Der Einstieg in die elektrische Welt von Mercedes-Benz beginnt mit dem EQA. Das kompakte Modell ist wohl das aktuell zweckmäßigste elektrische Fahrzeug der Produktpalette. Der EQA 250 bietet ausreichend Platz für fünf Personen sowie Transportvolumen auf GLA-Niveau und ist zudem gut motorisiert. Viele Gründe also, sich das Fahrzeug genauer anzusehen, und zwar nicht nur mit kurzen Fahrten, sondern vor allem bei der Langstrecke. Zum Test fuhren wir den EQA über 3.500 km innerhalb von zwei Wochen.
Das Einstiegsmodell der Submarke Mercedes-EQ zeigt sich mit charakteristischem Design, wie beispielsweise der Black-Panel-Front. Als kompakter Premium-SUV soll der EQA voll alltagstauglich sein. Der Hersteller spricht von Reichweiten von mehr als 400 Kilometern und einem Gleichstrom-Ladesystem mit bis zu 100 kW. So lässt sich die Hochvoltbatterie an Schnellladestationen innerhalb von 32 Minuten von 10 auf 80 Prozent laden. Als Zielgruppe für den EQA definiert Mercedes-Benz, Käufer und Fahrer, die sich im urbanen Umfeld bewegen und gerne Zeit mit Freunden und Familie verbringen. Damit sollte man das Fahrzeug wohl eher im Stadtverkehr vorfinden, statt auf der Langstrecke und den Autobahnen durch Deutschland. Bleibt die Frage offen, kann der elektrische SUV eine Distanz von mehr als 500 Kilometer schnell und ohne Einbußen absolvieren? Deswegen zog es uns für einen Test auf die Langstrecke – um möglichst schnell von A nach B zu kommen.
Der EQA 250 verfügt über eine Batterie mit einem Energiegehalt von netto ca. 66,5 kWh – und liegt im Vergleich zur Konkurrenz damit zwar nicht ganz gleichauf, muss sich mit seiner Batterie aber auch nicht verstecken. Die WLTP-Reichweite soll bei 426 km liegen. Einer der Kernwettbewerber, wie der VW ID.3 plus – dann jedoch mit 77 kWh Akku – soll sogar 550 km nach WLTP schaffen.
Fahrstrecke Nürnberg – Hannover
Als lange Fahrstrecke haben wir uns für den Weg von der Nähe bei Nürnberg über Würzburg, Fulda und Kassel bis nach Hannover ausgesucht – und zwar an einem Tag hin und zurück. Um einen ungefähren Mittelwert zu erreichen, haben wir die Fahrt bei gleicher Temperatur sogar zusätzlich eine Woche später nochmals wiederholt.
Laut der genutzten MBUX Navigation wurde die Entfernung mit rund 510 km für die einfache Strecke kalkuliert. Unsere geplante Abfahrzeit lag bei 03:00 Uhr früh. Die geplante Fahrzeit soll bei sechs Stunden inklusive Ladepausen liegen. Ein Wert, der zwar etwas langsamer ist als mit dem Verbrenner, aber durchaus noch im Rahmen liegt.
Die von uns gewählten Einstellungen für die Navigation: 10 % Restkapazität am Ziel sowie jeweils an den notwendigen Schnelladestationen.
Nach kurzer Berechnung der Route sollten wir bereits nach 134 km einen ersten Ladestopp, bei theoretisch 52 % Restkapazität um 04:39 Uhr, bei IONITY hinter Würzburg (Riedener Wald Ost) einlegen. Der Boxenstopp lag hier geplant bei 9 Minuten, um bis auf 67 % Prozent nachzuladen. Der zweite Stopp – dann erst um 06:15 Uhr und nach 285 km sowie 15 % Batteriestand – sollte hingegen 32 Minuten andauern. Hier sollte das MBUX System – bei IONITY am Ladepunkt in Kassel – für die restliche Fahrdauer von 10 auf 84 % nachladen.
Praxistest
Von der Theorie nun in die Praxis. Bei Abfahrt vollgeladen, erreichten wir den ersten geplanten Ladestopp (IONITY Riedener Wald Ost) mit einem Ladestand von 30 %. Nachladen konnten wir den EQS 250 mit maximal 108 kW. Die Ladekurve hielt der EQA dabei durchaus lange hoch, sie fiel erst bei 72 % auf 90 kW und danach bei 85 % auf 72 kw. Am ersten Stopp lag unser Verbrauch aufgrund einer höheren Fahrgeschwindigkeit höher als ursprünglich geplant. Das MBUX System informierte uns, dass wir das Fahrzeug hier auf 75 % laden könnten, um das Ziel Hannover direkt zu erreichen. Zumindest theoretisch! Im weiteren Test setzte sich das Bild fort, da wir die empfohlene Geschwindigkeit (im Tacho) deutlich überschritten und oftmals zwischen 140 und den maximalen 160 km/h fuhren. Dies führte zu einem deutlich höheren Stromverbrauch. In der Nähe von Bad Hersfeld , legten wir deswegen einen ungeplanten weiteren Ladestopp ein, um den EQA von 35 % bis auf 80 % (in 19 Minuten, IONITY Kirchheim Tal) zu laden.
Die Navigation arrangierte sich mit unserem Fahrstil und passte sich anhand unserer Geschwindigkeit und des zusätzlichen Ladestopps in Bad Hersfeld automatisch an. Empfohlen wurde uns nun ein Halt bei IONITY am Rasthof „Harz Ost“. Dort hielten wir dann erneut und erreichten die Säule mit einem Stand von 37 %. Weiter ging es dort mit 82 % Batteriestand.
Zwischenfazit im EQA 250
Bei der ersten Zielankunft in Hannover – kurz nach 9 Uhr – fiel uns vor allem eines auf: zwar waren wir bei der reinen Fahrzeit durchaus schneller unterwegs, mussten aber auch einen zusätzlichen ungeplanten Ladestopp einlegen. Unterm Strich hatten wir also zeitlich kam einen Gewinn für uns zu verbuchen können. Deutlich zielführender wäre es also, eine langsamere Durchschnittsgeschwindigkeit zu haben, um entsprechend der vorgerechneten Route möglichst wenige und zudem kurze Ladestopps zu nutzen.
Die von Mercedes als „Electric Intelligence“ bezeichnete Navigationsfunktion funktioniert gut und berechnet die notwendigen Ladestopps realistisch und vor allem tatsächlich sehr zuverlässig. Sobald der Fahrer von der empfohlenen Geschwindigkeit abweicht, wird die Berechnung dazu aktiv angepasst. Gleiches passiert auch, sofern Ladepunkte unterwegs besetzt oder defekt sein sollten. Die jeweilige optimale Reise-Geschwindigkeit wird im Tacho dazu mittels einer Markierung in Form einer Zielflagge angezeigt.
MBUX Navigation neutralisiert die Ladeangst
Die anfängliche Ladeangst war bei uns schnell verflogen, da man sich auf die intelligente Navigation tatsächlich vollkommen verlassen konnte. Wer anfangs nicht so viel Systemvertrauen hat, kann die Restkapazitäten bei der Ankunft an Ladesäulen oder am Ziel entsprechend höher – als die von uns gewählten 10 Prozent – definieren. Aufgrund der vorhandenen Schnellladerdichte wäre aber meist auch noch eine alternative Ladesäule anfahrbar.
In Hannover selbst luden wir das Fahrzeug nochmals voll, um gegen Spätnachmittag die Rückreise anzutreten. Hierbei nutzten wir dann gezielt möglichst andere Ladepunkte als die reinen IONITY auf der Hinfahrt. Macht das einen Unterschied? Nein, denn ob nun am Hypercharger von EnBW, den Ladepunkten von FastNed oder aber beim Tankstellenbetreiber ARAL geladen wurde, spielte keine Rolle. Der EQA verhielt sich nahezu identisch zu den Stationen von IONITY. Mit maximal 112 kW konnten wir laden und auch die Ladekurve zeigte sich nur minimal anders. Teilweise wurde selbst bei 90 % Batteriekapazität noch mit rund 67 kW geladen. Kurz „vor Voll“ mit 97 % lag die Ladeleistung bei nur noch 41 kW, um dann bei 98 % auf lediglich 36 kW abzufallen. Von der DC-Lademöglichkeit ist der EQA somit gut ausgestattet. Aber auf Langstrecke lädt man aus Zeitgründen meist eh nur minimal über 80 %.
Autobahntempo steigert den Energieverbrauch
Nicht unbedingt überrascht hat uns unsere Abweichung vom angegebenen Werksverbrauch von 15,7 kWh/100 km (NEFZ-CO2-Wert), den wir in den vierzehn Tagen unserer EQA-Nutzung selbst bei ausgeschalteter Klimaanlage niemals erreichen konnten. Das wir uns an die maximale Reichweite nach WLTP überhaupt annähern könnten, glaubten wir schon vor Testbeginn nicht – was unser Verbrauch am Ende auch bestätigte. Im Schnitt lag unser Verbrauch bei stattlichen 22 kW/h auf 100 Kilometer, wobei wir aber mit dem EQA 250 meist auf Langstrecke bzw. auf der Autobahn unterwegs waren. Die große Stirnfläche zusammen mit 20 Zoll Rädern am Testfahrzeug machen sich also deutlich negativ bemerkbar.
Zweite Test mit anderem Fahrer
Bei unserer zweiten Tour – auf identischer Strecke – nutzten wir absichtlich einen anderen Fahrer, welcher zudem noch nie zuvor ein Elektrofahrzeug gefahren war. Nach einer kurzen Einweisung mit Erklärung der Rekuperation (meist auf D – -) und einigen Worten zur Navigation und den notwendigen Ladestopps ging es erneut unproblematisch auf die lange Fahrtstrecke. Trotz anderem Fahrer waren Unterschiede in Bezug auf Verbrauch und die Ladestopps nur wenige zu bemerken. Entlang der Route wurden meist sogar die identischen DC-Ladestationen vom Navigationssystem ausgesucht. Eine eigene Vorplanung der Route ist dabei unnötig, zumal das MBUX System nicht nur die Ladesäulen selbst kennt, sondern u.a. auch deren aktuelle Auslastung.
Amüsant waren dafür so manche Gespräche mit Leuten, die uns an den Ladestationen angesprochen hatten. Die Optik, Größe und Design des Premium-SUV treffen den Massengeschmack, weshalb es dazu kaum Rückfragen gab. Stattdessen waren bei den Ladesäulengesprächen Praxiserfahrung und Ladedauer sowie Fahrgeschwindigkeit die Top-Themen. Unterhaltungen, die es beim Verbrenner so einfach nicht gibt.
Während des gesamten Tests hatte wir mit dem EQA keinerlei Probleme. Er agierte als zuverlässiger und stylischen Begleiter. Lediglich beim Nachladen während eines Parkvorgangs lag kurzzeitig eine Störung mit dem (kostenlosen) Schnellader vor. Der Effekt: 4 Stunden geparkt – und effektiv nur 10 % nachgeladen. Hätten wir hier die Mercedes me App genutzt, wäre uns das aber auch eher aufgefallen (Am Standort kann es aber sichtlich nicht gelegen haben, zumal wir hier in der Autostadt von Volkswagen in Wolfsburg nachladen wollten).
Bei allen anderen Schnelladern auf und neben der Strecke funktionierte es hingegen problemlos: Stecker rein, Mercedes me Charge Ladekarte eingelesen – und die Ladung startete innerhalb von wenigen Sekunden komplett automatisch. So unproblematisch hatten wir es gar nicht erwartet, wobei die Ladekarte von Mercedes selbst beim kleinsten Ladesäulenanbieter per Roaming zuverlässig funktionierte. Die Möglichkeit, die Ladung auch über das MBUX System zu starten, war hier zwar meist vorhanden – uns lag die Ladekarte aber besser zur Hand.
Fazit:
Der EQA 250 hat sich bei unserem Test mehr als alltagstauglich gezeigt. Abgesehen davon, dass wir uns beim Antrieb für den elektrifizierten GLA grundsätzlich einen Allradantrieb mittels 4MATIC wünschen, ist das Fahrzeug ausreichend und gut motorisiert. Abgeriegelt wird zwar leider schon bei 160 km, aber in Sachen Effizienz ist das vermutlich die beste Wahl. Auch wenn über zwei Tonnen schwere Gefährt aus dem Stand recht agil startet, mit rund 8.7 Sekunden auf die 100 km/h Marke wird er kein Sportwagen. Wer jedoch aktiv losfährt, bemerkt schnell die Traktionskontrolle, welche die Räder am Durchdrehen behindern. Bei flotten Kurvenfahrten kommt es aber trotzdem öfters zu Gripverlust auf der Vorderachse.
Der EQA 250 zeigte sich im Alltag jedoch komplett unproblematisch, auch die Ladezeiten hielten sich immer in Grenzen. Effektiv benötigt es für 500 km knappe 40 Minuten Ladezeit – wenn es dann doch überhaupt einmal Langstrecke sein muss. Im Verhältnis zu bekannten Fahrten mit einem Verbrenner störten uns das kaum. Beim Trip in den Urlaub bremst uns dann – wenn überhaupt – das vorhandene Kofferraumvolumen aus.
Reichweite im Alltag vollkommen ausreichend
Die Werte für den reale Durchschnittsverbrauch sind jedoch etwas zu hoch. Etwas mehr Effizienz würde dem EQA 250 deutliche Vorteile bringen. Die Reichweite im Alltag im täglichen Stadt-/Überlandbetrieb halten wir jedoch für vollkommen ausreichend. Hier mussten wir das Fahrzeug gar nicht täglich aufladen. Am heimischen 11 kW AC-Lader über Nacht laden ist und bleibt vollkommen ausreichend. Dennoch hätte eine 22kW-Option dem Fahrzeug für kurze Ladevorgänge an öffentlichen Ladestationen abseits der Autobahn aber trotzdem gutgetan. So würde sich auch ein oftmaliges kostenloses „Einstecken“ am Supermarkt mehr lohnen.
Irritiert hat uns hingegen die Federung des EQA. Hier war das Fahrzeuggewicht in Kombination mit dem Fahrwerk zuerst mehr als gewöhnungsbedürftig. Das Federungsverhalten zeigte sich im gesamten Testzeitraum als eher steif und hart. Erst nach einigen Stunden Fahrzeit konnten wir uns damit arrangieren, aber gefallen hat es uns trotzdem niemals so richtig.
Was uns aufgefallen ist:
- Gute DC-Schnellladung mit bis zu 112 kW (CCS, Peakwert)
- AC-Ladung nur bei 11 kW
- MBUX Navigation berücksichtigt zuverlässig (!) notwendige Ladestopps
- Mercedes me Charge Ladekarte und dessen Roamingfunktion funktionierte zuverlässig und bei uns auch beim kleinsten (lokalen) Ladesäulenanbieter
- Gewöhnungsbedürftiges Fahrwerk und Federungsverhalten
- Gutes Sitzgefühl mit guten Seitenhalt.
- Wenig Windgeräusche
- Intensität der Rekuperation per Lenkradschaltpaddles einstellbar: in den Stufen D Auto (ECO Assistent; Standardeinstellung), D+ (Segeln), D (schwache Rekuperation, bis 0,7 m/s2), D – („normale“ starke Rekuperation, bis 1,7 m/s2), D– – (sehr starke Rekuperation, bis 2,5 m/s2)
- Laderaum nahezu auf GLA-Niveau, gute Alltagstauglichkeit
- Realverbrauch über den Werksangaben
Bilder: MBpassion.de / Philipp Deppe / Markus Jordan