­na­ti­o­nale Renn­ge­sche­hen. Er wird 1950 Vize-Welt­meis­ter auf Alfa Romeo und gewinnt für die ita­lie­ni­sche Marke 1951 seine erste Welt­meis­ter­schaft. 1951 ent­steht aber auch Fangios enge Bin­dung an Mer­ce­des-Benz, als er in Bue­nos Aires eine Nie­der­las­sung der Stutt­gar­ter Marke eröff­net. Und im Feb­ruar 1951 sitzt er zudem erst­mals am Steuer eines Sil­ber­pfeils: Mer­ce­des-Benz ist mit drei über­ar­bei­te­ten Vor­kriegs-Renn­wa­gen des Typs W 154 zu einem Gast­spiel nach Argen­ti­nien gekom­men. Fan­gio star­tet neben Karl Kling und Her­mann Lang zum „Premio Pre­si­dente de la Nación Juan D. Perón“. Die Sil­ber­pfeile kön­nen auf dem moder­nen Kurs mit sei­nen Schi­ka­nen aber ihre Geschwin­dig­keit nicht voll aus­fah­ren, Fan­gio kommt nur auf den drit­ten Platz.
In der Sai­son 1952, als die Welt­meis­ter­schaft nach der Formel 2 aus­ge­tra­gen wird, hat Fan­gio in Monza einen schwe­ren Unfall. Den Rest des Jah­res erholt er sich von den Fol­gen, vor allem von einer Ver­let­zung der Hals­wir­bel­säu­le. Schon 1953 ist er aber zurück auf der Renn­stre­cke und wird auf Mase­rati Vize-Welt­meis­ter.
1954 steht der inter­na­ti­o­nale Renn­sport unter einem beson­de­ren Stern: Mer­ce­des-Benz kehrt in den Grand-Prix-Renn­sport zurück. Als Kapi­tän des Renn­stalls ver­pflich­tet Renn­lei­ter Alf­red Neu­bauer den argen­ti­ni­schen Spit­zen­pi­lo­ten Fan­gio. Die Stutt­gar­ter haben seit 1953 den Renn­wa­gen W 196 R für die neue Formel 1 ent­wi­ckelt. Er hat einen 257 PS (189 kW) star­ken Rei­hen­acht­zy­lin­dermo­tor mit 2,5 Liter Hub­raum, zwangs­ge­steu­er­ten Ven­ti­len und einer Ben­zin-Di­rekt­ein­sprit­zung. Neben dem Strom­li­ni­en­wa­gen ent­steht auch ein klas­si­scher For­mel-Ren­ner mit frei­ ste­hen­den Rädern. Weil die neuen Sil­ber­pfeile nicht gleich zum Beginn der Sai­son star­ten, fährt Fan­gio noch drei Ren­nen für Mase­ra­ti. Denn die Welt­meis­ter­schaft der Formel 1 wird zu die­ser Zeit aus­schließ­lich für Fah­rer ver­ge­ben. Die Kon­s­t­ruk­teurs-Wer­tung erfolgt erst von der Sai­son 1958 an.

Am 4. Juli 1954 star­tet Fan­gio zum ers­ten Mal für Mer­ce­des‑Benz bei einem Grand Prix: Genau 40 Jahre nach dem Sieg von Mer­ce­des-Pi­lot Chris­tian Lau­ten­schla­ger in Lyon tritt die Stutt­gar­ter Equipe beim Gro­ßen Preis von Frank­reich in Reims an. Fan­gio gewinnt das Ren­nen vor sei­nem Team­kol­le­gen Karl Kling. Der schein­bar mühe­lose Umstieg von Mase­rati auf den W 196 R unter­streicht ein­mal mehr die große Anpas­sungs­fä­hig­keit Fangios: Seit er die har­ten Lang­stre­cken­ren­nen sei­ner Hei­mat gefah­ren ist, ver­mag er aus jedem Fahr­zeug das Beste her­aus­zu­ho­len. Diese vir­tu­ose Impro­vi­sa­tion führt den Argen­ti­nier immer wie­der zum Sieg.
Die Sai­son 1954 wird zum Tri­umph für Mer­ce­des‑Benz und Fan­gio: Nach Frank­reich erringt er auch in Deutsch­land (Nür­burg­ring), der Schweiz (Bremgarten) und Ita­lien (Monza) jeweils den Sieg. Fan­gio wird zum zwei­ten Mal Welt­meis­ter der Formel 1 – mit fast der dop­pel­ten Punkt­zahl auf den Zweit­plat­zier­ten. Ähn­lich domi­nant zeigt sich der Argen­ti­nier 1955: Er gewinnt die Grands Prix von Argen­ti­ni­en, Bel­gi­en, den Nie­der­lan­den und Ita­li­en, in Groß­bri­tan­nien wird er Zwei­ter hin­ter sei­nem Team­kol­le­gen Stirling Moss.

Zu den außer­ge­wöhn­li­chen Leis­tun­gen der Sai­son gehört auch Platz 2 bei der Mille Mig­lia, die Fan­gio auf Mer­ce­des-Benz 300 SLR (W 196 S) allein bestrei­tet. Der Sie­ger Stirling Moss hin­ge­gen ist – wie die meis­ten Fahrer – mit einem Kopi­lo­ten unter­wegs, näm­lich Denis Jenkinson.
Nach­dem sich Mer­ce­des‑Benz mit dem Ende der Sai­son 1955 vor­erst aus dem Renn­sport zurück­zieht, gewinnt Fan­gio zwei wei­tere Welt­meis­ter­ti­tel auf Fer­rari (1956) und Mase­rati (1957). Im Jahr dar­auf been­det der Argen­ti­nier seine Renn­kar­ri­ere im Alter von 47 Jah­ren. 1974 wird er Prä­si­dent der Mer­ce­des-Benz Argen­tina S.A. Bis zu sei­nem Tod im Jahr 1995 hält er den Rekord von fünf Welt­meis­ter­ti­teln der Formel 1, der erst 2003 von Michael Schu­ma­cher gebro­chen wird.
Heute erin­nern unter ande­rem fünf iden­ti­sche, lebens­große Bron­ze­plas­ti­ken an Juan Manuel Fan­gio, die den Aus­nah­me-Renn­fah­rer zusam­men mit dem W 196 R zei­gen. Sie ste­hen vor dem Mer­ce­des-Benz Museum in Stutt­gart, vor der Mer­ce­des-Benz Zen­t­rale in Bue­nos Aires sowie an den Renn­stre­cken Nür­burg­ring und Monza sowie in Mona­co. Zudem betreibt in Balcarce ein Ver­ein unter ande­rem das Museo Fan­gio. Mit zahl­rei­chen Fahr­zeu­gen und wei­te­ren Expo­na­ten ist es der gesam­ten Lebens­ge­schichte des Renn­fah­rers gewid­met.
Juan Manuel Fangio – geboren am 24. Juni 1911 – starb am 17. Juli 1995 in Buenos Aires.

Die Fahr­zeuge

Der W 196 R
Der für die Sai­son 1954 kon­s­t­ru­ierte Formel-1-Renn­wa­gen Mer­ce­des-Benz W 196 R erfüllt alle Bedin­gun­gen der neuen Grand-Prix-For­mel der CSI (Commission Spor­tive Inter­na­ti­o­na­le): Hub­raum 750 Kubik­zen­ti­me­ter mit oder 2500 Kubik­zen­ti­me­ter ohne Kom­pres­sor, belie­bige Zusam­men­set­zung des Treib­stoffs, Renn­dis­tanz 300 Kilo­me­ter, min­des­tens jedoch drei Stun­den.
Zuerst fer­tiggestellt wird die Strom­li­nien-Ver­si­on, weil das Auf­takt­ren­nen in Reims sehr hohe Geschwin­dig­kei­ten zulässt. Danach gibt es noch eine Vari­ante mit frei­ ste­hen­den Rädern. Für die zweite Sai­son 1955 steht die­ser klas­si­sche Grand-Prix-Wa­gen dann auch mit kür­ze­ren Rad­stän­den zur Ver­fü­gung: Neben dem 2350 Mil­li­me­ter lan­gen Wagen aus dem Jahr 1954 gibt es Boli­den mit 2150 Mil­li­me­ter und 2210 Mil­li­me­ter Rad­stand. Die kür­zeste Vari­ante eig­net sich treff­lich für den ver­win­kel­ten Stadt­kurs von Monaco.
Der Git­ter­rohr­rah­men ist leicht und sta­bil, das Fahr­werk mit Dreh­stab-Auf­hän­gung und einer neuen Ein­ge­lenk-Pen­del­achse hin­ten sowie rie­si­gen tur­bo­ge­kühl­ten, zunächst innen mit­tig unter­ge­brach­ten Dup­lex-Trom­mel­brem­sen unkon­ven­ti­o­nell gut. Als Antrieb wird ein Rei­hen­acht­zy­lin­der­mo­tor (2496 Kubik­zen­ti­me­ter Hub­raum) mit direk­ter Ein­sprit­zung und desmodromisch (zwangs­wei­se, ohne Ven­til­fe­dern) gesteu­er­ten Ven­ti­len (1954: 256 PS/188 kWbei 8260/min, 1955: 290 PS/213 kW bei 8500/min) ein­ge­setzt. Das Aggre­gat ist im Win­kel von 53 Grad nach rechts geneigt in das Rah­men­fach­werk ein­ge­baut, um den Schwer­punkt abzu­sen­ken und die Stirn­flä­che zu ver­klei­nern. Die Höchst­ge­schwin­dig­keit liegt bei mehr als 300 km/h.

Der 300 SLR
Der Renn­sport­wa­gen Mer­ce­des-Benz 300 SLR basiert zu einem Teil auf der Tech­nik des erfolg­rei­chen Grand-Prix-Renn­wa­gens, ist aber als Stra­ßen­renn­wa­gen karos­siert. Er sichert der Marke 1955 wich­tige Erfolge und trägt damit sei­nen Teil zum gro­ßen Ruhm bei. Bereits seine interne Bezeich­nung W 196 S ver­weist auf die nahe Ver­wandt­schaft zum zeit­ge­nös­si­schen Grand-Prix-Sil­ber­pfeil.
Beim Motor, mit 2 Mil­li­me­tern mehr Boh­rung und 9,2 Mil­li­me­tern mehr Hub auf 2982 Kubik­zen­ti­me­ter Volu­men gebracht, han­delt es sich um die höchste Aus­bau­stufe des Rei­hen­acht­zy­lin­ders aus dem Formel-1-Ren­ner. Emp­foh­lene Dreh­zahl, Leis­tung und Tank­vo­lu­men wech­seln je nach Cha­rak­ter des anste­hen­den Ren­nens zwi­schen Sprint (wie beim Eifelrennen auf dem Nür­burg­ring über 228,1 Kilo­me­ter) und Mara­thon (wie in Le Mans).
Fast unan­ge­tas­tet wird die Rad­auf­hän­gung des W 196 R über­nom­men, mit dop­pel­ten Quer­len­kern vorne und einer Schwing­achse hin­ten. Der Git­ter­rohr­rah­men des Sport­wa­gens, 60 Kilo­gramm leicht, ist eher dem 300 SL von 1952 ent­lehnt, ein üppi­ges Fach­werk von Röh­ren mit einem Durch­mes­ser von 25 Mil­li­me­tern bei 1 Mil­li­me­ter Wand­stärke vor allem im Bereich der tief ange­sie­del­ten Flan­ken und stär­ke­ren Ver­stre­bun­gen im Umfeld der Auf­hän­gung. Zu den unge­wöhn­li­chen Lösun­gen des 300 SLR gehört eine Luft­bremse im Heck, deren Wir­kung beacht­lich ist. Sie wird in Le Mans und beim Gro­ßen Preis von Schwe­den in Kristianstad ein­ge­setzt.
Der bis zu 310 PS (228 kW) starke Renn­sport­wa­gen erreicht Höchst­ge­schwin­dig­kei­ten jen­seits der 300-km/h-Marke.
Quelle: Daimler AG