Innovationen: Sicherheitsentwicklung auf Basis der Unfallforschung

Die Unfallforschung (UFO) trägt maßgeblich dazu bei, den Technologievorsprung von Mercedes-Benz zu sichern. Denn das Wissen aus der Praxis bleibt nicht lange Theorie.

Von der Unfallforschung von Mercedes-Benz profitieren alle Verkehrsteilnehmer: Zahlreiche Mercedes-Benz Sicherheitsinnovationen wie der Windowbag oder PRE-SAFE® wurden auf Grundlage der UFO-Erkenntnisse entwickelt.

Einige Beispiele.

Gestaltung des Innenraums: Ende der Sechzigerjahre, als Mercedes-Benz mit den systematischen Unfallanalysen begann, galt die Aufmerksamkeit der Fachleute vor allem dem Aufprallschutz im Fahrzeuginnenraum. Zwar gab es für die Mercedes-Benz Limousinen bereits Sicherheitsgurte, doch die Anlegequote war noch sehr gering. Die Folge waren schwere Kopfverletzungen, die viele Frontpassagiere beim Aufprall gegen Lenkrad, Instrumententafel oder Windschutzscheibe erlitten. Die Unfallforscher gingen deshalb auf die Suche nach den besonders gefährlichen Kontaktstellen im Innenraum und machten anschließend Vorschläge für die Neugestaltung von Schaltern, Griffen und Hebeln. Auch die Auswahl der Materialien für Instrumententafel und Innenraumverkleidungen erfolgte fortan unter dem Gesichtspunkt des Unfallschutzes. Seitdem geben die Automobilingenieure energieabsorbierenden Werkstoffen den Vorzug.

Karosseriestruktur: Nach der „Entschärfung“ des Innenraums konzentrierte sich die Arbeit der Unfallforscher und Sicherheitsingenieure auf die weitere Verbesserung der Karosseriestruktur. Bei der Rekonstruktion typischer Gegenverkehrskollisionen hatten die Unfallforscher erkannt, dass die Fahrzeuge meist asymmetrisch zusammenprallen und dass die vorderen Karosseriebereiche demzufolge stark einseitig belastet werden. Die Fachleute bezeichnen diesen Unfalltyp als Offset-Aufprall. Diese Erkenntnisse hatten Folgen für die Automobiltechnik. Weil der Frontalcrash mit voller Überdeckung gegen eine flache Wand, den die Gesetze als Sicherheitstest für Personenwagen bis dato vorschrieben, nur einen Teil des realen Unfallgeschehens repräsentiert, ging Mercedes-Benz eigene Wege. Auf Basis der UFO-Daten führten die Ingenieure bereits 1974 die ersten Crashtests nach dem Offset-Prinzip durch und verwirklichten für ihre Personenwagen mit dem so genannten Gabelträger ein Konstruktionsprinzip, das auch bei extremer Teilbelastung des Fahrzeugvorbaus einen sehr guten Insassenschutz bietet. Die 1979 vorgestellte S-Klasse (Modellreihe W 126) war das erste Modell, dessen Crashstruktur mit dem Gabelträgerkonzept gezielt auf den versetzten Frontalaufprall ausgelegt war.

Testverfahren: Jahre später ergab die kontinuierliche Beobachtung des Unfallgeschehens, dass eine weitere Modifikation des Testverfahrens erforderlich ist. Mercedes-Benz entwickelte daraufhin den Offset-Crash gegen die deformierbare Barriere: Eine Aluminiumstruktur simuliert beim Crashtest die Knautschzone des Unfallgegners und ermöglicht auf diese Weise eine praxisnähere Analyse des Verformungsverhaltens der Karosserie als beim Aufprall gegen eine starre Beton- oder Stahlbarriere. Den von Mercedes-Benz mitentwickelten Crash gegen die deformierbare Barriere unterziehen sich in Europa heute alle neu entwickelten Personenwagen; er ist gesetzlich verankert und gehört auch zum Euro NCAP-Testprogramm (New Car Assessment Programm).

Sicherheitsgurte: Erfahrungen aus der Unfallpraxis prägten in den Siebziger- und Achtzigerjahren die Entwicklung weiterer wegweisender Sicherheitsdetails. Allen voran steht der Dreipunkt-Sicherheitsgurt, den Mercedes-Benz seinen Kunden erstmals 1968 anbot. Doch die Unfallforschung zeigte den Ingenieuren auch in diesem Fall, dass sich Gutes noch weiter verbessern lässt. Dies geschah beispielsweise durch eine verbesserte Gurtgeometrie.

Airbag: Nach 13 Jahren Entwicklungs- und Erprobungsarbeit hielt der Airbag Ende 1980 Einzug in die Serienproduktion. Dass man die Airbag-Funktionen noch gezielter auf die jeweilige Unfallschwere abstimmen kann, bewies Mercedes-Benz 1998 bei der Neuvorstellung der S-Klasse (Modellreihe W 220). Die Ingenieure hatten einen neuartigen, zweistufigen Gas-Generator entwickelt, der den Luftsack je nach Aufprallschwere aufblasen kann. Von Anfang an hatte Mercedes-Benz den Airbag als Ergänzung zum Dreipunktgurt konzipiert. Dass dieses Prinzip richtig ist, zeigen die Ergebnisse der Unfallforschung: Wurden in den Siebzigerjahren bei sehr schweren Frontalkollisionen in Deutschland rund 30 Prozent der angeschnallten Fahrer von
Mercedes-Benz Personenwagen lebensgefährlich verletzt, so registrieren die Unfallforscher heute durch das aufeinander abgestimmte Zusammenwirken von Gurt, Gurtstraffer und -kraftbegrenzer, Airbag und anderen Schutzmaßnahmen nur noch einzelne Unfälle mit dieser hohen Verletzungsschwere. Dabei handelt es sich aber meist um extrem schwere Unfälle.

Gurtkraftbegrenzer: Mitte der Neunzigerjahre zeigte die Unfallforschung, dass der serienmäßige Einsatz von Gurtstraffern und Airbags für Fahrer und Beifahrer eine neue Gesamtabstimmung des Rückhaltesystems ermöglicht. Mercedes-Benz integrierte daraufhin den Gurtkraftbegrenzer, der die Rückhaltewirkung des Gurtes gezielt limitiert. In Kombination mit den Airbags ermöglicht dies deutlich geringere Brustbelastungen der Frontpassagiere und dadurch eine reduzierte Unfallfolgenschwere.

Seitenairbag und Windowbags: Das langjährige Mercedes-Benz Engagement in Sachen Insassenschutz zeigt auf breiter Basis Wirkung. Schon Anfang 1998 konnten die Unfallforscher eine positive Bilanz ziehen: Das Risiko schwerster bis tödlicher Verletzungen bei einem schweren Frontalaufprall hatte sich in den zurückliegenden zwei Jahrzehnten deutlich verringert. Tödliche Verletzungen angegurteter Pkw-Insassen traten fast nur bei extrem schweren Frontalunfällen auf. Damit rückte der Seitenaufprall in den Blickpunkt der Sicherheits­entwickler. Der Anteil solcher Kollisionen an den Unfällen mit schwer verletzten Fahrzeuginsassen verlagerte sich seit den Neunzigerjahren kontinuierlich. Betrug er 1985 noch 14 Prozent, so waren es 1995 bereits 30 Prozent. Es zeigte sich vor allem der zunehmende Einfluss von Seitenkollisionen bei Verkehrsunfällen mit tödlich verletzten Pkw-Insassen.

Folglich schnürten die Sicherheitsingenieure ein Paket von Schutzmaßnahmen, das neben stabilen Türschlössern und Türscharnieren unter anderem auch spezielle Deformationselemente und Schaumpolster in den Innenverkleidungen der Türen enthält. Zudem verfügen die Mercedes-Benz Personenwagen über Flankenschutzverstärkungen im unteren Türbereich. So entsteht ein wirksamer Seitenaufprallschutz, der seit 1995 durch den Einsatz des Sidebags und seit 1998 durch den Windowbag weiter verbessert wurde.

Die Entwicklung des Windowbags basiert auf intensiven Untersuchungen der Unfallforschung. Sie zeigten, dass bei einem Seitencrash schwere Kopfverletzungen verursacht werden können. Das großflächige Luftpolster, das bei einer Seitenkollision mit entsprechend großer Aufprallschwere zusammen mit den Sidebags aktiviert wird und sich wie ein aufblasbarer Vorhang vor den Innenseiten der Seitenscheiben entfaltet, kann einen möglichen Anprall des Kopfes gegen die Seitenscheibe oder auch eindringende Objekte mildern.

PRE-SAFE®: Die Unfallforscher haben erkannt, dass mehr als zwei Dritteln aller Verkehrsunfälle kritische Fahrsituationen wie Schleudern, Notbremsen oder plötzliches Ausweichen vorausgehen, die bereits Rückschlüsse auf eine drohende Kollision erlauben. Diese wertvolle Zeit vor dem Crash blieb lange ungenutzt. Die Antwort heißt seit 2002 PRE-SAFE®. Dieses vorausschauende Insassenschutzsystem kann einen drohenden Unfall im Voraus erkennen und wird aktiv, um Insassen und Auto auf eine mögliche Kollision vorzubereiten, zum Beispiel durch die vorsorgliche, reversible Straffung der Sicherheitsgurte, die elektromotorisch erfolgt. Damit wird die Zeitphase vor dem möglichen Aufprall bestmöglich für vorbeugende Sicherheitsmaßnahmen genutzt.

Blinkende Bremsleuchten: Die Unfallforschung zeigt, dass drei Viertel aller schweren Verkehrsunfälle vermeidbar wären, wenn Autofahrer frühzeitig und deutlich vor Gefahren gewarnt werden. Deshalb hat Mercedes-Benz das adaptive Bremslicht entwickelt. Es kann einen wirksamen Beitrag leisten, um Auffahrunfälle zu verhindern. Denn laut Untersuchungen verkürzen sich die Bremsreaktionen der Autofahrer im Durchschnitt um bis zu 0,2 Sekunden, wenn in Notbremssituationen statt des herkömmlichen Bremslichts ein rot blinkendes Warnsignal erfolgt – wertvolle Zeit für mehr Bremsweg.

DISTRONIC PLUS und Bremsassistent PLUS: Die auf moderner Radartechnik basierenden Mercedes-Benz Assistenzsysteme DISTRONIC PLUS (aktuelle Bezeichnung: Aktiver Abstands-Assistent DISTRONIC) und Bremsassistent PLUS (siehe unten auch Aktiver Brems-Assistent) leisten einen wirksamen Beitrag zur Unfallvermeidung. Das ergab 2008 eine Analyse von Mercedes-Benz auf Basis repräsentativer Daten der Unfallforschung. Allein in Deutschland können mithilfe dieser Technologie durchschnittlich ein Fünftel aller Auffahrkollisionen verhindert werden. Auf Autobahnen lässt sich die Unfallquote sogar um rund 36 Prozent verringern.

Geringeres Verletzungsrisiko: Mercedes-Benz Fahrer sind sicherer unterwegs als Fahrer anderer Marken, das war 2009 das Ergebnis einer UFO-Untersuchung auf Basis offizieller, anonymisierter Datenstichproben des Statistischen Bundesamtes. Betrachtet wurden 18.748 Unfälle mit Personenschäden im Zeitraum 2003 bis 2007. Danach ist das Risiko, in einer E-Klasse als Fahrer schwer oder tödlich verletzt zu werden, um 10,4 Prozent niedriger als bei vergleichbaren Fahrzeugen anderer Marken.

Aktiver Brems-Assistent: Im Herbst 2014 kamen die Unfallforscher von Mercedes-Benz in einer Studie zu dem Schluss, dass bis zu 20 Prozent aller schweren Auffahrunfälle in Deutschland verhindert werden könnten, wenn alle Fahrzeuge mit einem vergleichbaren Sicherheitssystem wie dem radargestützten Abstandswarner COLLISION PREVENTION ASSIST ausgerüstet wären. Für das weiter entwickelte Nachfolgesystem COLLISION PREVENTION ASSIST PLUS prognostizierten die Unfallforscher sogar bis zu 30 Prozent weniger schwere Auffahrunfälle als ohne das System. Sie stützten ihre Vorhersage auf eine Simulationsstudie auf Basis der „Pre-Crash-Matrix“, einer digitalen Unfalldatenbank der Verkehrsunfallforschung Dresden mit tausenden, akribisch rekonstruierten Realunfällen. Innerhalb dieser Studie wurden Fahrzeuge virtuell mit diesem Vorgängersystem des Aktiven Brems-Assistenten ausgestattet und die Auswirkungen auf jeden einzelnen Auffahrunfall untersucht. Den COLLISION PREVENTION ASSIST hat Mercedes-Benz 2011 in der vorigen Generation der B‑Klasse serienmäßig eingeführt.

Quelle: Daimler AG