Mit dem EQV bietet Mercedes-Benz eine Großraumlimousine mit bis zu acht Sitzplätzen, bis zu 1.410 Liter Laderaum und einer maximalen Reichweite von 418 km. Wir sind das emissionsfreie Modell erstmals probegefahren.
Der EQV von Mercedes-Benz: die elektrifizierte V-Klasse
Der „neue“ EQV von Mercedes-Benz basiert auf der V-Klasse und ist aktuell als EQV 300 in der Variante Lang- und Extralang erhältlich. Die Preise für die Großraumlimousine mit einer nutzbaren Batteriekapazität von 90 kWh (von 100 kW) starten aktuell bei 69.588,40 Euro, bzw. 70.458,40 Euro. Das Modell ist ausschließlich mit Vorderradantrieb erhältlich.
Zwei Fahrzeuglängen: Lang oder Extralang
Wie auch bei der V-Klasse muss man sich über den Einsatzzweck bei der Fahrzeuglänge vorab im Klaren sein, wobei der Antrieb mit 150 kW / 204 PS sowie die Batteriekapazität jedes Mal identisch bleibt. Gleich bleibt auch die Geschwindigkeit in Serie von 140 km/h, die optional auf 160 km/h erweiterbar ist. Während beide EQV Varianten den Platz für 6 bzw. optional für 8 Personen bieten, unterscheiden sich die Modelle bei der Nutzlast. So kann die „Lang“-Variante maximal 746 kg schleppen, während die „Extralang“-Variante hier nur 716 kg mitführen kann. Beim angegebenen Verbrauch bleiben die Varianten aber relativ gleichauf – mit 26,3 zu 26,4 kWh pro 100 km, ebenso bei der Reichweite von 418 bzw. 417 km.
3-Phasen-Ladung möglich
Das EQV kann an der normalen Wallbox mit maximal 11 kW Ladeleistung „aufgetankt“ werden. Das Laden ist mit 3 Phasen zu je 16 A (3 Phasen x 16 A x 230 V = 11 kW) möglich. Sofern nur ein 1-phasiger Netzanschluss vorhanden ist, erlaubt der Onboard-Lader das einphasige Laden mit bis zu 32 A (Absicherung und Kabel vorausgesetzt). In der Serie wird beim EQV ein Ladekabel Mode 3 (Typ 2, 3 x 20A) mit 5 Meter Länge mitgeliefert.
Geladen werden kann der EQV auch mittels DC-Ladefunktion mit bis zu 110 kW. Die Ladezeit am Schnelllader mittels Combined Charging System und CCS Ladedose (Combo 2) soll bei rund 45 Minuten von 10 auf 80 % (SoC) liegen, bzw. unter 10 Stunden von 0 auf 100 zuhause.
Vier Uni- sowie sieben optionale Farbtöne
Während bei den Lackierungen aktuell vier Unilacke sowie sieben optionale Farbtöne zur Auswahl stehen, ähnelt die Optionsliste erwartungsgemäß der V-Klasse inkl. linker Schiebetür oder EASY-Pack Heckklappe. Ausschließlich für den EQV steht hingegen ein Design-Paket Exterieur sowie Interieur zur Verfügung, was die Besonderheit des Modells hervorhebt. Während die Avantgarde Line Exterieur optional bestellbar ist, fehlt hier die sonst verfügbare AMG Line Ausstattung.
AIRMATIC und LED-Scheinwerfer optional – keine Anhängevorrichtung
Wie auch in der V-Klasse ist auch für den EQV eine optionale AIRMATIC Luftfederung erhältlich, dass in drei Fahrprogrammen variabel eingestellt werden kann. In der Serie erhält der EQV das Basisfahrwerk Plus mit Komfortfederung mit Stabilisator an der Vorderachse sowie Standardfederung an der Hinterachse. Das LED Intelligent Light System ist hingegen nur optional, zumal man das Fahrwerk in Serie mit Halogenscheinwerfern ausliefert. Auf eine Anhängevorrichtung muss man im EQV jedoch auch optional verzichten, während der Aktive Brems-Assistent, Totwinkel-Assistent sowie der Fahrlicht- und Spurhalte-Assistent bereits Serie ist.
Serienmäßig wird der EQV mit einer halbautomatisch geregelten Klimaanlage TEMPMATIC ausgeliefert, optional sind die Automatik THERMOTRONIC sowie die Klimaanlage halbautomatisch TEMPMATIC im Fond erhältlich. Die Sitzheizung für den Fahrer- und Beifahrer sind Serie, wie auch die Vorklimatisierungsfunktion. Bei ausgeschalteter Zündung kann das Fahrzeug bis zu 30 Minuten weiter klimatisiert werden, sofern gewünscht.
Gegenüber der V-Klasse besitzt der EQV einen veränderten Unterflurbereich aufgrund der dort angebrachten (wassergekühlten) Hochvoltbatterie mit Versorgungsleitungen. Die Fahrzeughöhe wächst hierbei um rund 20 mm und beträgt – ohne Berücksichtigung einer optionalen Dachreling – knapp 1.900 mm. Die Bodenfreiheit liegt bei rund 106 mm.
Fahrtest des Mercedes-Benz EQV 300 in Wien
Zum ersten Fahrtest für das EQV Modell hat uns Mercedes-Benz nach Wien eingeladen, wo wir im gemischten Verkehr durch die Innenstadt sowie über das Umland auf Landstraßen sowie Autobahnabschnitten unterwegs sein konnten.
Die batterie-elektrische Variante der V-Klasse kann dabei genau das, was man von der Verbrenner-Variante der V-Klasse gewohnt ist – nur eben mit Strom, statt mit Kraftstoff. Der elektrische Antriebsstrang (eATS) mit einer Spitzenleistung von 150 kW / 204 PS sowie einer Dauerleistung von 70 kW / 95 PS treibt das Fahrzeug dabei problemlos an, wobei der E-Motor mit einem maximalen Drehmoment von 363 Nm dazu lediglich die Vorderachse antreibt.
Der erste Fahreindruck zeigt sich dabei wenig verändert zur V-Klasse. Der EQV ist durchaus flott unterwegs und beschleunigt dabei sehr gleichmäßig. Das Fahrwerk federt optimal und insgesamt macht die Elektro-Großraumlimousine einen sehr souverän Fahreindruck. Bereits aus dem Stand zieht der EQV elektrotypisch besonders kraftvoll, wie es bereits der eVito mit identischem Antriebsstrang sowie Batteriegröße bei uns im Fahrtest tat. Im Innenraum geht es ebenso leise zu. Meist war nur der Fahrtwind leicht bemerkbar. Der E-Motor war hingegen so gut wie nie akustisch präsent. Hier zeigt sich aber auch von Vorteil, das im vorderen Bereich Akustikglas beim EQV verbaut ist, wobei die Fahrgeräusche im Fond schon spürbar lauter sind.
EQV: macht das, was eine V-Klasse macht. Nur mit Strom
Im normalen Fahrbetrieb durch die Stadt fällt der EQV dabei beim Fahrgefühl wenig auf m Vergleich zum Verbrennerfahrzeug. Lediglich an der Ampel wollten wir ab und an die Start-Stopp-Taste betätigen, um den Motor wieder zu starten. Auffällig war hingegen die indirekte Lenkung aufgrund des Frontantriebs sowie der tief liegende Schwerpunkt des Fahrzeuges. Unauffällig war hingegen das Mehrgewicht der Batterie, was den Fahreindruck nicht negativ beeinflusste und das Fahrgefühl in Kurven sogar verbesserte.
Auch auf der Autobahn zeigte sich der EQV als angenehmer und durchaus flotter Begleiter, der mehrere Beschleunigungen nicht großartig mit der Reduzierung der Reichweite quittierte. So lässt sich ein kurzer Sprint zum Überholen schnell absolvieren, Die Höchstgeschwindigkeit von (optional) 160 km/h konnten von uns aufgrund der örtlichen Verkehrsregeln nicht erreicht werden. Flott auf knapp über 130 km/h war aber mehrmals drin, auch wenn der Elan im Vortrieb mit zunehmendem Tempo nachlässt.
Das neue (optionale) AIRMATIC Fahrwerk passt hingegen gut zur EQV und sorgt für eine deutlich bessere Federung. Das im Segment noch konkurrenzlose System sorgt dafür, das schlechte Straßen sich gar nicht mehr so schlecht anfühlen, wobei auch das Lenkgefühl ein wenig konkreter und präziser wird. Dabei ist die Bodenfreiheit unabhängig der Beladung immer konstant und fährt erst ab 110 km/h automatisch um einen Zentimeter nach unten. Die Fahrstabilität ist dabei nochmal ein wenig verbessert, wobei der reduzierte Luftwiderstand auch beim Verbrauch dienlich ist. Billig ist das optionale System hingegen nicht, zumal das Serienfahrwerk auch schon komfortabel ist.
Überrascht hat uns die Reichweite, die bei unserem Fahrtest durch Wien sowie rundum mit einigen Autobahnabschnitten bis in die Wachau positiv aufgefallen ist. So konnten wir problemlos über 300 km abspulen und hatten am Ende sogar noch eine Restreichweite von über 100 km – und das ohne Deaktivierung der Klimaanlage. Unser größter Kritikpunkt vorab der Testfahrt zur fehlenden Reichweite löste sich so schnell in Luft auf.
Die Lademöglichkeit mittels vorne positionierter Ladeklappe gestaltet sich hingegen problemlos, wobei man gezielt und durchaus bequem von vorne die Ladesäule anfahren kann. Während bei DC-Ladung schnell die 100 kw-Marke bis maximal 80 % SoC mittels CCS-System erreicht wird, braucht man bei Wechselstromladung mit maximal 11 kW oft Geduld. Die Freischaltung der Säule ist oftmals mit „Mercedes me Charge“ direkt über das MBUX System möglich, wobei auch mit bereits gestecktem Ladekabel auch weiterhin die Ladesäule manuell ausgewählt werden muss.
Die sonst bekannte Tankklappe in der Tür einer V-Klasse ist beim EQV weiterhin vorhanden, führt aber nun ins Leere.
Auf Langstrecken hilft das MBUX System (NTG 6), dass notfalls Ladesäulen zur Route hinzufügt und dazu passend die mindeste notwendige Ladedauer für das problemlose Erreichen des Ziels errechnet. Dabei wird die Ladekapazität der Säule ebenso berücksichtigt, wie dessen Verfügbarkeit.
Anhängerkupplung nicht erhältlich
Wo Licht ist, ist aber auch Schatten: beim EQV störte wenig, abgesehen von der maximalen AC-Ladung von 11 kW. So wünschten wir uns, dass man beim Grundpreis von stattlichen knapp 70.000 Euro bereits ein serienmäßiges LED Licht erhält und nicht mit Halogen-Scheinwerfern vom Hof des Händlers rollt. Sofern man die entsprechende Option bei der Bestellung vergessen hat. Etwas vermissen wird man vielleicht auch die nicht erhältliche Anhängerkupplung, auch wenn man für die Mitnahme von Fahrrädern einen eigenen Gepäckträger mit Haltepunkten an der Hecktür anbietet.
Fazit:
Der EQV hat uns tatsächlich überrascht. Vorab im Kopf, dass die „Großraumlimousine mit der geringen Reichweite“ keine richtige Zielgruppe findet, hat uns der Fahrtest hier schnell vom Gegenteil überzeugt. Dabei genießt die V-Klasse mit E-Motor am Markt nicht nur ein Alleinstellungsmerkmal mit genug Stauraum, sondern hat für uns auch noch eine akzeptable Reichweite. So reicht das Modell sehr gut für den Alltagsgebrauch von Familien, oder als Service- & Shuttlefahrzeug von Hotels. Selbst die Wegstrecke von München bis zum Flughafen ins Erdinger Moos wäre rund dreimal am Tag ohne Nachlademöglichkeit fahrbar, bevor der EQV wieder ans Netz muss. Ob es aufgrund des hohen Grundpreises jedoch am Markt angenommen wird, bleibt abzuwarten.
Was uns aufgefallen ist:
- o Unauffällige Großraumlimousine ohne Laderaumverlust
- + Überraschende Reichweite
- + Hohe DC-Lademöglichkeit
- o Serie: 140 km/h, optional 160 km/h Höchstgeschwindigkeit
- + besseres Interieur-Ambiente als eVito Tourer
- + Pkw-Fahrgefühl, gutes Fahrwerk
- – Zuladung von 746 bzw. 716 kg
- – überschaubare AC-Ladung mit maximal 11 kW (identisch EQA und EQB)
- – Hoher Grundpreis
- o Mercedes me Charge Ladekarte für 12 Monate kostenlos, sonst 99 Euro / Jahr
- o Leistungsreduzierte Fahrprogramme: 100 kW / 136 PS im Effizienz-Modus, 80 kW/109 PS im E+ Modus.
- Rekuperation über Schaltpaddels einstellbar, Auto-Modus nutzt Navigations-Daten sowie Kamera-Infos über Straßenverlauf mit bedarfsgerechter „Segel“-Funktion.
Übrigens: Unser Corona Test nach Rückkehr aus Wien war negativ. Den EQV hätten wir sicherlich gerne mitgenommen, den Virus hingegen nicht.
Ausstattungen des Testfahrzeuges (inkl. 16 % MwSt.) (Auszugsweise):
Mercedes-Benz EQV 300 Lang, 150 kW / 204 PS – Grundpreis 69.588,40 Euro
Radstand 3.200 mm. Stromverbrauch kombiniert 26,3 kWh/100 km
- hyazinthrot metallic 1089,40 Euro
- Leichtmetallräder 7.5 J x 18 5-Speichen Design auf 245/50 R18 548,68 Euro
- Leder Lugano Schwarz
- Zierelemente Doppelstreifenoptik
- Standard-Fahrassistenz-Paket & Wartungs-Paket
- Park-Paket mit 360 Grad Kamera 1.581,08 Euro
- Spiegel-Paket 560,28 Euro
- EQV Design Paket Exterieur 1.682,00 Euro
- AVANTGARDE Line 6000,68 Euro
- AIRMATIC 2.204,00 Euro
- Dachreling eloxiert 547,52 Euro
- Fernlicht Assistent PLUS 211,12 Euro
- Elektrische Betätigung Schiebetür Links, rechts – jeweils 918,72 Euro
- Fahrersitz und Beifahrersitz elektrisch verstellbar – jeweils 1.238,88 Euro
- Gewichtsvariante 3.500 kg (Serie), Zulassung als PKW (Serie)
Gesamtpreis mit Sonderausstattung: 88.329,36 Euro
Bilder: MBpassion.de / Daimler AG