Mit dem DRIVE PILOT bietet Mercedes-Benz im kommenden Jahr zuerst für die S-Klasse und voraussichtlich ab Oktober 2022 für den EQS im ersten Schritt automatisierte Fahrten auf Level 3 bis zu 60 km/h an. Doch die Entwicklung am System läuft bei den Stuttgartern weiter.
Optionales DRIVE PILOT System zuerst für S-Klasse
Ist der DRIVE PILOT von Mercedes-Benz aktiviert, übernimmt das System für eine unbestimmte Zeit gewissen Fahraufgaben. Das System nutzt dabei eine Vielzahl von Informationen, die aus den Sensoren und Kameras kommen. So wird der Streckenverlauf, Verkehrszeichen und Verkehrssituationen analysiert und die Geschwindigkeit, der Abstand und die Position auf der Fahrbahn zu anderen Verkehrsteilnehmern geregelt. Das DRIVE PILOT System reagiert dabei z.B. auf Rettungswagen oder Polizeifahrzeuge mit Blaulicht. Der Fahrer kann derweilen die Hände vom Lenkrad nehmen und sich anderen Tätigkeiten zuwenden – muss aber jederzeit bereit sein, die Kontrolle über das Fahrzeug wieder zu übernehmen, wenn sich der Stau auflöst oder das Fahrzeug dazu auffordert.
Erster Automobilhersteller weltweit
Mit dem DRIVE PILOT setzt Mercedes-Benz einen Meilenstein und ist gleichzeitig der erste Automobilhersteller weltweit, der diese Funktion in seine Fahrzeuge verbauen darf. Zuvor hatte bereits Audi ein ähnliches System für seinen A8 vorgestellt, erhielt dazu jedoch keine Freigabe. BMW wollte mit dem Elektrofahrzeug iX dieses Jahr noch nachziehen, die Umsetzung lässt jedoch noch auf sich warten. Der US-Autohersteller Tesla mit dessen „Autopilot“ rangiert auf Level 2 und basiert dazu lediglich auf ein nur kamerabasiertes System. Auf LIDAR will der US-Autobauer mit Rückblick auf die Kosten verzichten.
Mercedes-Benz hat seine Hausaufgaben für die weltweit erste Typgenehmigung anders angegangen. So hat das Kraftfahrbundesamt am 2. Dezember 2021 die Typgenehmigung im Bereich des automatisierten Fahrens für ein automatisches Spurhaltessystem („Automated Lane Keeping System“ – kurz: ALKS) für ein Fahrzeug von Mercedes-Benz auf Basis der UN-Regelung Nr. 157 erteilt. Die internationale Regelung definiert die harmonisierten Sicherheitsanforderungen an automatisierte Spurhaltesysteme.
Neu entwickelte LIDAR-Einheit und Kameras
Für das DRIVE PILOT System nutzt Mercedes-Benz eine neu entwickelte LIDAR-Einheit sowie neue leistungsfähige Kameras. Die entsprechende Software kam von Mercedes-Ingenieure selbst, die Hardware von Zulieferern. Die Entwickler setzen bei Mercedes-Benz dabei auf zahlreiche Sensoren, Kameras und Radareinheiten. Wichtig ist dabei die Redundanz, wobei immer zwei System funktionsfähig den Verkehr überwachen müssen. Ist dies nicht der Fall, erfolgt die Übergabe des Fahrzeuges wieder an den Fahrer. Dies ist auch der Fall, wenn der Fahrer einschläft oder seine Augen vom System nicht mehr erkannt werden. Übernimmt der Fahrer nach Ablauf der Übernahmezeit und wiederholter Übernahme-Aufforderung nicht das Steuer, wird das Fahrzeug automatisch bis zum Stillstand abgebremst und die Warnblinkanlage aktiviert. Parallel erfolgt eine Meldung an das Mercedes-Notrufsystem und die Türen werden entriegelt.
Der Fahrer kann mit aktiviertem DRIVE PILOT sich andere Tätigkeiten zuwenden, wie z.B. Anschauen eines Films. Zusätzlich sind Funktionen, die sonst unter der Fahrt gesperrt sind, im Zentraldisplay freigegeben. Falls das Auto mit aktivierten System einen Unfall verursacht, haftet nun der Hersteller.
DRIVE PILOT benötigt hochauflösendes Kartenmaterial
Als weitere Grundlage für den DRIVE PILOT dient eine permanent geupdatete hochauflösende dreidimensionale Karte, die über eine Backend-Anbindung in das Fahrzeug kommt. Für die exakte Positionsbestimmung reicht das typische GPS-System alleine nicht mehr auf, wodurch die Satelliten-Navigation permanent mit den Daten aller Umgebungssensoren abgleichen wird. Auch die Berechnungen der Straßengeometrie, Streckeneigenschaft und Landmarken und Verkehrszeichen werden parallel mit berücksichtigt. Alle gesammelten Daten schickt das System parallel an den Backend-Rechner, wo auch die Aktualisierung der Kartendaten stattfindet. Dadurch ist eine genaue Positionierung möglich, selbst wenn einer der Sensoren verschmutzt ist. Die Karte soll dazu ein genaues Kreuzungs- und Spurmodell beinhalten und im Zentimeterbereich genau sein.
Alle Fahrzeuge mit DRIVE PILOT sind zusätzlich mit einen redundanten Brems- und Lenksystem ausgestattet, um im Falle eines Ausfalls auf ein funktional vergleichbares Ersatzsystem umzuschalten. Auch das Bordnetz ist redundant ausgelegt, wie auch die Berechnung für das autonome Fahren selbst.
Fahrmanöver werden aufgezeichnet
Für die Haftungsfrage wird jedes Fahrmanöver vom Fahrzeug aufgezeichnet. Zusätzlich werden die System über Over-the-Air-Updates auf dem neuesten Stand gehalten. Neben der UN-Regelung Nr. 167 wurde dazu noch die UN R 177 für Cybersecurity sowie die UN-R 156 für Software-Updates bei der Entwicklung berücksichtigt, um die Daten auch sicher verarbeiten zu können.
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Geschwindigkeiten bis zu 130 km/h und Spurwechsel in Vorbereitung
Nach dem Marktstart des Systems auf dem deutschen Markt folgen die Märkte in den USA und in China. Eine Nachrüstung für bereits ausgelieferte Fahrzeuge ist nicht möglich. Währenddessen geht man bei Mercedes-Benz bereits den weiteren Schritt: auf dem Plan stehen Geschwindigkeiten bis zu 130 km/h und der automatisierte Spurwechsel für den DRIVE PILOT. Da das System bereits Zugriffe auf rund 50 Steuergeräte hat, werden zukünftig auch Abo-Geschäfte nicht ausgeschlossen.
Bilder: Daimler AG / Mercedes-Benz AG