Produktions-Ökosystem MO360 vernetzt Fertigung in Echtzeit

Mercedes-Benz Cars Operations 360 (MO360) macht die komplexe Fahrzeugproduktion vollkommen transparent und maximal effizient. Das neue digitale Ökosystem umfasst eine Familie von Softwareapplikationen, die durch gemeinsame Schnittstellen und einheitliche Benutzeroberflächen verbunden sind und mit Echtzeitdaten die weltweite Fahrzeugproduktion von Mercedes-Benz Cars unterstützen.

Weite Teile von MO360 sind in den mehr als 30 Werken auf der ganzen Welt bereits im Einsatz. Die vernetzten Werke liefern Daten, auf die die Applikationen von MO360 zugreifen. Weitere Applikationen zur digitalen Unterstützung der Beschäftigten in der Produktion bei Mercedes-Benz Cars werden sukzessive in MO360 integriert. MO360 vereint Effizienz- und Qualitätswerkzeuge zu einer funktionalen Einheit für maximale Transparenz in einer hochdigitalisierten Automobilproduktion. In der neuen Factory 56 in Sindelfingen kommt das digitale Ökosystem erstmals vollständig zur Anwendung. Sie dient damit als Blaupause für alle Werke im gesamten Produktionsnetzwerk von Mercedes-Benz Cars.

Mit MO360 setzt Mercedes-Benz Meilensteine bei der digitalen Produktion. Das neue Ökosystem macht die Fertigung noch transparenter, verschlankt Abläufe und ermöglicht die nahtlose Vernetzung von bisher getrennten Prozessen, um diese in ihrer Gesamtheit noch effizienter zu gestalten“, sagt Jörg Burzer, Mitglied des Vorstandes der Mercedes-Benz AG, verantwortlich für Produktion und Supply Chain Management. Mit MO360 nutzt der Automobilhersteller modernste Big-Data-Analysen und setzt auch Methoden der künstlichen Intelligenz in der Produktion ein. „Durch die verbesserten Abläufe, flächendeckende Datenverfügbarkeit und schnelle Entscheidungen auf Basis von Echtzeitdaten werden wir bis 2022 die Effizienz in der Produktion um mehr als 15 Prozent steigern. Wir sorgen für die vollständige digitale Unterstützung jedes Produktionsmitarbeiters“, so Burzer weiter.

MO360 integriert die Informationen aus den wichtigsten Produktionsprozessen und IT-Systemen der mehr als 30 Mercedes-Benz Pkw-Werke weltweit und vereint wichtige Softwareapplikationen. Es optimiert beispielsweise erheblich die auf Kennzahlen basierende Produktionssteuerung. Zum anderen stellt es in Echtzeit jedem Mitarbeiter individuelle und bedarfsgerechte Informationen und Arbeitsanweisungen bereit. Voraussetzung für die Transparenz aller Fertigungsprozesse und das Anlagen-Monitoring sowie den Zugriff in Echtzeit ist, dass alle Elemente im System die gleiche Sprache sprechen. Mercedes-Benz stellt dies durch die durchgängige, weltweite Nutzung der Steuerungssoftware „Integra“ sicher: von der Sensorebene an einzelnen Maschinen bis hin zur Produktionsleitung und ebenso in der Zusammenarbeit mit allen Lieferanten und Systempartnern. Modernste Cloud-Lösungen bringen Skalierbarkeit und ermöglichen eine weitreichende Big-Data-Verarbeitung. Das alles macht MO360 zum zentralen Ökosystem von Mercedes-Benz Cars Operations. Damit ist es zugleich der neue Maßstab für die hochdigitalisierte Automobilproduktion.

In der Summe seiner Eigenschaften spiegelt MO360 den Anspruch von Mercedes-Benz Cars Operations wider, mit herausragenden Produktionsmethoden exzellente Produkte herzustellen. Das Ökosystem fußt auf allen strategischen Säulen von Mercedes-Benz Cars Operations: die Digitalisierung voranzutreiben, nachhaltig mit Ressourcen umzugehen, das Potenzial motivierter Mitarbeiter zu nutzen und auszubauen, eine größtmögliche Flexibilität im weltweiten Produktionsnetzwerk sowie herausragende Prozesse und höchste Betriebssicherheit zu haben.

Ein wichtiger Erfolgsfaktor für MO360: Cross-funktionale Teams aus Produktions- und IT-Experten entwickeln das Ökosystem in einer agilen und iterativen Zusammenarbeit. Organisationsgrenzen spielen keine Rolle mehr“, betont Jan Brecht, Chief Information Officer (CIO) von Daimler und Mercedes-Benz. „Alle Teams setzen das permanente Feedback aus der Produktion konsequent zur Optimierung und Weiterentwicklung der digitalen Werkzeuge ein. Sie verbessern kontinuierlich die Software in kurzzyklischen Sprints, um den MO360-Anwendern fortwährend erlebbaren Mehrwert zu liefern. So schaffen wir regelmäßige Software-Release-Zyklen von nur zwei Wochen. Für Software-Engineering im Produktionsbereich ist das ein absoluter Bestwert“, erläutert Brecht.

Neuer Maßstab für die hochdigitalisierte Automobilproduktion

Die Bedeutung von MO360 zeigt auch die Factory 56 im Mercedes-Benz Werk Sindelfingen, die im September 2020 eröffnet wird. Mit ihr definiert Mercedes-Benz die Automobilproduktion neu. Diese Fabrik der Zukunft erfüllt alle Kriterien einer durchgängig digitalen, flexiblen und nachhaltigen Produktion. Als eine der modernsten Automobilproduktionen der Welt setzt sie dazu konsequent und flächendeckend auf innovative Technologien und Prozesse mit Industrie-4.0-Technologien. Installiert sind in Teilen der Halle auch Hochgeschwindigkeits-Mobilfunknetze nach dem zukunftsorientierten 5G-Standard, um Prozesse, Maschinen, Anlagen und Geräte miteinander zu vernetzen. Zu MO360 gehört auch eine zentimetergenaue Ortung aller Fahrzeuge in den Werkhallen in Echtzeit, so dass jede Applikation im Ökosystem zu jedem Zeitpunkt genau weiß, wo sich welches Fahrzeug befindet.

In der Factory 56 arbeiten die Beschäftigten komplett digital. Die PAPERLESS FACTORY als wesentlicher Bestandteil von MO360 gibt jedem Mitarbeiter individuell zugeschnitten genau die Informationen für seine Arbeiten am Mercedes-Benz Fahrzeug direkt vor ihm. Auch sämtliche Rückmeldungen des Werkers, zum Beispiel zu durchgeführten Qualitätsprüfungen, erfolgen digital. Diese Arbeitsweise erhöht nicht nur die Effizienz, sondern setzt auch Maßstäbe für eine nachhaltige Produktion. Allein die Factory 56 spart durch die Umsetzung der PAPERLESS FACTORY rund zehn Tonnen Papier pro Jahr ein.

360-Grad Qualitätssicherung

Mercedes-Benz fertigt Fahrzeuge in Topqualität. Daher ist es von zentraler Bedeutung, sämtliche Mitarbeiter in der Produktion bestmöglich in ihrer Arbeit zu unterstützen. Mit dem Qualitätsmanagementsystem QUALITY LIVE, ebenfalls Bestandteil des Ökosystems MO360, haben sie zu jedem Zeitpunkt und auf Knopfdruck Zugriff auf den Live-Zustand jedes einzelnen Fahrzeugs. Um auf eventuelle Abweichungen von der Norm sofort und noch in der Produktionslinie reagieren zu können, greift QUALITY LIVE auf sämtliche Daten zurück, die während der Fertigung erfasst werden. Das System informiert die Qualitätsbeauftragten wie auch die Werker proaktiv per Smartphone oder Handheld über den aktuellen Qualitätsstatus in ihrem Bereich. Zudem unterstützt QUALITY LIVE als Teilsystem von MO360 den strukturierten Problemlöseprozess sowie eine nachhaltige Prozessoptimierung, indem es – wenn notwendig – mit Methoden künstlicher Intelligenz Vorschläge für eine effiziente Nacharbeit macht. Auf diese Weise werden Qualitätsregelkreise mit dem Ziel optimiert, dass die Fahrzeuge ohne jegliche Nacharbeiten vom Band laufen. Das hinterlegte Wissen steht allen Werken des weltweiten Produktionsnetzwerks zur Verfügung.

Datenverfügbarkeit und Kompatibilität in Echtzeit

Die Applikationen des Ökosystems MO360 greifen nahtlos ineinander: Sie sind sowohl in Hinblick auf die Prozesse als auch auf die Daten komplett integriert. So laufen etwa Produktionsdaten vollautomatisch in das digitale Shopfloormanagement (SFMdigital), so dass die Verantwortlichen jederzeit den Live-Status der Produktion kennen. Sie haben schnellen und konzentrierten Zugriff auf produktions- und steuerungsrelevante Kennzahlen (Key Performance Indicators, KPIs), um rasch und transparent auf das aktuelle Produktionsgeschehen reagieren zu können. Zu den KPIs zählen neben dem Personaleinsatz die „Geradeauslaufquote“ (alle Fahrzeuge ohne Nacharbeit), die Produktionsziele pro Schicht oder der Umlaufbestand, der anzeigt, wie viele Fahrzeuge sich im Soll-Ist-Vergleich in einem Bereich befinden, beispielsweise im Inneneinbau. MO360 vereinfacht somit Entscheidungen, um die Fahrzeugproduktion effizient und nachhaltig zu steuern und sie in perfekter Qualität immer auf dem höchstmöglichen Niveau zu halten. In täglichen Shopfloor-Runden unterstützt SFMdigital die strukturierte Anwendung von Qualitätsprozessen und dient gleichzeitig als digitales Kommunikationswerkzeug zum Beispiel für den Problemlöseprozess.

 

Modernstes Software-Engineering

Mercedes-Benz setzt bei der Entwicklung des digitalen Ökosystems MO360 auf cross-funktional zusammenarbeitende Teams aus IT- und Produktions-Experten. Im Mittelpunkt dieses produktorientierten Ansatzes steht der „Full Digital Value“ – der Mehrwert, den ein digitales Werkzeug in der Produktion schafft. Neu entwickelte Funktionen werden kontinuierlich in der laufenden Produktion getestet. Das so gewonnene Feedback fließt in kurzen Zyklen direkt wieder in die Software-Entwicklung ein.

Modernste IT-Technologien und -Arbeitsweisen stehen bei der Digitalisierung der Mercedes-Benz Produktion im Vordergrund. Ein wesentliches Element ist DevOps: Bei dieser Organisationsform für moderne Software-Entwicklung übernehmen integrierte Teams die gesamtheitliche Verantwortung sowohl für die Entwicklung („Development“) als auch für den späteren Betrieb („Operations“) der Softwarekomponenten. Technologisch setzt MO360 auf wieder verwendbare API-Schnittstellen (Application Programming Interface, API), skalierbare Cloud-Lösungen und vor allem auf Free and Open Source Software (FOSS). Damit nutzen die MO360-Teams zum einen die Vorteile der weltweiten Entwickler-Community sowie die Dynamik und Kosteneffizienz von Open-Source-Projekten.

Die modulare Applikationsfamilie ist über eine moderne Benutzeroberfläche und klare Bedienelemente intuitiv zu bedienen. Ein gemeinsames Element aller MO360-Anwendungen ist die sogenannte Microservice-Architektur. Darunter versteht man einen modularen Aufbau des Gesamtsystems mit Hilfe unabhängiger Komponenten, die ihrerseits über API-Schnittstellen kommunizieren. Die Microservice-Architektur ermöglicht es, sukzessive weitere Anwendungen in MO360 zu integrieren, ohne an Komplexitätsgrenzen zu stoßen.

So werden zum Beispiel künftig die Instandhaltung aller Mercedes-Benz Werke weltweit mit der Anwendung „SMART MAINTENANCE“ an das digitale Ökosystem MO360 angeschlossen. Denn Wartungsdaten lassen neue Potenziale etwa für vorausschauende Servicemaßnahmen erschließen. Ein Beispiel dafür: Wenn über MO360 erkennbar ist, dass ein Elektromotor in einer Fertigungsanlage bald getauscht werden muss, kann diese Maßnahme rechtzeitig und in einem passenden Zeitfenster erledigt werden, bevor Verschleiß und Ausfälle mögliche Zusatzkosten verursachen. Auch werden mit Hilfe der Anwendung „AUTO SC“ künftig Logistikabläufe zwischen den Werken ebenso wie Logistikprozesse innerhalb eines Werkes optimiert.

In einem nächsten Schritt ist geplant, an einem Standort eine komplette Fabrik mit MO360 zu vernetzen und so eine digitale Test-Fabrik für MO360 zu etablieren. Denkbar ist außerdem, Bestandteile von MO360 interessierten Partnern zur Verfügung zu stellen. „Unser Know-how ist sehr gefragt – diese Resonanz erhielten wir in ersten informellen Gesprächen aus ganz unterschiedlichen Handlungsfeldern und Branchen“, sagt Jörg Burzer. Jan Brecht ergänzt: „Auch hier denken wir klar in die Richtung von Open Source. Im dritten Quartal 2020 werden wir unser MO360 Frontend Toolkit auf Github.com veröffentlichen. Wir sind schon gespannt auf Rückmeldungen und vor allem auf ergänzende Innovationsimpulse von der weltweiten Community.

Bilder: Daimler AG (zeigen Factory 56 in Sindelfingen)

7 Kommentare
Älteste
Neueste Meist bewertet
Inline Feedbacks
Betrachte alle Kommentare:
viano 3.5
4 Jahre zuvor

Ist schon irre was heutzutage möglich ist .Zwei Fragen hätte ich aber ; wie lange werden die Daten denn gespeichert ? Ist es zum Beispiel möglich das auch noch nach 15 Jahren zurückzuverfolgen .Und zweitens um welche Datenmenge handelt es hier (zum Beispiel pro Tag). Das muss ja unwahrscheinlich viel sein .Für mich eigentlich nicht vorstellbar , das da am Ende ein funktionierendes Auto rauskommt .Es scheint als wäre da auch ein bisschen Magie / Zauberei am Werk (ist als Spass gemeint) .

Martin
Reply to  viano 3.5
4 Jahre zuvor

Es gibt sogar gesetzliche Vorgaben das gewisse Produktions und Produktdaten für 15 Jahre gespeichert werden. Das ist schon sehr lange so und gar nichts neues. Nur das man jetzt halt weniger Papier dafur verschwendet sondern direkt digital erfasst.

Marc W.
4 Jahre zuvor

Ohne Leuchteinheiten sieht der 223 episch gelungen aus 😉

Peter Lustig
4 Jahre zuvor

Und was ist bei all dem Hightech während des Produktionsprozesses
aus der „digitalen Vorfreude“ geworden?

Carsten
4 Jahre zuvor

Schon erstaunlich, was technisch möglich ist. Aber man fragt sich auch, warum das erst jetzt kommt.
Denn normalerweise müsste doch ein Hersteller immer bestrebt sein, so effizient wie nur möglich zu produzieren, und alles aufeinander abzustimmen.

Dietmar T.
4 Jahre zuvor

Wenn man von den Qualitätsproblemen liest, insbesondere im Werk Tuscaloosa bei den GLE, dann ist diese Innovation wohl noch nicht bis dahin gelangt.

Pano
4 Jahre zuvor

Da ist die Eröffnung der Factory 56 fast spannender als die gleichzeitige Premiere der S-Klasse.
Sofern eine Werksbesichtigung im nächsten Jahr möglich ist möchte ich mir das aus der Nähe angucken.
Grüße
Pano