Mit der „Tour der Legenden“ feierten der Stuttgarter ETM Verlag und die Spedition Fehrenkötter das 20. Jubiläum der Deutschlandfahrt für historische Nutzfahrzeuge. Diese besondere Veranstaltung würdigt sowohl die historische Bedeutung der Nutzfahrzeuge als auch die Menschen, die hinter ihrer Erhaltung und Entwicklung stehen. Zu den geehrten Persönlichkeiten zählten der Gründer der Deutschlandfahrt und Spediteur Robert Fehrenkötter sowie erste Nutzfahrzeugsammler wie August Alborn, Emil Bölling und Hans Witteler, die als Wegbereiter und Unterstützer der historischen Fahrzeugkultur in Deutschland gelten.
Klassiker der Nutzfahrzeuggeschichte
Einer der Glanzpunkte der Veranstaltung waren die acht historischen Fahrzeuge aus den Klassiksammlungen von Daimler Truck, die die rund 1.200 Kilometer lange Strecke absolvierten. Darunter befanden sich auch zwei bei Fans besonders beliebte Langhauber aus der Wirtschaftswunderzeit: der Mercedes-Benz LAK 315 und der O 3500. Diese Fahrzeuge, die zwischen den 1950er und 1960er Jahren die deutschen Straßen prägten, trugen maßgeblich zum Wiederaufbau der deutschen Infrastruktur und Wirtschaft bei.
Der Mercedes-Benz LAK 315, ein allradgetriebener Kipper, wurde zwischen 1953 und 1958 produziert und half in dieser Zeit, schwere Güter wie Sand und Kies zu transportieren. Das Fahrzeug, das an der diesjährigen Fahrt teilnahm, stammt aus dem Fuhrpark des Kies- und Sandspezialisten Emil Bölling, einem der ersten Unterstützer der Deutschlandfahrt. Es befindet sich nach behutsamer Restaurierung in nahezu originalem Zustand und gilt als Kulturgut der deutschen Nutzfahrzeuggeschichte.
Der Mercedes-Benz O 3500, der ebenfalls an der Fahrt teilnahm, ist ein weiteres Beispiel für die Ingenieurskunst der damaligen Zeit. Dieser Bus aus dem Jahr 1950 teilt sich die technische Basis mit der Lkw-Baureihe L 3500 und war bis 1975 im Linienverkehr in Potsdam im Einsatz. Er wurde liebevoll restauriert und 2023 von Daimler Buses in Neu-Ulm technisch überarbeitet.
Ein Blickfang: Mercedes-Benz LP 333 und LP 323
Ein weiterer Publikumsliebling war der dreiachsige Mercedes-Benz LP 333, auch liebevoll „Tausendfüßler“ genannt. Der Veteran aus den späten 1950er Jahren wurde als Reaktion auf die damaligen Seebohm’schen Gesetze konstruiert, die das zulässige Gesamtgewicht von Lkw auf 16 Tonnen beschränkten. Mit seiner charakteristischen Bauweise und den zwei gelenkten Vorderachsen ist der LP 333 ein außergewöhnliches Beispiel für die technischen Herausforderungen der damaligen Zeit.
Der Mercedes-Benz LP 323, ein kompakter Frontlenker mit 7,4 Tonnen Gesamtgewicht, war ebenfalls Teil der „Tour der Legenden“. Er symbolisiert den technologischen Fortschritt der frühen 1960er Jahre und war bis 1991 bei einer Metallwarenhandlung im Einsatz. Nach zwölfjähriger Restaurierung im Mercedes-Benz Werk Wörth glänzt das Fahrzeug heute in neuem Glanz und erinnert an eine vergangene Epoche des Nutzfahrzeugbaus.
Weitere Teilnehmer und technische Meisterwerke
Unter den weiteren Teilnehmern befand sich der Mercedes-Benz LP 1620, der mit seinem kantigen Design und den großen Fensterflächen als eines der fortschrittlichsten Nutzfahrzeuge seiner Zeit gilt. Seine innovative Technik, darunter der sparsame Diesel-Direkteinspritzmotor und eine neue Zweikreisbremsanlage, machten ihn zum Inbegriff der modernen Lkw-Baukunst der 1960er Jahre. Sein Spitzname „Adventskalender“ leitet sich von den zahlreichen Wartungsklappen im Fahrerhaus ab.
Ebenfalls Teil der Deutschlandfahrt war der legendäre Mercedes-Benz L 1113, ein Kurzhauber mit den charakteristischen „Kulleraugen“, der von 1959 bis 1984 produziert wurde. Mit seinem robusten Direkteinspritzmotor war er ein Dauerbrenner auf den Straßen und wurde in dieser Zeit zum Inbegriff der mittelschweren Lkw von Mercedes-Benz.
Ein weiterer Klassiker, der Setra S6, wurde als „Sympathieträger“ der Deutschlandfahrt beschrieben. Der kleine, aber technisch ausgereifte Club-Bus aus dem Jahr 1962 bot Platz für bis zu 25 Passagiere und überzeugte mit einer fortschrittlichen Einzelradaufhängung sowie einer komfortablen Dachrandverglasung. Dieses Modell, das ursprünglich der Fachhochschule Ulm gehörte, ist eines der wenigen noch erhaltenen Exemplare und verkörpert die Eleganz des Reisens in den 1960er Jahren.
Zu guter Letzt beeindruckte auch der Mercedes-Benz 814, der zur „Leichten Klasse“ von Mercedes-Benz gehört und 1984 auf den Markt kam. Er symbolisiert den Übergang zum modernen Lkw-Design, das mit klaren, sachlichen Linien und zahlreichen Motorvarianten überzeugte. Das auf der Tour gezeigte Modell trägt den Werbeslogan zur Markteinführung: „Leichter in bester Form“.
Die Route: 1.200 Kilometer durch Deutschland und Österreich
Die Route der 20. Deutschlandfahrt führte die Teilnehmer über sechs Etappen und mehr als 1.200 Kilometer von Brilon im Sauerland bis nach Dachau bei München. Dabei machte der Tross in mehreren Städten und Regionen Halt, darunter im unterfränkischen Fladungen, in Kirchberg an der Jagst und in Oberbayern. Höhepunkte der Tour waren die Stationen in Forstinning und die Überquerung der österreichischen Grenze nach Lengau im Innviertel, bevor die Route über Ainring im Berchtesgadener Land schließlich in Wörgl in Tirol endete.
Trotz ihres hohen Alters zeigten sich die Fahrzeuge während der gesamten Tour in bestechender Form und bewältigten die anspruchsvolle Strecke mit Bravour. Die Zuschauer entlang der Strecke sowie in den Etappenorten feierten die „Tour der Legenden“ mit Begeisterung und bewunderten die historischen Fahrzeuge, die als rollende Zeugnisse der Nutzfahrzeuggeschichte gelten.
Fazit: Eine Hommage an Technik, Geschichte und Menschen
Die „Tour der Legenden“ zum 20. Jubiläum der Deutschlandfahrt war eine eindrucksvolle Hommage an die Geschichte der Nutzfahrzeuge und ihre Bedeutung für die Gesellschaft. Die Veranstaltung brachte nicht nur die technischen Meisterwerke der Vergangenheit zurück auf die Straßen, sondern ehrte auch die Menschen, die mit ihrem Engagement dazu beitragen, dass diese Fahrzeuge für zukünftige Generationen erhalten bleiben. Die Deutschlandfahrt ist damit weit mehr als eine reine Oldtimerschau – sie ist ein lebendiges Stück Kulturgeschichte, das die Mobilität von Menschen und Gütern sowie den Wohlstand der Gesellschaft widerspiegelt.
Bilder: Daimler Truck AG