1961: Premiere des Mercedes-Benz Cabriolets der Baureihe W 111

Im Herbst 1961 ist Mercedes-Benz wieder einmal der Zeit voraus. Diesmal zwar nur um wenige Monate, doch das verheißungsvolle Signal ist klar: Das nächste Frühjahr kommt bestimmt. Der automobile Zukunftsbote für den Frühling ist das auf der Internationalen Automobil-Ausstellung (IAA, 21. September bis 1. Oktober 1961) in Frankfurt am Main vorgestellte Cabriolet der Oberklassebaureihe W 111, ein direkter Vorgänger der S-Klasse. Neben seinem bis heute beeindruckenden Design und seiner zeitlosen Eleganz sorgt das offene Fahrzeug mit den vier vollwertigen Sitzplätzen durch sein großzügiges Raumangebot für Aufsehen.

Der Grund für die Raumfülle: Das Cabriolet basiert – wie auch das schon im März 1961 auf dem Auto-Salon Genf vorgestellte Coupé – auf der ungekürzten Bodengruppe der „Heckflossen“-Limousine. Die beiden eleganten Zweitürer übernehmen damit auch die Sicherheitskarosserie mit Knautschzonen an Front und Heck sowie gestaltfestem Passagierraum. Coupé und Cabriolet sind von Beginn an in der Baureihe W 111 vorgesehen. Das Ziel von Chefingenieur und Entwicklungsvorstand Prof. Dr. h. c. Fritz Nallinger ist Produktvielfalt über einen längeren Zeitraum hinweg – heute würde man von einer Plattformstrategie sprechen.

Weltweit begehrte Klassiker

Mit der ruhigen Eleganz des Designs von Coupé und Cabriolet ist der Marke ein ganz großer Wurf gelungen. Beide gehören bis heute zu den schönsten Mercedes-Benz Fahrzeugen und zählen weltweit zu den begehrtesten Klassikern. Die Gestaltung erweist sich als so perfekt zeitlos, dass Coupé und Cabriolet elf Jahre lang gebaut werden. Zudem beeinflussen sie das Design der ab 1965 gebauten Oberklasselimousinen der Baureihen W 108/W 109 nachhaltig und werden sogar parallel zu diesen bis 1971 gefertigt.

Die Stilistik der zweitürigen Varianten ist Gegenstand vieler Diskussionen im Vorstand und bei den Gestaltern. Überlegt wird beispielsweise ein SL-Gesicht, um die Sportlichkeit zu betonen, doch das wird zugunsten der klassischen Ausführung mit Mercedes-Stern auf dem Kühlergrill verworfen. Die Kühlermaske sowie die vorderen Leuchteinheiten werden die einzigen Teile sein, die von der Limousine übernommen werden.

Völlig neu zeigt sich das Heck: Die „Peilstege“, wie die dezenten Finnen der Limousine offiziell heißen, sind an Coupé und Cabriolet deutlich abgerundet und lediglich im Ansatz erkennbar. Paul Bracq zeichnet für den Entwurf verantwortlich. Die zweitürigen Varianten sind sichtlich niedriger als die Limousine, im Fall des Coupés um 65 Millimeter und des Cabriolets um 50 Millimeter. In der Länge sind sie nahezu identisch, und daher ist ihr Kofferraum fast genauso groß wie bei der Limousine, was auch sie zu idealen Reisefahrzeugen macht.

Um die Großserienproduktion nicht zu behindern, entstehen die Coupés und Cabriolets in Sindelfingen abseits der normalen Serienproduktion in der Abteilung Sonderwagenbau in Bau 32. Viele Arbeitsschritte geschehen in Handarbeit. Das, der exklusive Charakter sowie das gehobene Ausstattungsniveau schlagen sich im Preis nieder: Das 220 SE Coupé steht bei seiner Premiere im Jahr 1961 mit 23.500 DM in der Preisliste und das entsprechende Cabriolet mit 25.500 DM. Zum Vergleich: Die „Heckflossen“-Limousine 220 SE kostet 14.950 DM.

Herausragende Ästhetik innen wie außen

Für den stattlichen Preis bekommt der Kunde aber auch ein außergewöhnliches Fahrzeug – ob als Coupé oder Cabriolet. Die herausragende Ästhetik des Äußeren setzt sich im Interieur fort. Ein Highlight ist das Gehäuse des Kombiinstruments: Es besteht aus einem einzigen Holzwerkstück von komplizierter und wölbungsreicher Form, das mit Edelholz unter Vakuum so sauber furniert wird, dass keine Fugen und Kanten zu sehen sind. Lederausstattung und die als sportlich geltende Mittelschaltung (die Limousine hat eine Lenkradschaltung) sind serienmäßig. Optional zum manuellen Vierganggetriebe ist ab 1963 auch ein Automatikgetriebe mit hydraulischer Kupplung und Viergangplanetengetriebe erhältlich. Unter der Motorhaube arbeitet der aus der Limousine bekannte 2,2-Liter-Sechszylindermotor M 127 mit 88 kW (120 PS). Als erste Fahrzeuge von Mercedes-Benz erhalten die Zweitürer vorne serienmäßig Scheibenbremsen. 220 SE Coupé und Cabriolet werden bis Oktober 1965 gebaut und vom 250 SE Coupé/Cabriolet (M 129, 110 kW/150 PS) abgelöst.

Bereits im Frühjahr 1962 erweitert Mercedes-Benz das Modellangebot um das 300 SE Coupé/Cabriolet, das der Baureihe W 112 zugeordnet ist. Äußerlich heben sich diese Typen durch Chromleisten in der seitlichen Längssicke des Aufbaus und an den Radausschnitten ab. Erheblicher ist dagegen die Steigerung der „inneren Werte“: 3-Liter-Sechszylindermotor M 189 mit 118 kW (160 PS) und Aluminiumblock, Viergangautomatikgetriebe, Luftfederung, Scheibenbremsen an allen vier Rädern sowie Servolenkung zeichnen die Serienausstattung aus. Dafür werden aber auch fast 10.000 DM mehr fällig: Das 300 SE Coupé kostet 32.750 DM und das Cabriolet 34.750 DM. Damit sind sie die teuersten Fahrzeuge im Modellprogramm. Ab Januar 1968 werden die Zweitürer mit dem 2,8-Liter-Sechszylindermotor M 130 und 118 kW (160 PS) als 280 SE Coupé/Cabriolet angeboten. Ab September 1969 wird die Getriebeauswahl um ein Fünfgangschaltgetriebe erweitert.

Im November 1969 erleben Coupé und Cabriolet gegen Ende ihrer Laufzeit noch einmal eine Aufwertung. Topmotorisierung wird der neue 3,5-Liter-V8-Motor M 116 mit 162 kW (200 PS). Erkennbar ist das Kraftpaket an einer exklusiv für diese Motorisierung gestalteten niedrigeren Motorhaube mit breiterem Kühlergrill. Die Fahrleistungen begeistern. So schreibt etwa „auto motor und sport“ in Ausgabe 5/1970: „Das zivile und etwas altväterliche Coupé erwies sich mit diesem Motor als eine wahre Bombe: Es beschleunigte von 0 auf 100 km/h in 8,9 Sekunden und kam auf eine Spitze von 215 km/h.“

Die Produktionszeit der Coupés und Cabriolets der Baureihen W 111 und W 112 endet im Juli 1971. Vom Coupé werden insgesamt 28.918 Fahrzeuge gefertigt. Hinzu kommen 7.013 Cabriolets. Ihre Noblesse bewahren sich diese Fahrzeuge bis heute: Wer einen dieser exklusiven Zweitürer besitzt, kann sich glücklich schätzen.

Bilder/Quelle: Daimler AG

7 Kommentare
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Benzfahrer
2 Jahre zuvor

Ein Träumchen! 😉

Benzfahrer
Reply to  Benzfahrer
2 Jahre zuvor

Der wird für mich wohl immer ein Träumchen bleiben.
1. Weil der Platz zum Unterstellen fehlt und
2. Weil der Preis doch etwas hoch ist

Aber ich freue mich immer, wenn ich so einen sehe. 😉

Langstrecke
Reply to  Benzfahrer
2 Jahre zuvor

Wer 300.000 Euro (oder mehr) für solch einen Traumwagen ausgibt, wird wohl auch kein Problem haben die Kosten für die Beseitigung der Probleme mit der Luftfederung zu bezahlen.
Wir reden hier doch nicht von einem billig geschossene S-Klasse im gerade 5-stelligen Bereich.

Phil
2 Jahre zuvor

Es war mir gar nicht bekannt, dass seinerzeit ein Zentralstern in der Diskussion war. Gott sei Dank hat man es dabei belassen.
Vielen Dank für solche Beiträge als willkommene Rückblende!

Marc W.
2 Jahre zuvor

Muss damals eine aufregende Stilistik-Zeit gewesen sein. Diese Traumwagen lassen an ein Derivat der „neuen Klasse 108/109“ denken – dabei kam diese „S-Klasse“ erst 1965 (und hatte andere Heckleuchten!).
Die Pagode von 1963 dagegen hat formal (real ?) die gleichen Heckleuchten.
Man sollte also heute auch nicht zu böse darüber sein, wenn A-Limo und E-Limo ähnliche Hecks haben 😉

Wolfgang
2 Jahre zuvor

Damals wie heute Mercedes baut die prächtigsten Autos der Welt. Danke für die schönen Fotos.

HAWKiS63
2 Jahre zuvor

Danke fur das Report uber ein Klassiker!

Fahre jetzt die „nachfolger“ (A217) und mochte gern wissen wieviel von die A217 (und C217) jetzt gebaut sind (pre-mopf von 2015-2017, und mopf von 2018-2020), ist dass bekannt?

Schade dass es im kurzen kein nachfolger gibt, oder der neue AMG SL soll dass bringen.