1991: Weltpremiere für die Mercedes-Benz Cabriolets der Baureihe 124

Die Mercedes-Benz Cabriolets der Baureihe 124 sind begehrte junge Klassiker. Sie verbinden die Begeisterung am eleganten, offenen Fahren aufs Beste mit dem hohen technischen Niveau der oberen Mittelklasse der Stuttgarter Marke. Premiere haben sie vor 30 Jahren auf der Internationalen Automobil-Ausstellung (IAA) in Frankfurt am Main vom 12. bis 22. September 1991 – sieben Jahre nach der Präsentation der Limousinen der Baureihe 124.

Mercedes-Benz knüpft mit diesem offenen Viersitzer nach einer Pause von genau 20 Jahren erfolgreich an eine sportlich-luxuriöse Tradition an. Denn bis 1971 werden die legendären W 111/W 112 Cabriolets gebaut. Auf die Cabriolets der Baureihe 124, ab 1993 im Zuge der Nomenklaturänderung Mercedes-Benz E-Klasse Cabriolet genannt, folgen als offene Viersitzer mit Stoffverdeck die CLK-Cabriolets A 208 (1998 bis 2003) und A 209 (2003 bis 2010) sowie die E-Klasse Cabriolets A 207 (2010 bis 2017) und A 238 (seit 2017). Zudem haben im Jahr 2015 in der Mercedes-Benz S-Klasse (A 217) und im Jahr 2016 in der Mercedes-Benz C-Klasse (A 205) jeweils viersitzige Cabriolets Premiere.

Leuchtturmprojekt für die obere Mittelklasse

Das Cabriolet der späteren E-Klasse basiert auf dem Coupé der Baureihe 124. Nach der im Herbst 1990 vorgestellten Hochleistungslimousine 500 E ist der offene Viersitzer ein weiteres Leuchtturmprojekt für die Baureihe 124. Der Aufwand ist enorm: Rund 1.000 Teile verändern oder konstruieren die Ingenieure völlig neu, um die hohen Anforderungen an passive Sicherheit und Fahrkomfort trotz der wegfallenden Dachstruktur zu erfüllen. So fertigt Mercedes-Benz zahlreiche tragende Teile des Cabriolets aus dickeren oder festeren Blechen als bei den Coupés. Hochbelastete Stellen erhalten zudem nach aufwendigen computergestützten Simulationsberechnungen zusätzliche Verstärkungen in Form doppelter Bleche, Knotenbleche oder Streben. Unter anderem werden die Blechdicken an A- und B-Säulen sowie den seitlichen Längsträgern verstärkt, der Verdeckkasten ist als quer versteifendes Element ausgeführt, und ein Druckgussträger ist mit dem Tunnel der Bodengruppe sowie dem Querträger der Armaturentafel verschraubt. Diagonalstreben vorn (zwischen Vorderachsträger und den beiden äußeren Längsträgern) sowie hinten (zwischen der Reserveradmulde und den äußeren Längsträgern) steigern die Verwindungssteifigkeit. Hier setzen die Ingenieure Erfahrungen aus der Entwicklung des Mercedes-Benz SL der Baureihe R 129 um.

Zusätzlich kommen Schwingungstilger zum Einsatz, um den Fahrkomfort zu optimieren. Solche Elemente haben die Entwickler bereits beim 1965 vorgestellten Mercedes-Benz 600 Landaulet der Baureihe W 100 verwendet. Insgesamt vier dieser Masse-Feder-Systeme mit zusammen 26 Kilogramm Gewicht werden an neuralgischen Punkten des Cabriolets eingebaut: auf dem Dom des vorderen linken Federbeins, im Dachrahmen und in den hinteren Kofferraummulden. Ein Vergleichstest der Fachzeitschrift „auto motor und sport“, Heft 19/1994, kommt denn auch zu dem Ergebnis: „Steifer als der Mercedes ist derzeit kein anderes Viersitzer-Cabrio.“ Das US-amerikanische Magazin „Road & Track“ würdigt in Ausgabe 7/1994 in einem Vergleich die Qualitäten des E 320 Cabriolet: „Ein guter Teil des Preisunterschieds ist in der Fahrzeugkonstruktion begründet. Es ist mit geöffnetem Verdeck merklich leiser als die beiden anderen. Unregelmäßigkeiten im Straßenbelag werden von der Federung registriert und dem Fahrer auf subtile Weise mitgeteilt, ohne die Gelassenheit zu verlieren. Auf der Autobahn ist der E 320 fast so leise wie seine Geschwister als Coupé und Limousine, dank der außergewöhnlich soliden Karosseriestruktur und der exzellenten Passgenauigkeit des Verdecks.“

Linearer Überrollbügel

Vorbildlich ist auch das Niveau der passiven Sicherheit: Bei Frontal-, Heck- und Seitenaufprall erfüllen die Cabriolets die hohen Standards von Limousine, T-Modell und Coupé. Um den Passagieren auch bei einem Überschlag adäquate Sicherheit zu bieten, sind die A-Säulen mit innen liegenden Profilblechen zu einer stabilen Einheit verschweißt. Und hinter den Rücksitzen wird ein neu entwickelter und patentierter, linear arbeitender Überrollbügel eingebaut, dessen Oberseite die Form von zwei einzelnen Kopfstützen hat. Der Bügel fährt innerhalb von 0,3 Sekunden auf einer leicht gekrümmten Laufbahn nach oben aus, wenn die Fahrzeugsensoren einen drohenden Überschlag erkennen. Auf Wunsch kann er als Kopfstütze für die Fondpassagiere auch manuell aus- und eingefahren werden.

Höchste Ansprüche an den Fahrkomfort erfüllt auch das vollversenkbare Stoffverdeck. Die 43 Kilogramm schwere, hochpräzise Konstruktion besteht aus 27 Gestängeteilen und 34 Gelenken. In zusammengeklapptem Zustand hat sie ein Volumen von nur 80 Litern. Das Verdeck ist durch eine 20 Millimeter dicke Schicht aus Faservlies zwischen dem äußeren Bezug und dem inneren Verdeckhimmel isoliert. Zudem ist die Außenhaut fest mit den vorderen und mittleren Spriegeln verbunden, um das bei Cabrios sonst oft auftretende Aufblähen des Verdecks zu vermeiden. So herrscht bei geschlossenem Dach im Cabriolet der Baureihe 124 ein Fahrgefühl fast wie im Coupé. Die große und heizbare Heckscheibe aus Sicherheitsglas ist durch einen Doppelrahmen bündig mit der Außenhaut verbunden und bietet verzerrungsfreie Sicht nach hinten. Als komfortable Sonderausstattung gibt es eine elektrohydraulische Verdeckbetätigung, die ab der Modellpflege 1993 zur Serienausstattung gehört.

Konstruktive Partnerschaft

Entwickelt wird das Cabriolet von Mercedes-Benz gemeinsam mit Porsche. Zunächst beginnt die Arbeit am offenen Viersitzer 1988 bei Karmann in Osnabrück. Im Januar 1989 übernimmt dann Porsche den Entwicklungsauftrag, wo man bis zu diesem Zeitpunkt an einem möglichen Cabriolet für die kommende C-Klasse der Baureihe 202 gearbeitet hat. Zuvor hatte Porsche bereits den Entwicklungsauftrag zu einem möglichen Cabriolet der Mercedes-Benz Kompaktklasse der Baureihe 201 erhalten. Auch bei der Kreation und Produktion des Hochleistungsautomobils Mercedes-Benz 500 E haben die beiden Stuttgarter Automobilunternehmen schon kooperiert. Die Arbeiten am A 124 werden von Porsche am Standort Weissach ausgeführt. Das Cabriolet wird bei Mercedes-Benz und Porsche in unterschiedlichen Dauerläufen auf Zuverlässigkeit und Beständigkeit getestet.

 

Vom Solitär zur Typfamilie

1991 hat das 300 CE-24 Cabriolet mit 3-Liter-Reihensechszylindermotor und 162 kW (220 PS) Leistung Premiere. Seine Serienfertigung im Mercedes-Benz Werk Sindelfingen läuft im März 1992 an. Es bleibt zunächst ein elegant-sportlicher Solitär im Modellprogramm der Marke. Bereits zum Modelljahr 1993 erfährt der offene Viersitzer eine Modellpflege, die sich äußerlich unter anderem in dem nach dem Vorbild der S-Klasse der Baureihe 140 gestalteten „Plakettenkühler“, vorderen Blinkleuchten mit farblosen Deckgläsern und den in der Farbe der Anbauteile lackierten Stoßfängerschutzleisten bemerkbar macht. Fahrerairbag sowie elektrisch verstellbare Außenspiegel links und rechts sind nun serienmäßig, Zentralverriegelung und Fünfganggetriebe gehören bereits vorher zur Serienausstattung des offenen Viersitzers, der künftig als Mercedes-Benz E-Klasse Cabriolet firmiert.

Das Modellprogramm umfasst nun insgesamt vier Varianten mit jeweils zwei Vier- und Sechszylindermotoren. Das E 200 Cabriolet (100 kW/136 PS) wird zunächst und bis 1994 nur für den Export nach Griechenland, Italien und Portugal gebaut. Eigentliches Einstiegsmodell ist damit 1993 das E 220 Cabriolet (110 kW/150 PS). Nachfolger des 300 CE-24 Cabriolet wird das E 320 Cabriolet (162 kW/220 PS), und neues Topmodell ist das E 36 AMG Cabriolet (200 kW/272 PS). Insgesamt entstehen bis Juli 1997 genau 33.952 Cabriolets der Baureihe 124. Die meisten Kunden (18.572) entscheiden sich dabei für einen Typ mit Sechszylindermotor.

Quelle: Daimler AG

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Snoubort
2 Jahre zuvor

Der Mercedes
„Ein guter Teil des Preisunterschieds ist in der Fahrzeugkonstruktion begründet“ – das waren noch Zeiten….

Phil
2 Jahre zuvor

Gegenüber Wettbewerbern würde ich das auch heute noch annehmen wollen.

W113
2 Jahre zuvor

Die Zusammenarbeit mit Porsche war mir beim A124 noch nicht bekannt. Schöner Artikel!

Buchtipp
2 Jahre zuvor

Die Zusammenarbeit mit Porsche wird, neben zahlreichen weiteren wissenswerten Daten und Fakten, auch in diesem Buch des W124 Clubs näher erläutert:
https://ticker.mercedes-benz-passion.com/ein-offenes-buch-zum-offenen-124er/

Phil
2 Jahre zuvor

Porsche und (in der Folge auch) Karmann profitierten damals sehr von der Zusammenarbeit mit Daimler.
Dass Porsche tüchtig am 500E Mitarbeiter, war mir bekannt, das übrige nicht, etwa die Arbeit an einem möglichen 201 Cabrio. Davon sah man ja nur Einzelumbauten mit Zentralstern.

viano 3.5
2 Jahre zuvor

Stimme Ihnen voll zu , aber für Mercedes waren wohl für den 500er zu viele Veränderungen nötig . Selbst bei den Limousinen (W124) hat man, an der Karosseriestruktur ,viel verändert .

Marc W.
2 Jahre zuvor

Klug war es, von Beginn an den Mopf-Heckdeckel zu verbauen; lustig, dass die Kataloge dagegen vom Mopf-Stoßfänger ausgingen (man sich also schon 1992 vorfreuen konnte;-)
Leider gibts Teileprobleme, ein SL ist wirtschaftlicher…

Andreas
2 Jahre zuvor

Du hast schon Recht mit der Handschaltung. Die Fünfgang Handschaltung von meinem W201 war gegenüber dem Vorgänger (A4 B6) absolut latschig und eher ein rühren in Teig.

Aber in Anbetracht der Positionierung des Fahrzeuges, dem Alter, dem damaligen technischen Stand der Dinge, empfand ich sie nie negativ. Es hat komplett zum Rest des Fahrzeugs gepasst.

Würde ich aber nochmal einen kaufen, wäre es definitiv ein Fahrzeug mit Automatik. Da hat sich meine Sicht der Dinge verändert.

Phil
2 Jahre zuvor

Diesen Beitrag in der ams habe ich auch positiv aufgenommen. Dagegen leider in Heft 10 der Auto-Zeitung:
„Trotzdem ist auch in der neuen S-Klasse nicht alles Gold, denn einige Verarbeitungsmängel sind offensichtlich. Stufige Übergänge zwischen Tür- und Armaturenträger-Verkleidungen, nicht sauber eingepasste, metallbedampfte Abschlussleisten, kantige Klavierlack-Blenden oder in schnöden Kunststoff eingefasste Burmester-Hochtöner gehen in dieser Preis- und Fahrzeugklasse nicht. Besser machen es BMW und Porsche…“, die allerdings im Test unterliegen.
Kleinere Mängel, die man aber abstellen kann, habe ich in Mercedes-Fahrzeugen immer wieder mal erlebt. Konzeptionelle Mängel jedoch nie, und darauf kommt es für mich an. Solange ich es mir werde leisten können, werde ich mir nichts mehr außer einem Mercedes kaufen, ….. höchstens vielleicht doch einmal einen 911. 😉

Snoubort
2 Jahre zuvor

Wenn man sich das Video hier ansieht, dann sieht die S-Klasse schon wirklich beeindruckend gut gemacht aus:
https://www.youtube.com/watch?v=QjGi8rqq8nM

Bzgl. dem AMS Testvergleich – Ähnliches ergibt sich auch hier (also, technisch, optisch und vom Fahren her ein Top-Auto, aber erschreckend wenig „Detailliebe“):
https://www.youtube.com/watch?v=m9AbAaDrHxg&t=887s

Meine „Sorge“ bzgl. der konstruktiven Besonderheiten bezieht sich halt vor allem auf Olas laut angekündigtes Ziel, bei Einkauf und Produktionskosten noch große Einsparpotentiale realisieren zu wollen (die er im Vergleich zum Wettbewerb sieht).

Helge
2 Jahre zuvor

Der A124 ist sicher auch eine Wertanlage (für die Zukunft). Schon heute kosten gute Exemplare zwischen 30 u. 40 Tsd und darüber. Tendenz steigend.

Snoubort
2 Jahre zuvor

Wenn der Beweis bzgl. Zukunftsaussichten bei den „Konstruktive Abgrenzungen zum Wettbewerb“ noch gefehlt hat: siehe Sitzheizung etc….
https://mbpassion.de/2021/05/aenderungsjahr-21-1-fuer-den-eqa-bestellbar/