1991: Vorstellung des Mercedes-Benz F 100 Forschungsfahrzeugs

Im Rückblick verblüffend, wie viel Zukunft das Forschungsfahrzeug Mercedes-Benz F 100 bereits im Jahr 1991 an Bord hat. Ob Telefonbedienung mit Lenkradtasten, Abstandsregeltempomat oder elektronische Reifendruckkontrolle sowie viele Attribute des vernetzten Automobils: Was vor drei Jahrzehnten utopisch anmutet, gehört heute zum gewohnten Ausstattungsumfang von Personenwagen und Nutzfahrzeugen.

Vorgestellt wird das Forschungsfahrzeug F 100 am 12. Januar 1991 auf der North American International Auto Show (NAIAS) in Detroit, USA, einer bereits seit 1907 ausgerichteten Fachmesse. Im F 100 haben Ingenieure und Designer mehr wegweisende Technik untergebracht als in jedem Forschungsfahrzeug der Marke vor ihm. Dabei ist diese Reihe der Technologieträger so lang wie eindrucksvoll. Sie beginnt mit dem Patent-Motorwagen von Carl Benz aus dem Jahr 1886, er ist erstes Automobil der Welt und Erprobungsfahrzeug zugleich. Und sie wird mit dem Konzeptfahrzeug „VISION AVTR“ des Jahres 2020 noch lange nicht enden.

Ausstattung mit Zukunft: Visionäre Forschungsfahrzeuge überraschen die Öffentlichkeit mit Ergebnissen tiefgreifender Grundlagenforschung. Sie sind ein Versprechen an die Zukunft. Ob diese Versprechen auch eingelöst werden, zeigt sich in den Jahren nach der Präsentation. Von den Systemen des Mercedes-Benz F 100 haben besonders viele den Weg in die Serie gefunden. Das betrifft die passive wie aktive Sicherheit, den Bedienungskomfort und die Raumökonomie. Beispiele zeigen, wie fest die Forscher mit ihren Innovationen damals die Praxis im Blick haben: Telefonbedienung mit Lenkradtasten – umgesetzt 1998 in der S-Klasse (Baureihe 220); Gasentladungsleuchten – eingeführt 1995 als Xenonscheinwerfer in der E-Klasse (Baureihe 210); Telefonspracherkennung – vorgestellt 1996 unter dem Namen LINGUATRONIC in der S-Klasse (Baureihe 140); elektronische Reifendruckkontrolle – präsentiert 1999 im Luxuscoupé CL (C 215); Keyless-Go – die Chipkarte statt Autoschlüssel ist 1999 eine Ausstattungsoption der S-Klasse (Baureihe 220); Regensensor – serienmäßig 1996 im CL-Coupé (C 140); Sandwichboden – Konstruktionsprinzip in der A-Klasse (W 168).

Sicherheit und Komfort: Der F 100 weist viele Details auf, die gleichermaßen der Sicherheit wie dem Komfort dienen. Mit dem Kenntnisstand von 1991 interpretieren Ingenieure und Designer dabei weitsichtig, wie sich künftige gesetzliche Vorgaben an die Sicherheit auf Fahrzeugtechnik und Konstruktion von Automobilen auswirken könnten. Für die Entwicklung des F 100 berücksichtigen sie nicht nur Ergebnisse aus der Unfallforschung, sondern auch aus der Sozialforschung. Ein Beispiel: Nach diesen Daten ist ein Personenwagen im alltäglichen Verkehr durchschnittlich nur mit 1,2 bis 1,7 Personen besetzt. Diese Zahl verändert sich im Lauf der Jahrzehnte kaum. Laut einer Mitteilung des Deutschen Bundestags aus dem Jahr 2018 sind die Personenwagen auf deutschen Straßen im Durchschnitt aller Fahrten mit 1,46 Insassen unterwegs.

Die sichere Mitte: Aus allen Erkenntnissen und Überlegungen ziehen die Forscher klare Schlüsse. Weil der Fahrer stets an Bord ist, steht ihm der sicherste Platz im Wagen zu, daher sitzt er im F 100 mittig in der Fahrgastzelle. Es ist in den meisten der denkbaren Crashsituationen die am wenigsten gefährdete Position im Fahrzeug. Neuartige Drehschwenktüren nehmen beim Öffnen einen Teil von Fahrzeugboden sowie Dach mit. So kann der Fahrer mühelos ein- oder aussteigen – und dies auf der jeweils dem Verkehr abgewandten Seite. Zwei Passagiere sitzen rechts wie links versetzt hinter dem Fahrer. Die Distanz zum Armaturenbrett erhöht ihre Sicherheit. Die Sitze der Mitfahrer in der hinteren Reihe sind zur Mitte hin versetzt und von stabilen hinteren Radhäusern geschützt. Weil es keine B-Säule gibt und sich die platzsparenden Schwenk- und Schiebetüren weit öffnen, gestaltet sich auch das Platz nehmen auf den hinteren Sitzen komfortabel. Ein weiteres Komfortmerkmal ist seiner Zeit voraus, alle vier Türen werden zum Schließen nur angelehnt und dann von Servomotoren ins Schloss gezogen.

Das vernetze Automobil: Zum Pionier des vernetzten Automobils wird der F 100 durch zahlreiche Innovationen, die sich ebenfalls erst Jahrzehnte später durchsetzen. Ein Zentralbildschirm hinter dem Lenkrad liefert nach Prioritäten gestaffelte Informationen ins Blickfeld des Fahrers. Das kann bei freier Fahrt die aktuelle Geschwindigkeit sein, angezeigt werden aber auch Warnhinweise auf drohende Gefahrensituationen. Zahlreiche Elektronikkomponenten wie Abstandsregeltempomat (Serieneinführung in der S-Klasse der Baureihe 220 unter dem Namen DISTRONIC, 1998), Totwinkelassistent (2007) und die Rückfahrkamera (2005 in der S-Klasse der Baureihe 221) stellen Daten und Bilder für die sichere Fahrt bereit. Sogar die automatische Spurhaltung ist schon vor drei Jahrzehnten möglich. Zur weiteren Ausstattung gehört ein Mobilfax ebenso wie ein fest installierter Personal Computer. Solarzellen nehmen zwei Quadratmeter der Dachfläche ein und tragen bis zu 100 Watt Leistung zur Energieversorgung bei.

Licht und Sicht: Die erstmals bei Mercedes-Benz verwendeten Gasentladungsleuchten führen zu einer sehr guten Fahrbahnausleuchtung trotz kompakter Frontscheinwerfer. Die Technik kommt unter dem Namen Xenonscheinwerfer in die Serie. Weil die Heckleuchten aus transparenten Prismenstäben bestehen, lassen sie sich von einer zentralen Lichtquelle ansteuern. Je nach Funktionen erstrahlen sie in der entsprechenden Farbe. Der Heckscheibenwischer ist bei klarer Sicht unauffällig unter dem Dachspoiler verborgen und reinigt im Bedarfsfall nicht nur die Scheibe, sondern auch die Heckleuchten. Der vordere Scheibenwischer wird in ganzer Breite über die Frontscheibe geführt und wischt sie nahezu vollständig. Der Sensor hinter der Scheibe löst den Wischer bei Regen automatisch aus.

Kraftübertragung: Ungewohnt ist der Frontantrieb. Er gelangt erstmals 1997 in der A-Klasse (W 168) in ein Serienfahrzeug der Marke. Als Antriebsquelle werden im F 100 diverse Motorenkonzepte untersucht. Darunter auch ein Verbrennungsmotor, der mit Wasserstoff betrieben wird. Schon vor 30 Jahren strebt Mercedes-Benz so das Fahren mit lokal emissionsfreien Automobilen an.

Forschung und Technik: Der Mercedes-Benz F 100 begründet die Tradition einer ganzen Reihe von Forschungsfahrzeugen der Marke, die sich durch ein „F“ im Namen auszeichnen. Dazu gehören F 200 Imagination (1996), F 300 Life Jet (1997), F 400 Carving (2002), F 500 Mind (2003), F 600 HYGENIUS (2005), F 700 (2007), F 800 Style (2010), F 125! (2011) und F 015 Luxury in Motion (2015). Zur Familie der Forschungsfahrzeuge zählen viele weitere Fahrzeuge von Mercedes-Benz.

Als erster Vertreter kann der 1886 zum Patent angemeldete dreirädrige Motorwagen von Carl Benz gelten, denn er ist die Umsetzung eines von Grund auf neu gedachten Fahrzeugs. Ihm folgen Technologieträger und Erprobungsträger, Konzeptfahrzeuge und Fahrzeugstudien mit sehr unterschiedlichen Ausrichtungen. Mit allen treibt die Marke die Automobiltechnik voran. Der jüngste Vertreter ist das im Jahr 2020 vorgestellte Konzeptfahrzeug „VISION AVTR“. Der Name steht nicht nur für eine intensive Zusammenarbeit mit dem Filmteam AVATAR, sondern auch für ADVANCED VEHICLE TRANSFORMATION. So verkörpert das Fahrzeug eine weitere Vision von Mercedes-Benz für die Mobilität der Zukunft.

Quelle: Mercedes-Benz Group AG

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Robin
11 Monate zuvor

Haubenstern 😉

Benzfahrer
Reply to  Robin
11 Monate zuvor

Genau! und der passt auch gut zu dem geschlossenen „Grill“. 😉

Urs
11 Monate zuvor

Täuscht das? Oder wird die Zahl der Forschungsfahrzeuge immer weniger bzw. der Abstand zwischen Ihnen immer größer?

Südhesse
Reply to  Urs
11 Monate zuvor

Wohl eher eine Frage der Wahrnehmung. Ganz aktuell gab es den EQXX und das Concept IAA mit aktiver Aerodynamik ist auch noch nicht so lange her.

Christian
11 Monate zuvor

Sehr interessanter Artikel.
Kannst du bitte die weiteren erwähnten Fahrzeuge verlinken, sofern ein Artikel existiert?
Und falls nicht wäre es schön, wenn es zu allen einen Artikel gibt.