Daimler bündelt weltweite Fahrerprobung an einem Ort – in Immendingen

Immendingen nimmt bei der Entwicklung der Mobilität der Zukunft eine Schlüsselrolle ein: Mercedes-Benz Cars bündelt hier die weltweite Fahrzeugerprobung und entwickelt unter anderem alternative Antriebe wie Hybride sowie Elektrofahrzeuge der Produkt- und Technologiemarke EQ weiter. Zugleich werden dort künftige Assistenzsysteme und automatisierte Fahrfunktionen erprobt. Das Prüf- und Technologiezentrum Immendingen (PTZ) wurde im September 2018 nach rund dreieinhalbjähriger Bauzeit offiziell eröffnet. Immendingen liegt in Baden-Württemberg, 130 Kilometer südlich von Stuttgart und 40 Kilometer nördlich von Radolfzell am Bodensee.

In Immendingen entstehen derzeit rund 300 Arbeitsplätze für Mercedes-Benz. Bereits jetzt sind rund 250 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf mehr als 30 verschiedenen Teststrecken unterwegs, auf denen unterschiedliche Fahrbedingungen simuliert werden können. Besonders im Fokus stehen dabei die vier strategischen Zukunftsfelder Vernetzung (Connected), autonomes Fahren (Autonomous), flexible Nutzung (Shared) und elektrische Antriebe (Electric). Daimler hat diese unter dem Begriff CASE zusammengefasst.

„Hightech-Fahrzeuge erfordern Hightech-Erprobung. Unser Prüf- und Technologiezentrum in Immendingen bietet uns eine Vielzahl an Möglichkeiten, neue Technologien, darunter alternative Antriebe und Fahrassistenzsysteme, zu erproben und zu perfektionieren. Gleichzeitig können wir den Straßenverkehr entlasten, indem wir zum Beispiel die Dauerlauferprobung auf unser Testgelände verlagern“, sagt Markus Schäfer, Vorstandsmitglied der Daimler AG, verantwortlich für Konzernforschung und Mercedes-Benz Cars Entwicklung.

„Steile und enge Passstrecken wie in den Alpen, breite mehrspurige Straßen wie in Nordamerika, wuseliger Stop-and-Go-Verkehr wie in einer südeuropäischen Großstadt: Auf dem Prüfgelände lassen sich viele Verkehrssituationen realitätsnah nachstellen. Am Computer lässt sich viel berechnen, aber am Ende bleiben Testfahrten auf richtigen Straßen unumgänglich. Dabei wird man immer wieder feststellen, dass die Wirklichkeit stets Überraschungen bereithält, die der Computer nicht bedacht hat“, erläutert Reiner Imdahl, Leiter des PTZ. „Die Gemeinde Immendingen ist für uns ein echter Glücksfall. Denn hier waren wir vom ersten Moment an mit unserem Prüf- und Technologiezentrum willkommen und wurden mit offenen Armen begrüßt.“ Das PTZ ist auf einem ehemaligen Standortübungsplatz der Bundeswehr entstanden. Die beeindruckende Topographie mit verschiedenen Ebenen und einem Höhenniveau von 660 bis 880 Metern über Normalnull[1] wurde bei der Entwicklung des Streckenlayouts intensiv genutzt.

Zwei Beispiele:

  • Mit der sogenannten Bertha-Fläche (Bereich zum Erproben und Testen von und mit hochautomatisierten Fahrzeugen) steht den Ingenieuren ein 100.000 Quadratmeter großes Testmodul zur Verfügung, das für das automatisierte Fahren ausgelegt ist. Die dort gefahrenen Manöver thematisieren insbesondere automatisierte Fahr- und Sicherheitsfunktionen heutiger und künftiger Fahrassistenzsysteme auf dem Weg zum autonomen Fahren. Dabei können herausfordernde und komplexe Verkehrssituationen hochgenau und beliebig oft reproduziert werden. Die Bertha-Fläche bietet unter anderem Möglichkeiten, sicherheitsrelevante Situationen mit Autobahngeschwindigkeit oder Einfädel- und Spurwechselsituationen an Einfahrten zu testen und Funktionen zur Kollisionsvermeidung im Längs- und Querverkehr zu verifizieren.
  • Das Modul Innenstadt umfasst insgesamt 1,5 Kilometer Stadtstraßen mit verschiedenen Kreuzungssituationen, um Fahrassistenzsysteme, Car-to-X Kommunikation und automatisiertes Fahren unter realen Bedingungen erproben zu können. Beispielsweise lässt sich hier realistisch simulieren, wie hochautomatisierte und fahrerlose Fahrzeuge miteinander kommunizieren, um so zum sicheren Verkehr in einer Großstadt beizutragen.

Technologischer Fortschritt im Einklang mit der Natur

Nach einem umfangreichen Auswahlverfahren, bei dem rund 120 Flächen in Baden-Württemberg analysiert wurden, hatte die Daimler AG 2011 beschlossen, ihre Planungen für ein neues Prüf- und Technologiezentrum auf den Standort Immendingen zu fokussieren. Von Anfang an erfuhr das Unternehmen dort eine breite Unterstützung durch die Gemeinde und die Bürgerinnen und Bürger. Die Bauarbeiten begannen mit dem Spatenstich Anfang 2015 auf dem ehemaligen Gelände der Bundeswehr, seit 1996 einer der drei Standorte der deutsch-französischen Brigade. Das erste Modul, die sogenannte Schlechtweg-Verschmutzungsstrecke, wurde im September 2015 eröffnet. Hier wird die Fahrzeugtauglichkeit unter besonders schlechten Straßenbedingungen getestet. Ziel war es, auch während der Bauphase schon mit einzelnen Prüfmodulen zu starten, um einen durchgängigen Prüfbetrieb zu gewährleisten.

Bei den umfangreichen Baumaßnahmen arbeitet das Unternehmen mit Natur- und Umweltschutz­verbänden zusammen und führt einen konstruktiv-kritischen Dialog. Ziel ist es, den technologischen Fortschritt in Einklang mit der Natur zu ermöglichen. So wurden auf dem Immendinger Gelände Lebensräume für Pflanzen und Tiere geschaffen und Flächen aufgeforstet und begrünt. Zudem wird das gesamte Gelände von einer Wildtierpassage durchquert. Durch Schafbeweidung wird die Verbuschung des Magerrasens zurückgedrängt. Drei Lamas dienen als Herdenschutz vor Angriffen von Füchsen. Insgesamt werden von Daimler naturschutzrechtliche Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen auf 625 Hektar Fläche durchgeführt. Das PTZ steht damit vorbildlich für die Nachhaltigkeitsstrategie von Daimler (siehe unten).

[1] Normalnull: festgelegte Höhe, auf die sich die Höhenmessungen beziehen

Quelle: Daimler AG

4 Kommentare
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2fast4u2
5 Jahre zuvor

Beeindruckendes Fahrerprobungsgelände! Danke für den Bericht! Auch schön zu lesen, dass man bemüht ist, im die Natur zu zu berücksichtigen.

Was haben eigentlich die Konkurrenz aus München und die Chinesen zu bieten?

Viele Grüsse!

Merser
5 Jahre zuvor

Wird Papenburg dann eigentlich noch genutzt?

martin
Reply to  Merser
5 Jahre zuvor

Es macht ja wohl keinen Sinn, kostenpflichtig ein fremdes Testgelände am anderen Ende von Deutschland zu nutzen , wenn man vor der Haustüre nun ein eigenes hat.

Rene
Reply to  martin
5 Jahre zuvor

Papenburg kann man leider nicht beantworten aber ein zusätzliches Testgelände ist trotzdem noch erforderlich da in den Wintermonaten eine Schlechtwegerprobung weiter nicht in Deutschland möglich ist. Es werden daher weitere Testfahrten in Nardo geführt. Habe damals zu dem Zeitpunkt wo eine Abwägung zwischen den verschiedenen Standorten diskutiert wurde noch bei der Entwicklung gearbeitet. Die ersten Baumaßnahmen fanden aber schon wesentlich früher saht nicht vor 3 Jahren(???). Der wesentliche Grund für diesen Standort war aber auch das es sich hier um ein ehemaliges Bundeswehrgelände Handelte. Auf diesen Standort gibt es eine Flugverbotszone die auch noch so bleibt!! Dies bringt viele Vorteile mit sich was Geheimhaltung belangt, Was ich leider nicht weiter erörter darf. Dieser Standort war für Mercedes ein richtiger Glückgriff da hier keine Kompromisse erforderlich waren wie bei anderen Standorten.