Dr. Teddy Woll über die Aerodynamik des neuen CLA

Dr.-Ing. Teddy Woll studierte Wirtschaftsingenieur-Wissenschaften der Fachrichtung Elektrotechnik an der TU Darmstadt. Er promovierte zum Thema „Messung des Augeninnendrucks bei geschlossenem Augenlid“ und entwickelte nebenher mit der Akasol Solar- und Leicht-Elektrofahrzeuge, die u.a. drei Mal die Tour de Sol gewannen. Nach zwei Jahren bei smart wechselte Woll 1996 in die Vorentwicklung der Daimler AG und leitet seit 1999 die Abteilung Aerodynamik und Windkanäle.

Herr Dr. Woll, die Aerodynamik ist eine der Disziplinen, bei der die neuen Kompaktwagen von Mercedes-Benz Bestwerte erreichen. Auch der CLA liegt hier weit vorn. Welche Bedeutung hat die Aerodynamik denn für Mercedes-Benz?

Woll: Die Aerodynamik ist ein intelligenter Weg, den Flottenverbrauch zu senken. Und sie hilft, die Lücke zwischen zertifiziertem und Realverbrauch zu schließen: Da der Luftwiderstand mit dem Quadrat der Geschwindigkeit wächst, bringt eine cw-Wert-Reduktion vor allem bei höherem Tempo Vorteile. Eine strömungsgünstige Gestaltung ist auch deshalb so wichtig, weil die Stirnfläche der Fahrzeuge in der Tendenz eher noch wächst: Die Menschen werden größer, die Batterie von Elektrofahrzeugen braucht Platz und viele Kunden bevorzugen ein SUV. Umso stolzer sind wir, dass wir es bei vielen der neuen Modelle trotz größerer und teils breiterer Räder und größerem Platzangebot geschafft haben, nicht nur nochmal den cw-Wert zu senken, sondern auch die Stirnfläche zu verkleinern.

Kann man den Vorteil einer besseren Aerodynamik in Zahlen fassen?

Gelingt es, den cw-Wert um ein Hundertstel zu senken, also beispielsweise von 0,24 auf 0,23, sinkt der Kraftstoffverbrauch im Kundenmittel um ein zehntel Liter, bei Autobahntempo 140 km/h um ca. 0,2 Liter je 100 Kilometer oder 5 Gramm CO2 pro Kilometer. Es gibt heute keine Maßnahme, die so viel Verbrauch reduziert zu so niedrigen Kosten. Um diesen Spareffekt im realen Verkehr durch Leichtbaumaßnahmen zu erzielen, müsste man die Autos um mindestens 50 Kilogramm abspecken, bei Autobahntempo 140 sogar um rund 200 kg.

Gibt es denn Zielkonflikte bei der Entwicklung der Aerodynamik eines Autos?

Natürlich, beispielsweise Design, Platzangebot, gesetzliche Vorgaben – deswegen ist nicht immer jedes Modell strömungsgünstiger als sein Vorgänger. Aber generell haben wir in den letzten Jahren große Fortschritte gemacht. Die Limousinen haben rund 20 Prozent Verbesserung zu verzeichnen, die SUVs rund 30 Prozent. Ein wesentlicher Faktor war die Digitalisierung des Entwicklungsprozesses: Die Berechnung konnte massiv beschleunigt und stark verbessert werden. Digitale Fahrzeugmodelle haben heute über 100 Millionen Zellen und liefern uns schon über Nacht Resultate mit Genauigkeiten über 99 Prozent. Dieselbe Simulation hätte vor nicht allzu langer Zeit ein halbes Jahr gedauert und wäre noch sehr ungenau gewesen. Hinzu kommt, dass wir heute sehr gut mit den Kollegen aus dem Design zusammenarbeiten und ein hervorragendes Verständnis füreinander entwickelt haben. Und es macht uns schon stolz, dass wir auf diesem Gebiet den Trend für die ganze Autoindustrie setzen.

Und wo finden die Verbesserungen statt?

Das sind drei Bereiche – die Durchströmung des Motorraums, die Um- und Durchströmung der vorderen Räder und Radhäuser sowie der Unterboden. Diese Maßnahmen umfassen beispielsweise die neueste Generation von aktiven Kühlerjalousien, ein komplexes Zusammenspiel von 3D-Radspoilern, geschlitzten Radlaufschalen und Aero-Rädern sowie vollständig verkleidete Unterböden. Aber wir schauen uns jede Ecke am Fahrzeug genau an: von der Bugschürze mit all ihren Kanten und Öffnungen bis hin zu den kleinen Abrisskanten im Deckglas der Rückleuchten, um den Strömungsabriss am Heck zu perfektionieren.

Wird die Entwicklung denn weiter gehen, oder ist ein Endpunkt erreicht?

Wer still steht, fällt zurück. Wir müssen permanent lernen, messen, verstehen, entwickeln – und wieder von vorn. Unser Firmenmotto „Das Beste oder nichts“ bringt das auf den Punkt. Natürlich kommen wir langsam an eine asymptotische Grenze heran, wenn wir die Autos nicht dramatisch in ihrem Aussehen verändern, also zum Beispiel deutlich länger und glatter machen und mit schmalen Hecks und schmäleren Rädern ausstatten wollen. Zum Glück finden wir aber – sowohl im Windkanal als auch immer häufiger im Computer – immer noch Details, die wir noch optimieren können. Schließlich ist Aerodynamik der effizienteste Weg zu noch mehr Effizienz.

Quelle: Daimler AG