Mercedes-Benz O 10000 von 1938 diente als mobiles Postamt

Als mobiles österreichisches Postamt nutzte die Österreichische Post den Mercedes-Benz Omnibus O 10000 aus dem Jahr 1938. Dabei wurde der Fernverkehrsreisebus zuerst vier Jahrzehnte als Fernbus genutzt, um später als Paketwagen und als mobiles Postamt bis Ende der 1970er Jahre unter anderem bei Festivals zu Gast zu sein. Nun steht das Fahrzeug bereits seit Jahren im Museum in Stuttgart.

Omnibus mit Briefeinwurfschlitz

Ein Briefeinwurfschlitz mit glanzpolierter Metallklappe, Kundenschalter für den Briefmarkenkauf oder Paketversand – und auch die Möglichkeit zur Aufgabe von Telegrammen: In diesem Mercedes-Benz Omnibus O 10000 geht bis in die 1970er-Jahre im Wortsinn die Post ab. Gebaut wurde er 1938 ursprünglich als Fernverkehrsbus. In der zweiten Folgenutzung als mobiles Postamt ermöglichen zahlreiche individuelle Lösungen, den kompletten Service des staatlichen österreichischen Brief- und Kommunikationsdienstleisters an einem Ort temporär anzubieten.

Genutzt wird das repräsentative Fahrzeug mit dem mächtigen Kühler und drei Achsen zum Beispiel bei Kulturveranstaltungen wie den Salzburger Festspielen. Mit feinem Lack und schimmerndem Wappen wird es hier fast selbst ein wenig zum Darsteller. Weniger glamourös ist die Verwendung als Behelfspostamt an banaleren Standorten. Heute ist der O 10000 im Mercedes-Benz Museum zu erleben, im Raum Collection 2: Galerie der Lasten.

Produktion im Werk Gaggenau und Sindelfingen!

Der O 10000 ist der größte Omnibus, den Mercedes-Benz in den 1930er-Jahren baut. Auf der Internationalen Automobil- und Motorrad-Ausstellung in Berlin (IAMA) vom 15. Februar bis 1. März 1936 präsentiert Mercedes-Benz sein Fahrgestell. Stahlaufbauten – auch in Leichtbauweise – als Stadt- oder Fernverkehrsomnibus liefern die Mercedes-Benz Werke Gaggenau und Sindelfingen.

In Deutschland und Österreich werden die bis zu 65 km/h schnellen und rund 14 Meter langen Busse auch von der Post im Linienfernverkehr eingesetzt – als sogenannte „Kraftpost“. Nach dem Zweiten Weltkrieg baut die Österreichische Post den Bus erstmals um. Der O 10000 verkehrt nun als Paketwagen auf der Strecke zwischen Wien und Salzburg. Ein erneuter Umbau, vermutlich in den 1960er-Jahren, lässt schließlich das mobile Postamt entstehen. Es öffnet bis Ende der 1970er-Jahre immer wieder an verschiedenen Orten seine Schalter. So wird der Omnibus in vier Jahrzehnten sehr nachhaltig weitergenutzt und für drei verschiedene Funktionen verwendet.

Damals für Ferngespräche genutzt

Schnell zu Hause anrufen und vom Opernerlebnis oder der diesjährigen Aufführung des „Jedermann“ in Salzburg schwärmen? Heute zückt man dafür einfach das Smartphone. Vor 50 Jahren ist mobiles Telefonieren im Alltag hingegen noch eine Zukunftsvision. Da kommt ein Service des mobilen Postamts gerade recht: Es bietet drei „Fernsprechzellen“. Ihre Kabinen liegen auf der linken Seite des Busses hinter massiv wirkenden, bündig in die Karosserie integrierten Türen. In den nüchternen Kammern steht je ein schwarzes Wählscheibentelefon auf einem an der Wand verschraubten Tischchen. Die Anschlusskabel der Fernsprechapparate verschwinden in der Wand. Besonders relevant für Standorte mit weltweiter Ausstrahlung könnte damals die Kabine mit der Nummer 3 sein: In ihr können laut Beschriftung der mattierten Glasscheibe internationale Ferngespräche geführt werden.

Für die Nachnutzung als Paketauto und später als Postamt auf Rädern eignet sich der O 10000 wegen seiner großzügigen Dimensionen. Als Bus bietet er Ende der 1930er-Jahre Raum für bis zu 60 Passagiere. Groß ist auch sein Motor. Der Sechszylinder-Dieselmotor OM 57 liefert 110 kW (150 PS) aus mächtigen 11.197 Kubikzentimetern Hubraum. Das Aggregat befindet sich unter der lang gestreckten Haube des Fahrzeugs. Auf der vorderen Stoßstange stehen zwei Peilstege mit runden Rückspiegeln. Sie erleichtern das Rangieren des schweren und langen Omnibusses – wichtig zum Beispiel bei engen Aufstellplätzen während Großveranstaltungen.

 

Auffallend ist die unterschiedliche Position der hoch liegenden Fenster der Telefonkabinen und der deutlich niedriger angeordneten Postschalter. Diese sind für die vermutlich auf einem Podest stehenden Postkunden so bequemer zu erreichen. Das macht ein Kniff beim Innenausbau möglich: Die Beamten, die Briefe, Telegramme und Pakete annehmen, sitzen nicht auf klassischen Büromöbeln. Stattdessen sind Stuhlsitze verschiebbar auf dem Boden des Innenraums befestigt, davor gibt es Vertiefungen für die Beine. Klug gelöst ist auch das Angebot einer Schreibmöglichkeit für die Kundschaft: An einer Seitenwand lässt sich dafür ein Pult nach außen klappen. Besonders komfortabel ist die integrierte Beleuchtung mit drei kleinen Lampen.

Ordnung im Bus

Eingehende Postsendungen werden offensichtlich sofort vorsortiert. Daran erinnert ein Regal im Innenraum mit den entsprechenden Fächern. Für den weiteren Transport stehen Postsäcke bereit. Sie werden mit Klammern an einer Stange befestigt und mit Postsendungen befüllt. Nach klaren Regeln verstaut sind auch Hilfsmittel wie Schneeketten, Werkzeug und Feuerlöscher.

Für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an Bord gibt es unter anderem einen Kühlschrank und ein Handwaschbecken. Eine Klimaanlage hat das Postamt nicht. Frischluft wird aber während des Betriebs bei warmem Wetter durch eine Gittertür am Heck zugeführt. So ist das Postamt zugleich vor unbefugtem Zutritt geschützt.

Lackierung in Kaiserlichen Farben

Auf die europäische Postgeschichte verweist die Lackierung des O 10000 in Gelb und Schwarz – es sind kaiserliche Farben. Im späten 15. Jahrhundert verleiht sie der Habsburger Maximilian I. an das Haus Thurn und Taxis als Hoheitszeichen. Denn die Adelsfamilie sollte die Postbeförderung im Reich übernehmen. 1615 werden sie zu kaiserlichen Generalpostmeistern ernannt. Bis heute tragen Postfahrzeuge in verschiedenen europäischen Ländern eine Lackierung in Gelbtönen – und oft einen Mercedes-Stern an der Front.

Bilder: Mercedes-Benz Group AG